Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Umwandlung eines Hochwasserschutzdamms der Memel Ln eine Verteidigungstellung. 
Hofphot. Kühlewindt, Königsberg i. P. 
Stühle, durchlöcherte Mehlsäcke, aus denen das Mehl in 
den Schmutz rieselt, leere Konservenbüchsen, Haufen 
bröckliger Ziegelsteine, das Skelett einer ehemaligen Näh 
maschine, eine tote Katze, ein zerfetztes deutsches Gesang 
buch — das ist das Bild eines Hofes in Goldap nach dem 
Abzug der russischen Truppen. 
Der Aufmarsch von Truppen, die in der Ebene von 
Augustow die Hindenburgsche Umfassung vollendeten, war 
ein fast bedeutungsvollerer Anblick als das Schauspiel einer 
Schlacht. Im Oktober hatten wir bei Wirballen einem 
schweren Artilleriegefecht beigewohnt. Es war das moderne 
Schlachtfeld ohne sichtbare Truppen, der Krieg, bei dem 
man im Feuer liegt, ohne es eigentlich zu wissen, es war 
die bedrückende, von Getöse erfüllte Leere. Hier dagegen 
waren wir in den entscheidenden Teil einer Aktion ver 
wickelt, sahen ihn vor unseren Augen sich abrollen und emp 
fanden das Vergnügen von Zuschauern eines Spiels, die 
sich freuen, einer fesselnden Partie beizuwohnen. Bor der 
Kaserne in Augustow hat die Schlacht getobt: der Leiche 
nam eines Russen liegt noch jetzt auf der Schwelle. In 
der Kaserne finde ich in einem Zimmer fünf Verwundete, 
denen nach zweitägiger Wartezeit noch immer keine ärztliche 
Hilfe geworden ist. 
An einer Straßenecke bei Suwalki sehen wir, wie ein 
Verwundeter einem jungen Mädchen nachgeht. Er will ihr 
eine Konservenbüchse abnehmen. Da kommt sein Unter 
offizier dazu und donnert ihn an: „Was. fällt Ihnen ein? 
Denken Sie, Sie können sich alles herausnehmen, weil 
Sie einen Schuß haben? Eine Schande ist das. Zeigen Sie 
Ihre Erkennungsmarke." Nicht weit davon hält ein Haupt 
mann eine Ansprache an seine Kompanie, um seinen Leuten 
die Achtung vor dem Eigentum des Feindes einzuprägen. 
An einem Freitag abend kamen wir durch das Getto und 
sahen hinter den niedrigen Fenstern die Sabbatkerzen bren 
nen. Die Juden in Litauen, Polen, Galizien und hinunter 
bis nach Rumänien stehen alle mehr oder weniger im Banne 
Deutschlands. Sie sprechen Deutsch, so gut es geht, und 
wissen, daß in Deutschland von Judenfeindschaft keine Rede 
sein kann. Ein ganz anderes Regiment führt Rußland. Des 
halb empfinden die Juden keinerlei Feindseligkeit gegen 
die deutschen Eroberer. Als das Gespräch einmal auf die 
Galanterien der deutschen Soldaten kam, sagte uns eine 
Polin: „Die Mädchen fassen sie wohl unters Kinn, aber 
die verheirateten Frauen haben nichts zu befürchten. Ein 
Ring am Finger sichert vor allen Belästigungen." 
Gefangene und wieder Gefangene, überall, wohin wir 
kommen. Man hat schon viel über die Leichtigkeit gelesen, mit 
der sie sich ergeben, aber an Ort und Stelle gewinnen diese 
Geschichten eine ganz andere Bedeutung. So erzählte mir 
ein General, daß sich einmal ein ganzer Trupp ohne Waffen 
hatte ergeben wollen. Da aber waren sie schön bei den 
Deutschen angekommen. Rußland muß man Waffen, nicht 
Menschen wegnehmen, wenn man ihm schaden will. „Schert 
euch fort," riefen ihnen deshalb die Deutschen zu. „Wenn 
ihr eure Waffen mitbringt, werden wir euch gefangen 
nehmen. Wenn nicht, dann nicht." Gehorsam kehrten die 
Russen nach kurzer Zeit mit Dolchen und Flinten zurück. 
Mancher brachte der Sicherheit wegen gleich zwei Gewehre 
auf einmal angeschleppt. Bei Filippowo traf ich selbst 
ein polnisches Fähnlein, dem ein Unteroffizier voran 
marschierte. Sie waren sehr gesprächig und erzählten unter 
Lachen: „Wir waren unser Fünftausend in Suwalki, als 
es hieß, die Deutschen kommen. Da haben wir gesagt: 
da können wir sie gleich erwarten. Haben uns also gut 
versteckt und uns dann alle zusammen ergeben." Und ihre 
Augen blitzten dabei so spitzbübisch, als wollten sie sagen: 
Fein, was? Mit erheuchelter Empörung rufe ich ihnen zu: 
„Wie, ihr seid noch lustig?" Und sie antworten mit einer 
Gegenfrage: „Ja, warum sollen wir denn weinen? Hier 
haben wir's doch weit, weit besser!" 
Im Rücken des Feindes. 
(Hierzu das nebenstehende Bild.) 
Der Eeneralstabschef hatte soeben die Erklärung der 
überaus schweren, unbedingt notwendigen Aufgabe be 
endet, die von den geschicktesten und tollkühnsten seiner 
jungen Offiziere noch in dieser Nacht durchgeführt werden 
sollte. Es standen nur noch die Oberleutnante B... 
und v. K... vor ihm. Einige Sekunden sahen sich die 
Männer voll und ernst in die Augen. Ihre Köpfe glühten 
vor Aufregung und von der Anstrengung des Euchens auf
	        
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