Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Phot. Dr. Trenkler & Co., Leipzig. 
Meuterei der eingeborenen Truppen niedergeschlagen wor 
den. — 40 000 Inder, die zur Stütze der englischen Wehr 
macht gelandet wurden, schleppten die Pest ein. An dem 
Tage, wo die erwähnten Deutschen abreisten, waren in 
Kairo 48 Todesfälle zu verzeichnen. Sowohl in Palästina 
wie in Ägypten war das Volk für die Deutschen begeistert. — 
Am 15. Oktober meldeten die „Times" die Zunahme 
der türkischen Mobilisation und beunruhigende Truppen 
bewegungen in Palästina nach der ägyptischen Grenze, der 
sich zwei Divisionen Kavallerie des 8. Korps und zahlreiche 
Araberstämme näherten. Die Dardanellen und der Bos 
porus hätten durch deutsche und österreichisch-ungarische sowie 
türkische Geschütze aus Adrianopel eine bedeutende artille 
ristische Verstärkung erfahren. Die dortigen Garnisonen 
seien auf 120 000 Mann gebracht worden. Die Armee in 
Thrazien sei ohne die Garnisonen auf 175 000 Mann ver 
stärkt worden. In der ganzen Levante sammelten die 
Türken freudig für den nationalen Verteidigungsfonds. 
England, das nach der Niederwerfung mehrerer blutiger 
Aufstände 1882 Ägypten in Besitz nahm und seit dieser Zeit 
dort ständig Truppen unterhält, hatte gerade seit Anfang 
des Krieges immer mehr versucht, in Ägypten den türkischen 
dreibundfreundlichen Einfluß ganz auszuschalten. So ent 
standen die ersten Mißhelligkeiten zwischen dem Khediven 
und den Engländern, die zu offenem Streit ausarteten, als 
die Engländer trotz des Einspruchs des Khediven das 
ägyptische Heer mobilisierten. Der Khedive hat nämlich 
das Recht, 18 000 Mann Soldaten zur inneren Bewachung 
Ägyptens zu halten, doch ist der Oberbefehlshaber ein 
Engländer. Der Protest des Khediven war natürlich ebenso 
nutzlos wie seine sonstigen Verwahrungen gegen die eng 
lischen Verwaltungsmaßnahmen, so daß der Khedive schließ 
lich ankündigte, er werde überhaupt nicht inehr nach Kairo 
zurückkehren, sondern in Konstantinopel bleiben, wo er sich 
damals befand. Am 30. September übermittelte nun der 
britische Botschafter in Konstantinopel dem Khediven ein 
Ultimatum, worin dieser aufgefordert wurde, innerhalb 
48 Stunden Konstantinopel zu verlassen. Die englische 
Regierung stelle Seiner Hoheit bis auf weiteres eine Resi 
denz in Neapel, Florenz oder Palermo zur Verfügung. 
Die Reise dahin müsse auf dem Seeweg erfolgen. Khedive 
Abbas entgegnete dem Botschafter kurz und bündig, er habe 
keinerlei Befehle Englands entgegenzunehmen. Der eng 
lische Botschafter zog sich nach dieser keinen Zweifel auf 
kommen lassenden, aber in dieser entschiedenen Form nicht 
erwarteten Antwort des Khediven in sichtlicher Verlegen 
heit aus dem Audienzsaal zurück. . Man ahnte in der Um 
gebung des Khediven wohl, was England wollte und 
warum es gerade den Seeweg vorschlug. Irgendein eng 
lisches Kriegschiff hätte sowohl den Khediven nebst Ge 
mahlin als auch mehrere mit ihm reisende ägyptische Prinzen 
und Prinzessinnen als Geiseln nach Malta gebracht, sobald 
sie auf dem Seewege die türkische Hauptstadt verlassen 
hätten. 
Obwohl die türkische Regierung entgegen der Volks 
stimmung die Neutralität dem Dreiverbände gegenüber 
wahrte, reizte dieser die Türken fortgesetzt. So ließ der 
russische Statthalter im Kaukasus im Namen des Zaren 
einen Aufruf an die türkischen'Armenier ergehen und ver 
sprach für den Fall, daß die türkischen Armenier Rußland 
gegenüber ihre „Pflicht" tun und sich mit ihren unter 
russischer Herrschaft lebenden Stammesbrüdern vereinigen 
würden, die „Erfüllung ihrer nationalen Forderungen". 
Daß ein solcher Übergriff in der Türkei auf das aller- 
tiefste erbitterte, ist natürlich. Das Organ der Jungtürken, 
der „Tanin", schrieb denn auch, daß die türkischen Armenier 
sich wohl kaum durch die Versprechungen des Zaren zur 
Untreue gegenüber dem Osmanenreich würden verleiten 
lassen. Das Blatt bezeichnete dann die russische Kund 
gebung an die Armenier als einen sehr schlechten Dank für 
die gewissenhafte Beobachtung der Neutralität seitens der 
Türkei. Überdies sei die Kundgebung eine große Torheit 
der Russen, denn sie müßten die Stimmung der Armenier 
kennen, die von der russischen Herrschaft eher alles andere 
als die Erfüllung ihrer nationalen Wünsche erwarten. Es 
war eine bisher gegenüber Rußland wohl unerhörte Spräche, 
die der „Tanin" am Schluß des Artikels führte, indem er 
schrieb: „In einem einzigen Punkte stimmen wir dem russi 
schen Erlaß an die Armenier zu. Es wird in der Tat nicht 
lange dauern, bis die Stunde geschlagen hat, die die 
unter dem elendesten Despotenregiment lebenden Völker 
schaften von ihrem Joch befreien wird." 
Nicht minder wuchs die öffentliche Erregung und die 
Erbitterung der leitenden Staatsmänner gegen England 
wegen der immer offener zutage tretenden Nichtachtung 
osmanischer Rechte in Ägypten. Wie stark diese Erregung 
ist, geht daraus hervor, daß die türkische Preßzensur all 
die ernsten Meldungen, die die Zeitungen Konstantinopels 
aus Ägypten erhielten, ungehindert durchgehen ließ, während 
bis Ausbruch des Krieges von der Verletzung türkischer 
Rechte in Ägypten nicht gesprochen werden durfte. Man 
erzählte sich in Konstantinopel ferner ganz offen, daß der 
Sultan in seiner Eigenschaft als Kalif tief verstimmt sei 
über das Verbot der englischen Regierung, die heilige 
Karawane aus Kairo abgehen zu lassen. Tatsächlich be 
deutete ja dieses Vorgehen des englischen Militärgouverneurs 
in Kairo einen schweren Eingriff in die religiösen Rechte 
der Mohammedaner und ihres geistlichen Oberhauptes, des 
Kalifen. Nicht minder waren die Spitzen der türkischen 
Regierung begreiflicherweise empört über die Aufhebung 
der Regierung des Khediven in Ägypten durch die Eng 
länder. Der „Tasfir-i-Eskiar", eines der angesehensten 
Blätter Konstantinopels, gab die allgemeine Volkstimmung 
und nicht minder die Meinung der maßgebenden Kreise 
wieder, als er schrieb: „Es bedarf wohl keines Hinweises 
darauf, daß die Türkei nötigenfalls-die Verteidigung ihrer 
Rechte im gegebenen Zeitpunkt in die Hand nehmen wird-" 
Diese Sprache ist ebenfalls nicht mißzuverstehen.
	        
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