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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
gesagt war, Italien würde bei der Fortdauer der Be
schießung der Meerengen seine Neutralität nicht länger
wahren können. Aus der freundlichen Sprache der italie
nischen Presse gegenüber der Türkei und der Erwägung,
daß Italien ein Lebensinteresse daran habe, die Meerengen
nicht in die Hände dritter Mächte gelangen zu lassen, schloß
das Blatt, daß Italien gegen den Dreiverband Stellung
nehmen müsse. Es sei die einzige nicht am Kriege be
teiligte Großmacht, die den Dardanellenvertrag von 1878
unterzeichnet und darum Anspruch habe, bei jeder Ent
scheidung in der Dardanellenfrage seine Interessen be
rücksichtigt zu sehen.
Im ganzen hatte es den Anschein, als ob die Beschießung
der Dardanellen auf alle Neutralen eine den Erwartungen
des Dreiverbandes entgegengesetzte Wirkung ausgeübt
habe. Bald darauf wurde auch bekannt, daß Italien mit
Wien und Berlin in freundschaftliche Unterhandlungen ge
treten und daß über wichtige Punkte Verständigungen er
zielt worden seien. Ferner hörte man, daß Frankreich sich
genötigt sehe, die Garnisonen an der italienischen Grenze
wesentlich zu verstärken, sowie daß die dortigen französischen
Präfekten den Auftrag erhalten hätten, auf die daselbst
ansässigen Italiener ein besonders scharfes Auge zu haben
und jeden zu verhaften, der sich im geringsten verdächtig
mache. Nach allem dem ließ sich erwarten, daß Italien
seine Neutralität, wenn überhaupt, nur gegen den Drei
verband aufgeben werde.
(Fortsetzung folgt.)
Illustrierte Kriegsberichte,
Im Schneegestöber in den Karpathen.
(Hierzu die Bilder Seite 248 und 249.)
Das blutige und zähe dreimonatige Ringen in den Kar
pathen brachte Mitte März den Erfolg, daß die Eingangs
tore des Gebirges, durch die der Weg nach der ungarischen
Tiefebene führt, fest in die Hände der verbündeten deutschen
und österreichisch-ungarischen Truppen kamen; auch die
Bukowina war vom Feinde gesäubert worden.
Es waren überaus heftige und erbitterte Kämpfe, die hier
auf der ganzen langen Front durchgeführt wurden, wobei
die Eigenart der Bodenbeschaffenheit und das winterliche
Wetter eine außerordentlich erschwerende Rolle spielten.
Ergaben sich doch auf Schritt und Tritt unzählige Hinder
nisse und die größten Schwierigkeiten, die die Höchstansprüche
an die Tapferkeit und die physische Leistungsfähigkeit der
Truppen stellten. Es führen zwar einige gute, gangbare
Straßen durch das Gebirge über die Paßhöhen, aber es gibt
hier im allgemeinen keine Längstäler wie in den Alpen.
So geht es in den kulissenartig gestaffelten Berg- und Hügel
reihen auf und ab, und das bedeutet im strengen Winter,
wenn der Schnee fast 2 Meter hoch liegt oder plötzlich
Tauwetter eintritt, unendliche, aufreibende Mühseligkeiten,
namentlich für das Vorwärtsbringen der Geschütze, wie auch
für die Zufuhr der Munition. Da das rollende Fuhrwerk
mit seinen schweren Bremsschuhen an bestimmten Stellen
völlig versagte, mußten stets Tragtiere bereitgehalten wer
den, die dem Menschen durch Schnee und Eis auf sonst
nicht erreichbare Punkte zu folgen vermochten.
Dazu die Kälte bis zu 20 und mehr Grad und der starke
Schneefall in diesem strengen Winter. Welche Anstrengungen
die Kämpfenden dabei zu überwinden hatten, schildert in
einem uns zur Verfügung gestellten Feldpostbrief ein Land
sturmrekrut aus Turn:
Am 3. März, früh sechs Uhr, war Tagwache und wir
krochen heraus aus dem verdeckten Schützengraben. Mit
Brotsack, Muff und Eßschale rutschten wir „in Ziehung"
über den Abhang hinunter Zur Feldküche. Der Magen kam
zu seinem Rechte, und die Feldflasche wurde mit heißem
Konservenkaffee gefüllt. Sodann machte ich, weil Rast war,
Versorgung unserer Marine mit Proviant.
Phot. A. Grohs, Berlin.