Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
fand, daß ich eine Rippe gebrochen hatte, und begegnete 
mir infolgedessen mit aller möglichen Rücksicht. Kapitän 
Weddigen lud mich zu Zigarren und Portwein ein, und ich 
benutzte diese Gelegenheit, um dem Offizier so höflich wie 
möglich auseinanderzusetzen, was meine Meinung über die 
deutsche Politik den englischen Handelschiffen gegenüber 
sei. „Es war unsere Pflicht," antwortete Weddigen gleich 
mütig, „aber wir wollen auch gar nicht Zivilpersonen töten; 
es sind die Schiffe und nicht die Menschen, die wir ver 
nichten." Während wir so dasaßen und uns unterhielten, 
kam es mir vor, als kennte ich das Gesicht des Kapitäns 
von Photographien her, die ich gesehen hatte. Ich fragte 
ihn daher: „Waren Sie nicht der Kapitän des Unter 
seeboots, das drei englische Kreuzer in der Nordsee ver 
nichtet hat?" „Richtig!" erwiderte er ernst, „ich hatte da 
mals das Kommando von ,11 9h aber jetzt bin ich der Kom 
mandant von ,11 29h" Inzwischen war die Besatzung der 
„Andalusian" aus den Booten, die das Unterseeboot ins 
Schlepptau genommen hatte, an Bord des letzteren be 
fohlen worden und stand nun dicht zusammengedrängt. 
Die Offiziere des Unterseeboots gaben der Mannschaft 
Zigarren. Während dieser Zeit standen zwei Matrosen 
Die Wirkung einer deutschen Fliegerbombe in einer englischen KüstensLadt. 
mit dem Revolver in der Hand bereit. Bevor man der 
„Andalusian" Lebewohl sagte, gingen die Offiziere des 
Unterseeboots an Bord und nahmen unseren ersten Ma 
schinisten und zwei von der Mannschaft mit. Unsere Leute 
mutzten dann die Dampfventile öffnen. Als dies geschehen 
war, nahmen die Deutschen von dem Schiff Karten und 
Papiere an sich. Keiner von ihnen war unliebenswürdig 
gegen uns. Einer sagte uns seinen Namen und bat den 
ersten Steuermann, für ihn ein Telegramm an einen 
Freund zu senden, der Gefangener eines englischen Kon 
zentrationslagers sei. Die Gemütlichkeit der Deutschen er 
reichte ihren Höhepunkt, als wir schieden. Das Untersee 
boot holte eine französische Bark ein, und nachdem diese 
zum Stoppen gezwungen worden war, erhielten wir den 
Befehl, in die Boote zu gehen und mit ihnen an Bord des 
französischen Schiffes zu rudern.— 
Unsere Auslandflotte war noch immer nicht vollständig 
außer Gefecht gesetzt, wie man vielfach meinte. Am 11. April 
lief unser Hilfskreuzer „Kronprinz Wilhelm" in den Hafen 
Newport News ein und erklärte, er habe Mangel an 
Lebensmitteln und Kohlen. Nur 31 Tonnen Kohlen hatte 
das Schiff noch, und die Munition war vollständig erschöpft, 
so daß man außerstande war, die Kriegschiffe der Ver 
einigten Staaten zu salutieren. Der Kapitän des Kreuzers 
machte einigen amerikanischen Journalisten folgende Mit 
teilung: 
„Unsere Arbeit ist noch nicht vollendet. Wir gehen wieder 
in See. Unser Schiff mag innen und außen bös aussehen, 
aber das kommt nur von der Kohlenübernahme auf See. 
Wir mußten die Kohlen an Bord nehmen und sie durch die 
Salons nach den Bunkern tragen. AIs wir New Pork ver 
ließen, hatten wir keine Geschütze an Bord. Zuerst sollten 
wir unsere Ausrüstung von der .Karlsruhe' übernehmen; 
doch wir stießen auf den englischen Dampfer ,La Correntina', 
der zwar bewaffnet war, aber keine Munition hatte. Wir 
nahmen ihm die Geschütze fort. Wir versenkten die Schiffe 
meist durch Öffnen der Ventile und machten im ganzen über 
1000 Gefangene, die wir zum größten Teil zwei Monate 
hindurch verpflegen mußten. Mit drei britischen Kreuzern 
hatten wir Scharmützel. Wir waren gerade mit der Über 
nahme von 50 Mann und einigen Kanonen von der .Karls 
ruhe' beschäftigt, als die englischen Schiffe auftauchten. 
Die größte Beute, die uns in die Hände fiel, war der 
britische Dampfer ,La Correntina'. Ohne Widerstand zn 
finden, gingen wir an Bord und übernahmen drei Kanonen 
und fünf Millionen Pfund Rindfleisch. Dann öffneten wir 
die Ventile des britischen Dampfers und versenkten ihn. 
.Indian Prince', den wir am 7. November kaperten, war 
keine so gute Beute. Am 11. November nahmen wir uns 
von der französischen 
Bark .Union' 3100 Ton 
nen Kohlen. Am 28. Fe 
bruar wurde der Damp 
fer .Hemisphere', ferner 
noch drei englische Damp 
fer versenkt. Das einzige 
neutrale Schiff, dem wir 
dies Schicksal bereiteten, 
war der norwegische Seg 
ler „Somatha", der Wei 
zen für Liverpool gela 
den hatte. Am 22. Fe 
bruar überholten wir 
den englischen Dampfer 
.Chasehill', dessen Kapi 
tän einer der gutmütigsten 
Seebären war. Dieses 
Schiff versenkten wir 
nicht." 
Der Wunsch des Kapi 
täns, nach Ausbesserung 
seines Fahrzeugs wieder 
in See zu stechen, wurde 
leider nicht erfüllt, denn 
bald darauf wurde das 
Schiff in Newport News 
festgenommen, weil die 
Ausbesserung zu der durch 
die Neutralitätsgesetze ge 
gebenen Frist noch nicht 
! beendet war. Reiche Beute hatte unser Kreuzer gemacht, 
und nach der „Times" hat er der englischen Handelsmarine 
einen Schaden von 23 Millionen Mark zugefügt. Er steht 
also in dieser Beziehung an dritter Stelle, insofern die 
„Emden" einen Schaden von rund 44 Millionen, die 
„Karlsruhe" einen solchen von 33 Millionen Mark ver 
ursachte. Die Gesamtbeute unserer Kreuzer belief sich 
nach dem englischen Blatte damals auf 67 Schiffe mit 
einem Gesamtwert von 933 Millionen Mark. 
Der ganze Verlauf des Seekrieges zeigte, daß unsere 
Flotte weit davon entfernt war, sich vor den Engländern 
zu verstecken. Natürlich suchten wir unsere Feinde unter 
taktisch günstigen Verhältnissen auf, und der Feind hätte 
es gewiß gern ebenso gemacht, wenn er nur gekonnt hätte. 
Mitte April wurden mehrfach britische Unterseeboote in der 
deutschen Nordsee gesichtet und wiederholt von unseren Streit- 
kräften angegriffen. Bei einem solchen Seegefecht wurde 
am 17. April ein feindliches Unterseeboot versenkt. Aber 
auch die englischen Küstengewässer hatten wieder einmal 
einen Besuch unserer Flotte. Unser Admiralstab teilte am 
23. April mit, daß die deutsche Hochseeflotte in der letzten 
Zeit mehrfach Kreuzfahrten in der Nordsee ausgeführt hatte 
und daß sie dabei bis in die englischen Gewässer vorstieß. 
Diese Erkundungsfahrten bildeten eine Fortsetzung der 
schon früher unternommenen Vorstöße, die unter anderem 
auch zur Beschießung militärischer Plätze an der englischen 
Ostküste geführt hatten. Damals stieß das deutsche Kreuzer-
	        
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