Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

260 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
und angeschossene Pferde wälzen sich durcheinander im 
Staube der Landstraße. Die Verfolger erlahmen. Die 
Jagd ist aus. Das Wild enteilt. — 
Geschütz und Flieger. 
Von Major a. D. Schmäht. 
(Hierzu die Bilder Seite 258-260.) 
Die gesteigerte Wirkung der Feuerwaffen hat in diesem 
Kriege u. a. die Folgeerscheinung gehabt, daß das Ein 
graben, sonst fast nur im Festungskriege gebräuchlich, 
inr Feldkriege die seltene Ausnahme, nunmehr überhaupt 
die Regel geworden ist, und zwar nicht nur in gesteigertem 
Umfang, sondern auch in größerer Gründlichkeit. Grau wie 
die Feldmaus, lebt und webt man wie sie im Boden, treibt 
seine Gänge vor- und seitwärts, legt seine Vorratskammern 
an und so weiter. Nur im Schutze nächtlichen Dunkels 
traut man sich an die Erdoberfläche — es sei denn, daß der 
ersehnte Befehl zum Sturm endlich gegeben wäre! Diese 
Kampfweise ist jedoch ausgeschlossen, wo durch Überschwem 
mung das Land in Sumpf verwandelt oder wo durch starken 
Frost das Graben 
zur Unmöglichkeit 
wird. 
Dieses Umsich 
greifen des Ein 
grabens hat vor 
allem derjenigen 
Waffe ihre Auf 
gabe erschwert, die 
bestimmt ist, auf 
größere Entfer 
nung durch macht 
volle Feuerwirkung 
den Gegner zu zer 
schmettern: dem 
Geschütz. Beruht 
doch seine ganze 
Tätigkeit auf der 
sicheren Beobach 
tung ! Sie muß 
feststellen, ob die 
Schüsse seitlich vor 
bei, Zu kurz oder 
zu weit gehen, um 
dementsprechend 
die Richtung zu 
verbessern. Wie 
aber, wenn man 
das Ziel nicht sieht? 
Vor diese Lage nun 
wurde unsere Ar 
tillerie nicht un 
vorbereitet gestellt. Schon vor Jahrzehnten ergab sich in 
den Manövern, die man bei uns mit aller Anstrengung 
möglichst kriegsmäßig zu gestalten suchte, die Notwendig 
keit, dem Führer zu melden, daß die Geschütze nicht feuern 
könnten, weil der Gegner sich nicht zeige. 
So wurde es von der Artillerie freudig begrüßt, als 
man ihr den Flieger zur Verfügung stellen konnte. Dieser 
erspäht die Batterie schon, wenn sie gedeckt durch Höhe 
und Dorf in Stellung fährt. Meist geschieht dieses Ab 
fahren der Geschütze deshalb nachts. Auch wenn die 
Seite 260 dargestellten Geschütze weit hinter einem Wäld 
chen eingegraben sind, kann er sie leicht erkennen, ganz 
zu geschweigen der Seite 258 friedlich wie auf dem 
Schießplatz hinter der Waldmaske feuernden französischen 
Batterie. Alle diese haben offenbar noch wenig Bekannt 
schaft mit den Bomben, Pfeilen und verderbenbringenden 
Meldungen des Fliegers gemacht. Dagegen zeigt uns 
Seite 259 unten eine Munitionskolonne, die, wie das ge 
brannte Kind das Feuer, den tödlichen Blick des Fliegers 
scheuend, ihre Unterstände mit den Erzeugnissen des Feldes 
bedeckt hat, damit nichts Auffälliges den Aufenthalt von 
Mann und Roß verrate. — 
Die wichtigste Aufgabe eines Artilleriefliegers wird im 
allgemeinen die Erkundung feindlicher Batterien sein. Am 
schwersten sind solche zu finden, wenn sie in einem Walde 
stehen und nur diejenigen Aste ausgeholzt haben, die dem 
Flug ihrer Geschosse im Wege sein würden. Hat der Flieger 
die Batterie gefunden, dann kann er eine photographische 
Aufnahme von ihr machen oder ihre Lage in seine Karte ein 
zeichnen. Er kann auch seiner Batterie durch Stillstehen 
senkrecht über dein Ziel die Möglichkeit geben, die Seiten- 
richtimg festzulegen. Roch bequemer wird dies dadurch, 
daß er einen Feuerwerkskörper fallen läßt, der seine Bahn 
durch Ausströmen eines starken Rauchs kennzeichnet. Da 
durch wird eine senkrechte Linie vom Himmel herab ge 
zeichnet, die, von zwei seitlich auseinanderliegenden Punkten 
angeschnitten, die Lage des Ziels, auch der Entfernung 
nach, genau festlegt. In diesem Fall kann er auch gleich 
an Ort und Stelle bleiben, um mitzuteilen, wie die Schüsse 
der nun das Feuer eröffnenden eigenen Batterie liegen. 
Für „davor", „dahinter", „rechts" und „links" müssen dann 
Zeichen vereinbart werden. 
Die Flieger, die trotz Tauchboot wohl den gefährlichsten 
Dienst haben, brachten ihre junge Waffe schon hoch zu 
Ehren und verdienten manches Kreuz 1. Klasse. Um die 
jenigen des Feindes abzuwehren, genügt das Gewehrfeuer, 
solange sie sich in sehr großer Höhe halten, nicht. Wir sehen 
Seite 259 oben eine Batterie schwerer Flachbahngeschütze 
aufgestellt, die, mit 
wirksamemSchrap- 
uellschuß ausge 
stattet, nach allen 
Richtungen nach 
den bösen Güsten 
Ausschau halten. 
Sobald diese aber 
dem Zenit näher 
kommen, reicht 
weder die Lafette 
noch die Nichtvor 
richtung des Flach 
bahngeschützesaus, 
und von den Steil 
feuergeschützen hat 
nur die leichte 
Feldhaubitze einen 
Schrapnellschuß. 
Glücklich also die 
jenige Truppe, in 
deren Nähe sich 
eine Ballonab 
wehrkanone befin 
det. Diese Ge 
schütze müssen je 
doch schnell an den 
bedrohten Punkt 
eilen können, wes 
halb sie auf Kraft- 
wagen angebracht 
sind. Ferner brau 
chen sie große Nicht- und Feuergeschwindigkeit und kurze 
Flugzeit. 
Geiseln. 
Unter Geiseln versteht man einflußreiche Einwohner 
eines besetzten feindlichen Gebietes, die zur Sicherung gegen 
völkerrechtswidrige Handlungen der Bevölkerung von der 
besehenden Kriegsmacht abgeführt und wie Kriegsgefangene 
behandelt werden. Bei ihrem ersten Einfall in Ostpreußen 
haben die Russen aus mehreren Erenzorten Geiseln mit 
genommen. Aus einer kleinen Stadt in der dortigen Gegend 
wird uns der Vorgang wie folgt geschildert: Der Gouverneur 
nahm im ersten Gasthof sein' Hauptquartier und ließ die 
Vertreter der Stadt und des Kreises vor sich kommen. Es 
erschienen in der Morgenfrühe der Landrat, der Bürger 
meister, ein Rechtsanwalt, zwei Geistliche und zwei Kauf 
leute. Erst um drei Uhr nachmittags ließ der Gouverneur 
die in einem besonderen Raum Untergebrachten zu sich 
bescheiden und eröffnete ihnen, daß er sie als seine Ge 
fangenen betrachte und als Geiseln nach Rußland bringen 
iassen werde. Abends um 9 V 2 Uhr wurden die sieben 
Gefangenen auf mehreren Wagen mit russischer Begleitung 
über die Grenze nach Rußland gebracht. Seitdem war 
über ihr Schicksal nichts zu erfahren. Erst kurz vor Neu 
jahr ist in ihrem Heimatort die Nachricht eingetroffen, daß 
sie nach einem größeren Ort in der Kirgisensteppe gebracht 
worden sind und sich wohl befinden. 
Phot. Leipziger Presse-Büro. 
Weit hinter einem Wald eingegrabene deutsche Batterie beim Feuern.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.