Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Feldstecher von Zeiß (schematisch von oben). 
Die Linsen und Prismen sowie die von dem be- 
obachteien Gegenstand durch die Objektive a bis 
zu den Okularen b geleiteten Lichtstrahlen sind 
durch gerissene Linien angedeutet. 
empor, schlossen nach 
vorwärts auf und 
rannten mit Todes 
verachtung dem feind 
lichen Geschoßhagel 
entgegen. Kaum 
zwanzig Minuten 
dauerte es, bis die 
Gräben in unserem 
Besitz waren. In hel 
len Scharen eilte die 
überrumpelte Era- 
benbesatzung flucht 
artig zurück, warf 
teilweise Waffen, Ge 
päck und Mäntel ab, 
die sie am Laufen 
hinderten und wurde 
vom deutschen Ver 
folgungsfeuer hau 
fenweise niedergemäht. Auch viele Gefangene konnten sich 
bei der Zurückbeförderung den Steinbruch hinunter mit gro 
ßem Interesse überzeugen, wie praktisch und vorbildlich die 
Vorarbeiten dieses Sturmangriffs ausgeführt worden waren. 
Doch war diese Sturmleiterepisode nur ein guter An 
fang dessen, was an jenem Tage noch geleistet wurde. Nach 
dem nämlich die Höhe genommen worden war, wurden 
die deutschen Schützenlinien, die mit Front nach Süden ge 
stürmt hatten, mit der neuen Front 
nach Westen abgedreht. Sie über 
schritten die Straße Laon—Croup und 
stießen durch Gestrüpp und Baum 
gruppen, durch Wiesen und Rüben 
äcker an Sous Pierrisre vorbei gegen 
die Höhe 132 vor, während gleich 
zeitig unsere 21-om-Mörser Croup 
selbst unter Feuer nahmen, um einer 
zum Angriff darauf angesetzten Jäger 
kompanie vorzuarbeiten. Während 
diese Kompanie in ein heftiges Feuer 
gefecht am Dorfrand verwickelt wurde, 
stürmten zwei andere Jägerkompanien 
mit dem Leibregiment, das wir vom 
Kampf um den Hohlweg von Croup 
(Seite 310) schon kennen, sowie die 
Kompanien des Regiments Nr. 48 die 
Höhe 132. Dabei fand der tapfere 
Hauptmann Bieren durch einen Herz- 
schuß den Heldentod. Besonders erbittert wurde im Zuaven- 
wäldchen gekämpft, das von feindlichen Reserven besetzt war. 
Der ganze Stab eines Zuavenregiments, der eben zur Be 
fehlsausgabe zusammenkam, wurde hier, nach Aussage von 
Gefangenen, durch eine Mine vernichtet. Aus dem Kampf 
um den Abhang der Höhe von Vregny wird berichtet, daß ein 
deutscher Leutnant in einen der Unterstände, worin 
Franzosen ihre letzte Zuflucht suchten, hineinrief: 
„La guerre est finie!“ (Der Krieg ist aus!) Sel 
ten habe man im Feldzug bisher so fröhlich grin 
sende, glückliche Franzosengesichter gesehen. Es 
wurden ihrer nach und nach 68, die sich teilweise 
auch in den Häusern von Croup sowie in den 
Schützengräben vor dem Dorfrand versteckt ge 
halten hatten. 
Vom Dorfe Croup stehen heute nur noch einige 
verkohlte, vom Brand geschwärzte Balken oder 
Mauerre ste. Heldengräber mit Stechpalmen, Buchs 
baum und Efeuranken an den schlichten Holzkreu- 
zen oder über den weißen Kalksteinen heben sich 
überall aus dem Hellgrün der umliegenden Höhen. 
Weit hinein nach Frankreich schweifen die Blicke 
von dort aus bis zum Silberband der Aisne, wo 
hin wir bis jetzt vorgedrungen sind, und noch wei 
ter bis zu den mächtigen Türmen von Soissons. 
Unsere Ferngläser. 
Von Major a. D. Schmahl. 
(Hierzu die Bilder Seite 374 und 375.) 
Das Sehen hat im Kriege immer eine Haupt 
rolle gespielt. Die Reiterei hieß „das Auge des 
Heeres", weil sie für den Feldherrn weit voraus und seit 
wärts zu beobachten und das Wichtige zu melden hatte. 
Jetzt sind die Flieger hinzugekommen. Auf früheren Schlach 
tenbildern sieht man meist den Feldherrn auf dem Hügel 
mit dem Fernglas am Auge oder in der Hand den Gang 
der Schlacht beobachten. 
Diese Vorstellung ist nun veraltet, was die höchsten Führer 
betrifft. Sie leiten jetzt die Bewegungen ihrer Einheiten am 
Kartentische mit dem Fernsprecher am Ohr. Die ungeheure 
Ausdehnung der heutigen Schlachtfelder hat dazu gezwungen: 
man kann nur einen sehr kleinen Teil desselben übersehen 
und ist dann von dem weittragenden Eeschützfeuer und dem 
Flieger mehr gefährdet, als für den Leiter des Ganzen an 
gängig wäre. An Stelle der eigenen Augen treten also für 
den Feldherrn vor der Schlacht diejenigen der aufklärenden 
Reiter- oder Fliegeroffiziere, im Gefecht die der Unterführer; 
was vorgeht, „hört" der Schlachtenlenker heute. 
Aber die größere seitliche Ausdehnung der Kümpfe 
sowie die größere Tragweite der Feuerwaffen schließt die 
Beobachtung mit unbewaffnetem Auge auch für diejenigen 
aus, denen heute noch das Sehen obliegt, bis zum nie 
dersten Führer herunter, besonders bei der Hauptwaffe 
der Fernwirkung, der Artillerie. Man braucht das Fernglas, 
und zwar ein möglichst scharfes, damit man weit und deut 
lich sieht, und nicht nur einen engbegrenzten Raum, sondern 
so viel, daß man von dem beobachteten Ziel eine Gesamt 
ansicht erhält. Starke Vergrößerung, Helligkeit, weites Ge 
sichtsfeld sind nun Anforderungen, die mit Leichtigkeit, Klein- 
Scherenfernrohr (schematisch). 
Die Schenkel e können so lang gestaltet werden, als es die Handlichkeit erlaubt. 
Scherenfernrohr. 
Gesamtansicht. 
heit, Handlichkeit schwer vereinbar sind. Und doch verlangt 
die Kriegsbrauchbarkeit diese Eigenschaften möglichst vereint. 
Da traten 1893 die Zeißwerke in Jena mit einer geistreichen 
Lösung auf den Plan: „Wer sagt, daß die Lichtstrahlen durchaus 
in einer geraden Linie die beanspruchte Länge zur Verfügung 
haben müssen? Man kann doch eine ziemlich lange Schnur 
in der Faust unterbringen, wenn man sie zusam 
menwickelt !" Optisch gesprochen: Anstatt die Licht 
strahlen wie bisher in Linsen geradlinig zu brechen, 
spiegelt man sie durch vier Prismen. Sie werden 
dadurch um die Ecke und schließlich unter Umstän 
den wieder in die alte Richtung rückwärts geleitet, 
so daß das Fernglas sehr kurz werden kann. 
Aus dem Bilde ist zu erkennen, daß der das 
Auge treffende Lichtstrahl nicht die Fortsetzung des 
in das Objektiv eingetretenen bildet, sondern nur 
gleichlaufend mit ihm ist. Nötigenfalls kann er auch 
in irgendeiner anderen Richtung durch das Okular 
geleitet werden. Beim Haubitzzielfernrohr zum 
Beispiel schaut man von oben nach unten. Diesen 
Umstand können wir für kriegerische Zwecke haupt 
sächlich in zwei Beziehungen nutzbar machen: 
erstens erhalten wir ein um so plastischeres Bild, je 
weiter wir die Objektive voneinander entfernen, 
denn es ist bekannt, daß wir mit einem Auge kein 
plastisches Bild erhalten, sondern erst dadurch, daß 
unsere zwei Augen eine gewisse Strecke vonein 
ander entfernt sind. Darauf hatte schon früher Helm- 
holtz hingewiesen. Um dieser Erwägung Rechnung 
zu tragen, hat man schon die Objekive des Armee- 
und des Artillerieglases (Abb. oben links) etwa 
doppelt so weit auseinandergestellt, als die Entfer-
	        
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