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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Auch diese Stellung brauchten wir nicht weiter aus
zubauen durch Verbinden der einzelnen Schützenmulden,
da die gegnerische Nachhut, in deren Feuer wir geraten
waren, nachgab und wir weitermarschierten.
Die ersten Anklänge zu richtigen, ausgebauten Feld
befestigungen waren unsere Eeländeverstärkungen südlich
von Sommaisne, wo nach dem Divisionsbefehl ein Höhen
zug von uns gehalten, jedoch nicht überschritten werden sollte.
Das Gelände war hügelig, und der Boden äußerst steinig.
Die sehr ermüdeten Truppen arbeiteten die ganze Nacht
ohne Unterbrechung an den Schützengräben. Diese waren
aber beim Tagesgrauen nicht viel weiter und tiefer als für
knieende Schützen gediehen. Dahinter waren Anfänge zu
Deckungsgräben gemacht worden. Ein in der Nähe liegen
des Wäldchen, in dem am vorhergehenden Tag die Granaten
gewütet hatten, bot abgeknickte Bäume und Aste in ge
nügender Auswahl, um Eindeckungen bauen zu können.
Der rücksichtslose Angriffsgeist, zu dem unsere Truppen
erzogen sind, läßt es nicht dazu kommen, daß ihre Eefechts-
tätigkeit im Schützengraben sich etwa „auf eine ausschließ
liche, starre Verteidigung beschränkt", wie sie in einem
Eeheimbefehl der General des 2. französischen Armeekorps
an den ihm unterstellten französischen Offizieren und Mann
schaften rügt, sondern von uns wird aus dem schützen
den Graben heraus auch angegriffen. Unsere Feld
befestigungen sind also nicht zum Grabe des Angriffs
gedankens geworden, wie man es militärisch zu nennen
pflegt. Anderseits galt uns Deutschen vielleicht doch der
russisch-japanische Stellungskamps mit seinen gewaltigen
Erdarbeiten zu sehr als Ausnahme. Kurzum, unsere ersten
Versuche in der Feldbefestigung standen hinter denen unserer
westlichen Gegner wesentlich zurück, die sich darin haupt
sächlich bei ihren Loison- und Maasstellungen als Meister
entpuppt hatten. Um es gleich vorweg zu nehmen: wir
haben den Vorsprung sogar nach französischen
Aussagen eingebracht, wenn nicht gar überholt.
Es war damals das erstemal im ganzen
Feldzug, daß wir unsere Eeländeverstärkungen
benutzen mußten, um darin auszuhalten. Wir
hatten keine Schulterwehren, keine Rücken
wehr, keine Unterschlupfe, viel weniger Un
terstände, keine Masken, keine Verbindungs
gräben, nur 1,30 Meter tiefe Deckungsgräben.
Dazu kam gegen drei Uhr morgens der Be
fehl, daß die Regiments-, die Bataillons
und Kompanieverbände wieder herzustellen
seien, die sich beim Gefecht am vergangenen
Tage stark vermischt hatten. Die Leute, die
nicht zur Kompanie gehörten, verließen uns
also, um sich wieder ihrer Truppe anzu
schließen. Dadurch entstanden in vorderster
Linie Lücken. Doch blieben wir diesmal von
Granatfeuer zum Glück ziemlich verschont,
wenn wir auch wie auf dem Präsentierteller
lagen und ein feindlicher Flieger mehrmals
minutenlang über uns surrte. Der Grund
dafür war das Artillerieduell, das hoch über
unsere Stellung hinwegheulte. Am folgenden
Abend halfen die Pioniere, die man uns
zugeteilt hatte, bei der Verstärkung unserer
Stellung. Ihre großen Spaten und Hacken
erleichterten uns die Arbeit bei dem harten
Boden wesentlich. Vor allem konnten sie je
doch die Bemühungendes kompanieführenden
Offiziers um die Errichtung der schon aus
gezählten Schutz- und Deckungsmittel für
seine Leute unterstützen, indem sie sich auf
die Kompanie verteilten und die Infanteristen
im Bauen unterwiesen.
Doch sollte auch diese Stellung nicht völlig
ausgebaut werden, da wir kurz darauf durch
einen Sturmanlauf weiter vorwärts dringen
konnten. Erst einige Wochen später bauten
wir unsere erste richtige Feldbefestigung, die
auch den verwöhntesten Ansprüchen genügte.
Wir hatten uns vom Gegner gelöst und
dadurch Zeit gewonnen. Nicht mehr verhin
derte feindliches Artilleriefeuer unsere Ge
fechts- und große Bagage, uns Schanzzeug
bis fast an die Schützengräben zu bringen. Der
Regimentsschanzzeugwagen tat uns vortreffliche Dienste mit
seinen 260 großen Spaten und insgesamt 380 Hacken, Beilen,
Arten und Sägen. In aller Ruhe waren bis zur Ankunft
der Truppen die Stellungen erkundet worden auf Schuß
feld, Unkenntlichkeit, Flügelanlehnung, Artilleriestellung und
dergleichen. Ein Patrouillenschleier wurde auf die davor
liegenden Höhen geschickt, um gegen Überraschungen durch
gegnerische Patrouillen zu schützen und diesen den Einblick
in unsere Arbeiten zu verhindern.
Die Kompanien schwärmten in den bezeichneten Ee-
ländeabschnitten aus. Jeder Gruppenführer bezeichnete
durch Einstecken des Seitengewehrs oder Hinlegen des ab
genommenen Tornisters den Erdklotz, der stehen bleiben
sollte, um die Schulterwehr zu bilden, die seine Gruppe
von der Nachbargruppe rechts von ihm abteilen sollte.
Dann legten die Mannschaften ihr Gepäck hinter sich,
und die Spatenträger — es hatten jetzt schon drei Viertel
der Leute Spaten — begannen emsig zu arbeiten. Die
Träger der Beilpicken halfen die Erde lockern und die übrigen
Mannschaften wurden ins Vorgelände geschickt.
Dort machten sie das Schußfeld frei, legten Hecken nieder,
die die Feuerwirkung hinderten, hackten Bäume um,
die dem Gegner die Beobachtung oder das Einschießen
erleichtern konnten, entfernten Wegweiser und füllten Ver
tiefungen auf oder machten sie ungangbar. Andere schritten
genau die Entfernungen ab bis zum nächsten Hügel, brachten
alle 100 Meter unscheinbare Schußmarken wie Steinhaufen
oder Strohwische an, die das Beschießen der später daneben
liegenden Schützenlinien durch genau'e Kenntnis der Ent
fernung und entsprechende Visierwahl erleichtern und die
Wirkung vergrößern sollten.
Hatten wir doch beim Angriff gegen französische Stellungen
uns schon manchmal über ihre ausgezeichneten Treff
ergebnisse gewundert, bis wir dahinter kamen, daß die alten