Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
und" Her der Kampfeswogen verursacht, also leider unver 
meidlich waren, sondern um planmäßige Vernichtung des 
Eigentums solcher Bevölkerungsteile, die sich nicht von vorn 
herein auf die russisch-orthodore Seite schlugen. Sie wurden 
ohne jede Schonung behandelt und mußten froh sein, wenn sie 
mit dem Leben davonkamen. Die Tageszeitungen haben ja 
genug Beispiele veröffentlicht, wie die russischen Eindringlinge 
zum Beispiel in den Schlössern des polnischen Adels hausten. 
Aber auch die ärmsten Bauern, die nichts ihr eigen nannten 
als eine baufällige Hütte und ein paar abgemagerte Haustiere, 
hatten das gleiche harte Los zu erdulden. Man nahm ihnen 
das letzte Stück Vieh, die letzte Korngarbe, verschleppte die 
Männer unter dem Vorwand, daß sie noch kriegstauglich 
seien, und zündete den weinenden Frauen zum Schluß das 
Dach über dem Kopf an, wenn nicht noch Schlimmeres 
geschah. Welche Feder möchte schildern, was all die pol 
nischen, rumänischen und jüdischen Familien dort unter den 
zügellosen Kosakenbanden gelitten haben! Vermochten 
doch nicht eimnal die russischen Befehlshaber in den größeren 
Städten wie Czernowitz, Stanislau usw. in ihrer unmittel 
baren Nähe das Plündern zu verhindern, wenn sie dazu 
überhaupt Neigung bezeigten. Was uns endlich in Deutsch 
land noch besonders angeht, das ist das Schicksal der zahl 
reichen deutschen Ansiedlungen in jener Gegend, meist 
schwäbischen 
oder deutsch 
böhmischen 
Ursprungs, 
wie: Knihinin 
bei Stanislau, 
Mariahilf bei 
Kolomea, 
Grabowiec, 
Solotwina, 
Nadworna, 
Delatyn, Neu 
dorf bei Tlu- 
macz, Mikuls- 
dorf, Mogila 
und viele» viele 
andere. In 
Mariahilf zum 
Beispiel sind 
von 110 Ge 
höften 91 nie 
dergebrannt; 
nur rauchge 
schwärzte 
Trümmer zeu 
gen noch von 
dem vormals 
hier tätigen deutschen Fleiß. Die Einwohner retteten nichts 
als das nackte Leben und mußten damit noch zufrieden sein, 
hatten doch die Kosaken die ganze Mordbrennerei unter dem 
Vorwand begonnen, daß in dem Ort österreichich-ungarisches 
Militär versteckt sei. Ähnlich steht es in den meisten Orten 
dort — ein herzerweichendes Elend, dem nun der Wiener 
Ausschuß für die Deutschen aus Galizien und der Bukowina 
und ein ähnlicher in Leipzig nach bestem Vermögen zu 
steuern sich bemühen. Aber umfassende staatliche Notstands 
maßnahmen wie in Ostpreußen werden auch dort nicht zu 
umgehen sein. 
In den Karpathen. 
s Hierzu die Bilder Seite 368.) 
Die Karpathen, in denen monatelang der härteste Kampf 
gekämpft wurde, den bisher die Weltgeschichte kennt, sind 
ein großartiger, nicht durchweg zusammenhängender Ge 
birgszug, der, wenn man seine ganze Ausdehnung in Be 
tracht zieht, als ein mächtiger über 1200 Kilometer langer 
Bogen von der Donau bei Preßburg bis wieder zur Donau 
bei Orsova zieht und gewissermaßen ganz Ungarn von West 
bis Südost ehern umklammert. So aufgefaßt, sind die 
Karpathen nach den Alpen das bedeutendste Gebirge 
Europas; jener Teil aber, der jetzt als Kriegschauplatz unser 
Hauptinteresse erweckt, zieht sich vom Poprad bis zu den 
Quellen der Dorna. Dieser Teil ist an und für sich noch 
sehr gewaltig und wird unter dem Namen „Waldkarpathen" 
zusammengefaßt, deren östlichster Teil wieder den Son 
dernamen „Ostbeskiden" führt. Dieser Abschnitt der Kar 
pathen hat eine Ausdehnung von über 400 Kilometern 
und liegt zwischen den Orten Orlo, an der Bahnlinie von 
'Eperies nach Neu-Sandec, und Oradna, dem Endpunkt 
einer Zweigbahn von Bethlen in Siebenbürgen, nahe dem 
Rodnapaß, der über Kirlibaba, wo auch heiß gekämpft 
wurde, in die Bukowina führt. Die Ostbeskiden reichen in 
die Komitate von Saros, Zemplin, Ung, Bereg, Marmaros 
und (siebenbürgisch) Bistritz. Die wichtigsten Übergänge sind 
außer den zwei schon genannten von West nach Ost: der 
Duklapaß mit der Straße nach Dukla, die aber nur eine 
Höhe von 502 Metern erreicht; der Lupkower Paß, der 
von der Bahnlinie von Homonna durch das Laborczatal 
nach Przemysl durchfahren wird; der Uzsoker Paß an der 
Bahnlinie von Ungvar über Sianki und Turka nach Sambor; 
der Beskidenpaß au derjenigen von Munkacs über Lawoczna 
nach Stryi und Lemberg; endlich der über 1000 Nieter höhe 
Jablonicapaß bei Körösmezö. Über den letzteren drangen 
entlang der Bahnlinie von Kolomea kommend die Russen 
bekanntlich das erstemal nach Ungarn ein. Am 27. Sep 
tember 1914 kam es zum ersten Zusammenstoß auf ungari 
schem Boden, und bald darauf gelang es den Russen, die 
Stadt Marmaros Sziget vorübergehend zu besetzen. Fast 
zu gleicher Zeit kamen die Russen aber auch bei Tvronyn 
und über den Uzsoker Paß nach Ungarn, doch wurden sie 
dort fast un 
mittelbar au 
der Grenze 
selbst zurück 
geschlagen. 
Später kain es 
dann freilich 
am Uzsoker, 
Lupkower und 
Duklapaß zu 
furchtbar er 
bitterten und 
langwähren 
den Kämpfen, 
in denen die 
Russen un 
geheure Ver 
luste erlitten. 
Mit großer 
Tapferkeit 
hielten ihnen 
aber die ver 
bündeten 
deutschen und 
österreichisch 
ungarischen 
Truppen, stets 
Schulter an Schulter kämpfend, stand, und Anfang April 
brach die russische Angriffsbewegung in den Karpathen zu 
sammen. 
Daß ein Gebiet von solcher Ausdehnung geologisch, geo 
graphisch, dann hinsichtlich des Klimas, der Flora, Fauna 
und der Bevölkerung sehr verschieden ist, versteht sich von 
selbst. Stehen doch westlich von Orlo, in der Hohen Tatra, 
vortreffliche Easthöfe mit allen Vorkehrungen für die Be 
dürfnisse eines verwöhnten internationalen Publikums, 
finden doch in Friedenszeiten bei Lomnitz bedeutende 
Pferderennen statt, während nahe von Oradna der Urwald 
sich dehnt, in dem Wolf, Luchs und Bär Hausen. Die Be 
völkerung ist teils slawisch (slowakisch, polnisch, ruthenisch), 
teils magyarisch und rumänisch. Orlo ist ein ganz kleiner 
Erenzort, der eigentlich nur als Bahnstation für das in 
einem nahen Seitental liegende Bad Lublau Bedeutung 
hat, während Oradna (auf deutsch: Alt-Rodna) ein nicht 
unwichtiger Marktflecken ist, der über 5000 rumänische 
Einwohner zählt. 
Aber diese ganze Gegend, die sonst zum größten Teil 
vom Weltgetriebe ganz abseits liegt, wo sonst der einsame 
Hirte, der Jäger oder ein ganz vereinzelter Tourist wandert, 
steht jetzt im Mittelpunkt des Weltinteresses, denn die 
Kämpfe in den Karpathen sind von weltgeschichtlicher Be 
deutung. Monatelang erscholl dort der Donner der Ka 
nonen und das Geknatter der Gewehre, die ganze Gegend 
glich einem Feldlager, einem Schlachtfeld, und neben 
dem Bauer in seinen verschiedenen Trachten stand der 
österreichisch-ungarische und der reichsdeutsche Krieger. 
Besichtigung eines neuen Motorschlittens. 
l. Prinz Joachim von Preußen. 2. v. Hindenburg. 3. Bootsoffizier Joachim. 4. Adjutant Hauptmann Kaemmerer. 
6.,.Oberst Busse, Kommandant der Feste Boyen.
	        
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