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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Kanonenboote vor Anker, und unter ihnen sieht man den
riesigen Schiffskörper der in der Ausbesserung befindlichen
„Eoeben". Dreimal ist sie auf Minen gefahren, die ihr den
Schisfskiel und eine Seite zerschmetterten, aber ihre kräftige
Natur hat die drei Erplosionen überdauert, und die Deutschen
und Türken bedauern nur, daß sie wohl schwerlich mehr ihre
einstige Geschwindigkeit erlangen wird. Wir fahren in
die letzte Verengung des Wasserlaufes ein, die zu allen
Zeiten stark befestigt wurde und noch jetzt auf beiden Ufern
die Ruinen der von den Genuesern errichteten Befestigungen
trägt, um die einst Venezianer und Byzantiner Kämpfe
führten. Der Himmel ist grau hier, die Luft wird kühl, es
scheint, als ströme über diesen goldenen orientalischen Früh
ling plötzlich der eisige Atem russischen Winters. Am
fernen Horizont kreuzen weit hinten auf offener See die
den Eingang bewachenden Kriegschiffe. Langsam fahren
wir zwischen ihnen hindurch, von den Kommandobrücken
her scharf beobachtet, und landen bei Kavak auf der asiati
schen Seite. Wir haben aber kaum Zeit festzustellen, daß
es von Soldaten, Offizieren und berittener Artillerie dort
Heide haben drei Landsturmkompanien einen Sturmangriff
aus russische Schützengräben gemacht und dabei fast ein
russisches Regiment sich gegenüber gehabt. Ein Landsturm
hauptmann berichtet im „Kgb. Tgbl." über die tapfere
Tat wie folgt: Am 5. Oktober hatte eine deutsche Truppen
abteilung eine im Wald gelegene Enge infolge heftiger
Beschießung durch feindliche Artillerie räumen müssen, und
der Platz war von den Russen besetzt worden. Rach Eintritt
der Dunkelheit erhielten drei Landsturmkompanien den Be
fehl, im Bajonettangriff die Russen aus dem Wald hinaus
zuwerfen und die von den deutschen Truppen am Tag ge
räumten Stellungen wieder zu besetzen. Die Landstürmer
überraschten eine Feldwache und stürmten mit Hurra in
den Wald, vom Feind mit Maschinengewehr und Gewehr-
feuer empfangen. Sie nahmen 1 Oberst, 4 andere Offiziere
und 400 Mann gefangen und erbeuteten 7 Maschinen
gewehre, Zahlreiche Patronen und 2 Taschen mit Papieren.
Unsere wackeren drei ostpreußischen Landsturmkompanien
hatten bei dieser Heldentat fast ein ganzes russisches Regi
ment zum Gegner. Als der russische Oberst erfuhr, daß nur
wimmelt, als mein Freund und ich auch schon in festen-Ge-
wahrsam gebracht werden. Allmählich gelangen wir zu der
niederschmetternden Einsicht, daß wir eine verbotene Zone
befchritten haben. Unter militärischer Bedeckung werden wir
schließlich mit dem letzten Dampfer in verschlossener Kabine
nach Konstantinopel gebracht, wo mein Freund um neun Uhr
abends das Glück hat, im Kriegsministerium in Freiheit ge
setzt zu werden, während man mich der Polizei überant
wortet. In dem mir als Nachtquartier angewiesenen Raum
haben sich bereits einige Araber und Armenier zusammen
gefunden, die nicht wenig über das Erscheinen eines an
ständig gekleideten Menschen erstaunt sind und mir erzählen,
daß sie sich dort bereits seit zwei bis drei Monaten be
finden. Sehr einladend in der Tat. So malerisch die
Umgebung war, konnte ich doch nicht behaupten, daß sie
mir besonders zusagte. Nach Mitternacht wurde ich endlich
erlöst, werde aber seit jenem Tage auf Schritt und Tritt
beobachtet. Nehmt es euch deshalb zu Herzen: der Bos
porus ist eine gefährliche Straße !
Eine Waffentat des ostpreußischen
Landsturms.
«Hierzu das Bild Seite 398.»
In den siegreichen Kämpfen am Wystiter See (siehe
auch die Karte Seite 224/225) und am Rande der Romintener
drei Kompanien Landsturm den so erfolgreichen Angriff
durchgeführt hatten, schüttelte er den Kopf und wollte es
nicht glauben.
Die Eisenbahnabteilung des Großen
Generalstabes und die Organisation des
Militäreisenbahnwesens im Kriege.
(Hierzu das Bild Seite 386.)
Die Kriegführung der Gegenwart beruht auf den
Leistungen der Eisenbahn! Die Bewegung der Millionen
heere, das Operieren mit den ungeheuren Truppenmassen
auf den weiten Räumen, wie sie der gegenwärtige Krieg
in die Erscheinung treten läßt, sind ohne die Eisenbahn ganz
undenkbar. Tannenberg, Kutno, die Winterschlacht in
Masuren, die große deutsch-österreichische Offensive, die
am 2. Mai in Galizien eingesetzt hat, beruhen auf dem
vorhergegangenen Eisenbahnaufmarsch der Truppen. Vor
allem darf aber nicht vergessen werden, daß der größte
Erfolg dieses Feldzuges, der in einem ununterbrochenen
Zuge das deutsche Westheer tief nach Frankreich hinein bis
nahe an Paris geführt hat, nur möglich war dank dem glän
zend verlaufenen ersten Eisenbahnausmarsch des deutschen
Heeres. Ausgeführt wurde er von den deutschen Eisenbahnen^
im Frieden vorbereitet und ausgearbeitet bis in alle Einzel-