Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
verhältnismäßige Sinken der Preise in dem größten Aus 
fuhrland von Getreide nicht mehr zugute kam. 
Während bei uns durch eine Bundesratsverordnung 
mit der Kriegsgetreidegesellschaft eine musterhafte Ein 
richtung geschaffen wurde, die geeignet war, den schwie 
rigen Verhältnissen gerecht zu werden, ist England als das 
Land des freien Wettbewerbs durch alle jene plötzlichen 
Behinderungen der Getreidezufuhr vor unüberwindliche 
Schwierigkeiten gestellt worden. Zwar hatte auch dort die 
Regierung den Plan gefaßt, durch geeignete Maßnahmen 
den Getreideverkehr zugunsten der Verbraucher zu regeln, 
und das „große Wort" von der Beschlagnahme alles indi 
schen Weizens sollte wohl das erste Zeichen für einen der 
artigen Entschluß sein. Aber die englische Regierung hatte 
nicht mit den In 
teressen des eng 
lischen Getreide 
handels gerech 
net. Die Ver 
sammlung der 
größten englischen 
und irischen Mül 
ler in London 
sprach ganz offen 
aus, daß die eng 
lische Regierung 
durch ihre Ab 
sichten den Markt 
verwirre., daß sie 
eine Angst vor 
billigeren Regie 
rungsverkäufen 
erzeuge; sie solle 
lieber das so un 
sicher gewordene 
Getreidegeschäft 
durch Einführung 
einer Versiche 
rung gegen Preis-. 
Schwankungen 
stützen. 
Aber nicht all 
ein die verschiede 
nen Eetreidesor- 
tenstiegenin Eng 
land im Preise, 
sondern auch das 
Fleisch, und hier 
vor allem das 
Hammel- und das 
Schweinefleisch. 
Fast unerschwinglich wurden die Preise. Auch die Kartoffeln 
schnellten in die Höhe. Die Teepreise erlitten eine große Stei- ‘ 
gerung, und die Kohlen für den Maschinenbetrieb wurden von 
Ende Februar bis Mitte April um etwa die Hälfte teurer. Die 
Hauptschwierigkeit für England war also die Nahrungsmittel 
versorgung, denn gerade die Teuerung führte zur Unzufrieden 
heit in der Bevölkerung, zur Steigerung der Löhne, zum Streit 
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und zu vermin 
derter Eütererzeugung. Vielleicht hatte der englische Minister 
Lloyd George einen ahnungsvollen Augenblick, als er Anfang 
April mit einem deutlichen Hinweis auf die Arbeiter 
schwierigkeiten davor warnte, den „Kartoffelbrotgeist" des 
deutschen Volkes zu verspotten. Gerade dieser „Kartoffel 
brotgeist" des deutschen Volkes fehlte den englischen Ar 
beitern. Ihre Unzufriedenheit griff immer mehr um sich, 
und der englischen Regierung, die dieser Bewegung ziemlich 
ratlos gegenüberstand, erwuchs hier ein Feind, der geradezu 
eine soziale Gefahr bedeutete. Außer den Dock- und Hafen 
arbeitern machten auch die Arbeiter der Waffen- und 
Munitionsfabriken große Schwierigkeiten, indem sie sich 
weigerten, am Sonnabend zu arbeiten. Die allgemeine 
Teurung, die infolge der Absperrung des englischen Welt 
verkehrs durch unsere Unterseeboote eintrat, führte dazu, 
daß der englische Durchschnittsarbeiter in der Woche 20 
Schilling für eine Lebensmittelmenge ausgeben mußte, 
zu deren Beschaffung im Frieden knapp 14 Schilling 
genügten. Die Zustände verschlimmerten sich täglich. 
Tausende von Dockarbeitern blieben ihrer Arbeitstätte 
fern, da die Reedereien ihren Forderungen nach einer 
Lohnzulage nicht nachkamen. Arbeiter, die für die Heeres 
lieferungen arbeiteten, streikten an vielen Orten. Aber auch 
andere Zweige des Erwerbslebens litten unter den Ausstän 
den, und zwar besonders die Eisenbearbeitung und der Berg 
bau. Mitte April 
forderte die eng 
lische Regierungs 
kommission für 
Munitionserzeu 
gung von allen 
Maschinenfabri 
ken und Schiffs 
werften der Nord 
küste Englands 
Übersichten über 
den Stand der 
Beschäftigung, 
von den für die 
Regierung arbei 
tenden Werken 
außerdem solche 
über ihren Ar 
beiterbedarf ein. 
Der Arbeiterman 
gel war infolge 
der Aushebungen 
sehr groß, und 
teilweise erwog 
die Kommission, 
ob sie die zu 
Kriegsanfang in 
das Heer ein 
getretenen Leute 
wieder zur In 
dustrie entlassen 
müsse, daz.B. all 
ein dem Tynege- 
biet 30000 Mann 
durch Aushebung 
entzogen worden 
waren. 
Aber nicht allein die Lohnfrage machte der englischen 
Regierung Sorge, sondern fast noch mehr der zunehmende 
Alkoholverbrauch, der zur Folge hatte, daß Tausende von 
sonst fleißigen, tüchtigen Arbeitern Bummler wurden, so 
daß der Arbeitermangel noch wuchs. 
Eine notwendige Folge unseres Unterseebootkrieges 
war ferner die stetige Erhöhung der Prämien für die 
Schifssversicherung. Durch diese Erhöhung sind die Fracht 
sätze wesentlich verteuert worden, was wieder auf die 
Lebensmittelpreise einwirkte. Man sieht, unsere I7-Boote 
haben viel geleistet und jedenfalls gründlichere Arbeit 
getan als die englische Flotte gegen uns. Hierbei füllt 
noch wesentlich ins Gewicht, daß wir von eigenen Mit 
teln leben und unser Vermögen deshalb im Lande bleibt, 
während bei den Engländern jede Verteuerung dem Auslande 
zugute kommt, dieses also, und insbesondere Amerika, den Ge 
winn vom Kriege hat. England zettelte den Krieg an, um 
Alleinherrscher im Handel zu sein, und nun arbeitet es für das 
im Wettbewerb mit ihm stehende Amerika. (Fortsetzung folgt.) 
Phot. Kilophot G. m. b. H., Wien. 
Ein Wiedersehen auf dem gaUzischen Kriegschauplaß. 
Wegen Choleraverdachts streng abgeschlossene Soldaten werden von ihren Angehörigen besucht. 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Russische Durchbruchsversuche 
in den Ostbeskiden. 
, (Hierzu das Bild Seite 369 und die Kunstbeilage.) 
Nach der hartnäckigen mehrtägigen Schlacht bei Lima- 
nowa, die die Russen zwang, ihre Vorstotzabsichten in 
der Richtung über Krakau hinaus nach Westen endgültig 
aufzugeben, folgte auf dem westgalizischen Kriegschauplatz 
eine Pause, die Anfang März mit dem Vorgehen der öster 
reichisch-ungarischen Truppen in das Gebiet von Eorlice 
ihr Ende fand. Dessen Ziel war die Befreiung der hart 
bedrängten Festung Przemysl aus der russischen Um-
	        
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