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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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voraus, beide Bewegungen greifen aber viel
fach ineinander über. Der Geschichtschrei
bung nach dem Kriege wird es vorbehalten
bleiben, den Schleier, der zurzeit noch über
unserem Eisenbahnaufmarsch ausgebreitet ist,
zu heben. Eines kann jetzt schon gesagt wer
den, daß die Eisenbahnen mit ihrer Leistungs
fähigkeit und Schnelligkeit imstande sind, die
Schlagkraft des Heeres ganz erheblich zu stei
gern, daß also der Ausbau des Eisenbahn
netzes für die Landesverteidigung an erster
Stelle stehen muß.
Dem Chef der Eisenbahnabteilung des
Großen Eeneralstabes fällt die Verantwor
tung für alle Kriegsvorbereitungen auf dem
Gebiete des Eisenbahnwesens zu. Von frühe
ren Ehefs seien genannt: v. Brandenstein,
v. Keßler, v. Oberhoffer, v. Budde, der
spätere Minister. Seit 1912 stand an der
Spitze der Eisenbahnabteilung der württem-
bergische Oberst Groener (Bild Seite 386),
der bei Ausbruch des Krieges zum Ehef des
Feldeisenbahnwesens im Großen Hauptquar
tier ernannt wurde und damit die Leitung
des gesamten Eisenbahndienstes für Kriegs
zwecke auf den Bahnen der Heimat und des.
Kriegschauplatzes übernahm. Die Eisenbahn
abteilung selbst löste sich zum größten Teil
bei der Mobilmachung auf; ihre Offiziere
traten teils zum Stabe des Ehefs des Feld
eisenbahnwesens, teils als dessen Beauftragte
zu den höchsten Kommando- und Etappen-
behörden über. Für den Osten wurde ein
zweiter Chef bestimmt, der jedoch dem Chef
im Großen Hauptquartier unterstellt blieb,
damit die einheitliche Leitung auf allen
Eisenbahnen gewährleistet sei.
Während vor Jahren die Ansicht ver
treten war, die sogenannten Feldbahnen
(60 Zentimeter Spurweite) würden in einem
Zukunftskriege die Hauptrolle für die Ver
sorgung des Heeres spielen, hat der gegen
wärtige Krieg den Beweis geliefert, daß auf
die Dauer allein die Vollbahnen die Bedürf
nisse der riesigen Truppenmassen zu befrie
digen vermögen, ganz abgesehen davon, daß
die Vollbahnen für Heeresverschiebungen von
einem Flügel zum anderen, von einem Krieg
schauplatz zum anderen, ebenso wie für die
takt'lsche Verwendung der Truppen unent
behrlich sind. Mit unerwarteter Schnelligkeit
ist die Wiederherstellung der Vollbahnen dem Vormarsch des
Heeres gefolgt, indem der Chef des Feldeisenbahnwesens die
ihm unterstellten Eisenbahnbautruppen gleichzeitig mit dem
Aberschreiten der Grenze durch unsere Kavallerie in Feindes
land hineinsandte, so daß die Eisenbahnbaukompanien in
einigen Füllen sogar vor den Vorposten an der Wiederher
stellung der Eisenbahnen arbeiteten. Jetzt führen Vollbahnen
auf beiden Fronten überall bis in die Stellungen der Trup
pen hinein; wo die Strecken unter Feuer liegen, wird teils
nur bei Nacht, teils mit Lokomotiven gefahren, bei denen
durch besondere Vorrichtung der Dampf nicht durch den
Schornstein entweicht, sondern niedergeschlagen wird. Feld-
und Förderbahnen bringen dort, wo der Vollbahnbau wegen
des Geländes nicht angängig war, die Munition zu den Bat
terien. Nur in Polen hat eine längere Feldbahnstrecke vor
übergehend für den Nachschub Bedeutung gewonnen.
Dem Chef des Feldeisenbahnwesens unterstehen zurzeit
auf beiden Kriegschauplähen im Militärbetriebe der Bahnen
in Feindesland über 86 000 Mann an Eisenbahn-, Bau- und
Betriebstruppen, sowie an Vau-, Betriebs-, Werkstätten- und
Telegraphenpersonal, das von den heimischen Eisenbahn
verwaltungen für den Militärbetrieb abgegeben worden ist.
Der Sturm auf die Ferme Gouvernement
bei Moislains.
»Hierzu daß Bild Seite 381-388.»
Die zweite Armee unter dem am 27. Januar zum General
feldmarschall ernannten Heerführer v. Bülow war in den
Küstenbefestigungen und Flußsperren. Schematische Darstelln
A. Minensperre. B. Durchfahrt. C. Balkensperre. D. Tr offen sperre. E. Torpedobatterie. F. Scheinwerfer.
letzten Augusttagen von Belgien her siegreich in Frank
reich eingedrungen, und unaufhaltsam schob sich die Flut
der deutschen Truppen in das feindliche Gebiet vor
wärts, den sich noch zur Wehr setzenden Feind siegreich in
die Flucht schlagend. Noch waren in dieser Periode des
Kampfes die offenen Feldschlachten an der Tagesordnung.
Den Deckungskampf verstanden die Franzosen ausgezeichnet,
jedes Dorf und jedes Gehöft ward zur befestigten Stellung,
die erst im Sturme von unseren braven Truppen genommen
werden mutzte. Unser Bild zeigt den Sturmangriff auf die
Ferme Gouvernement bei Moislains, den am 28. August das
2. pommersche Grenadierregiment bei seinem Vordrängen
gegen den Feind auszuführen hatte. Die ausgedehnten Ge
bäude dieses wohlhabenden Gutes boten dem Feinde eine
vorzügliche Deckung, aus der heraus er ein verheerendes
Feuer gegen unsere vordringenden Truppen richtete. Das
ebene Vorgelände, das unsere Truppen noch von dieser Stel
lung trennte, bot nur wenig Schutz und machte den Angriff
doppelt schwierig. Hier gab es nur ein Mittel, um den Feind
zu vertreiben: den offenen Sturm über die Felder hinweg!
Ein lebhaftes Feuer unserer Feldartillerie leitete den
schwierigen Angriff ein. Bald gingen denn auch einige
der Gebäude, von den deutschen Granaten getroffen, in
Flammen auf, die schauerlich gen Himmel lohten. Noch
aber hielt der Feind stand hinter den schützenden Mauern,
in die er schnell Löcher gebrochen hatte, die ihm als Schieß-
scharten dienten. Jetzt kam der Befehl zum Sturm
angriff für unser Grenadierregiment. In einzelnen Zügen
schwärmten die Kompanien aus, und im Sturm marsch-
»ach einer Originalzeichnnng von Prosessor Willy Stöiver.
Schnellieuergeschiitze. U. Sperrbatterie. 3. Kiiftenhauditzcn.
ß. lä-em-Geschiitze. L. Feindliche Schiffe.
marsch! ging es unter Trommelwirbel und Hörnerklang
dem Feinde entgegen. So mancher Brave wurde bei
diesem Sturm über die offenen Felder von den feindlichen
Kugeln dahingerafft, aber unaufhaltsam ging es vorwärts,
und nnter brausenden Hurrarufen wurde die letzte Strecke
des blutig gezeichneten Weges zurückgelegt. Bald waren
die vordersten vor den schützenden Mauern der Gebäude
angelangt, und nun galt es sich Eingang zu verschaffen in
die verbarrikadierten Gehöfte. Unter wuchtigen Kolben
schlägen brachen Türen und Mauern, die erste Bresche
war geschlagen, der Zugang zu dem Innern freigemacht,
und in immer dichteren Scharen drangen die Grenadiere
in die feindliche Stellung ein. Die Franzosen hielten
diesem Angriff nicht lange stand, eilends ergriffen sie die
Flucht, doch viele wurden bei dem Sturme noch zu Ge
fangenen gemacht. Der Sieg war auch an dieser Stelle
erfochten, die Ferme in deutschem Besitz. Zerstörung
und die Schrecken des Krieges waren aber auch in dieses
wohlhabende Gut getragen, das einen der erbittertsten
Einzelkämpfe erlebt hatte.
Küstenbefestigungen und Flußsperren.
Von Paul Otto Ebe.
(Hierzu das obenstehende Bild.)
Die Versuche der englisch-französischen Flotte, die Dar
danellen von der einen Seite für Landungsabteilungen
sturmreif zu machen und die Durchfahrt zu erzwingen,
während die Russen an der entgegengesetzten Pforte, beim
Schwarzen Meer, mit ihren Schiffsgeschützen
anzuklopfen versuchen, lenkten unsere Blicke
auf die bisher in diesem Kriege noch nicht
aufgetretene, neue taktische Aufgabe: Er-
kämpfung einer Wasserstratze und die Eegen-
maßregeln des Verteidigers. Es kann sich
an dieser Stelle natürlich aus begreiflichen
Gründen nicht darum handeln, über die
Geheimnisse der Dardanellensperrung zu be
richten. Es genüge der Hinweis, datz jede
Wasserstraße, jeder kleinste Flutzlauf in seiner
Mündung noch genug Überraschungen birgt,
außer den ungefähr bekannten Forts (siehe
Bd. I, S. 495).
Der Zweck solcher Küstenbefestigungen ist,
Häfen und Mündungen sowohl gegen das
Eindringen feindlicher Schiffe und Landungs
truppen zu schützen, als auch der eigenen
Flotte sichere Sammelplätze für ihr Vor
brechen zu bieten, oder ihr als Ausrüstungs
und Zufluchtstätten zu dienen. Demgemäß
müssen sie mit Geschützen versehen sein, die
mit Granaten und Schrapnellen gegen we
niger geschützte Teile der feindlichen Schiffe
und gegen ungedeckte Mannschaften Wirkung
haben, also Flachfeuergeschützen. Sodann
sind zum Durchschlagen der Gürtel- und Deck
panzer, sowie der Panzertürme auf den Schif
fen Steilfeuergeschütze erforderlich. Außer
dem ist noch Bedürfnis vorhanden an Schnell-
feuergefchühen von leichtem und mittlerem
Kaliber, die gegen Landungsabteilungen und
leichtere Schiffe auf nahe Entfernung wirken
können.
Die Aufgaben der Geschütze stehen in
engem Zusammenhang mit dem Ort und der
Art ihrer Aufstellung. Alle sind sie möglichst
der feindlichen Sicht entzogen und mit Hohl
räumen nebst Schulterwehren von 3 Meter
dicken: Beton und 10 Meter dicker Erde ver
sehen, die meist ausreichend Schutz gewähren.
Auch sind sie sämtlich mit reichlichen Muni
tionsmengen in nahen Munitionsräumen schon
im Frieden versorgt und mit einem Netz von
Telephonverbindungen ausgestattet. Die ge-
fährdeteren oder wichtigsten sind als sturmfreie
Panzerwerke gebaut. Die Steilfeuerbatterien
stehen versteckt hinter Dünen oder Deichen und
haben teilweise Hindernisse und Gräben zum
Schutz gegen gelandete Abteilungen. Die
Flachfeuerbatterien, die also nicht im Bogen
schuß über größere Höhen, Dünen und dergleichen hinweg
feuern können, haben einen nur so hohen „Aufzug", daß sie
die vorliegenden Deckungen gerade noch überschießen können.
Zu diesen Küstenwerken, deren Einzelheiten streng ge
heim ^gehalten werden, treten bei Kriegsbeginn meist
die „Sperren" im Fahrwasser, die den Hindernissen zu
Lande entsprechen, auch wie diese erleuchtet und unter
Feuer genommen werden können, wenn der Gegner sie
durch leichte Schiffe wegzuräumen versucht. Je nachdem,
ob die feindlichen Schiffe durch die Sperren aufgehalten
oder auch zerstört werden sollen, unterscheidet man die
Stahltrossen- und Schiffsbalkensperren von den Minen
sperren. Durch eine gewundene Einfahrt im Minenfeld
gelangt der Eingeweihte in die Flußmündung (siehe obiges
Bild).. Man kann sich vorstellen, wie peinlich genau die
Matrosenartilleristen ihre gefährliche Arbeit des Minen
legens verrichten müssen, um nicht Kameraden dem sicheren
Untergang zu weihen. Die meisten Minen arbeiten
bei Berührung automatisch, doch kommen gerade bei
Flußsperren auch Beobachtungsminen vor, die vom
Land aus entzündet werden. Hinter dem Minenfeld hat
man die Balken- und Trossensperren gelegt, damit feind
liche Torpedoboote nicht in die Einfahrt hereinsausen
können. Um auch gegen Unterseeboote gefeit zu sein,
darf man sich nicht allein mit der Sperrung der Oberfläche
des Wassers befassen, sondern muß Versenksperren an
wenden. Sollten dennoch feindliche Schiffe Minenfeld
und Sperre:: durchbrechen, was im allgemeinen nicht
vor der Niederkämpfung der meisten, hauptsächlich aber