240
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16.
ist Rußland angewiesen. Die große „gemeinsame" Anleihe
des Dreiverbandes mißlang. An inneren Anleihen hat Ruß
land bestenfalls 500 Millionen Rubel aufgebracht, denen
weitere 500 Millionen folgen sollen; die Darlehen der Bun
desgenossen dienten ausschließlich der Bezahlung von Zins-
scheinen und Kriegslieferungen sowie der Stützung des
Rubelkurses. 6—7 Milliarden (bis zum 1. April) ent
stammen auch hier der Notenpresse.
So die Beschaffungsmittel. Wie hoch aber sind die
solcherweise geschuldeten Summen? Von jeher hat der
Krieg Geldwerte in Bewegung gesetzt, die in Friedenszeiten
unfaßbar schienen. Aus den frühen Tagen der Geld
wirtschaft haben
wir keine unmit
telbaren Angaben
über Kriegskosten;
wohl aber einen
Anhalt an den
Summen, die als
Tribut oder Kriegs
entschädigung ge
fordert wurden.
Athen besaß (und
verbrauchte) zur
Zeit des Pelopon-
nesischen Krieges
einen Kriegschatz
von 6000 Talenten
oder 30 Millionen
Mark. Nach dem
ersten Panischen
Kriege nahm Rom
den Karthagern
3200 Talente ab
(16 Millionen
Mark). Nach dem
zweiten Panischen
Krieg erzwangen
die Sieger einen
Tribut von 10 000
Talenten (60 Mil
lionen Mark), zahlbar in 50 Jahresraten. Die größte aus
dem Altertum überlieferte Kriegsentschädigung ist wohl die
von Antiochus von Syrien den Römern gezahlte: 16 000 Ta
lente oder 75 Millionen Mark. Zu berücksichtigen ist bei all
diesen Beträgen, daß sie, entsprechend der damals weit
höheren Kaufkraft des Geldes, bei der Übertragung auf
heutige Verhältnisse mindestens verfünffacht werden müssen.
Im Lauf des Dreißigjährigen Krieges erscheint nur
einmal eine genau bestimmbare größere Geldsumme: die
5 Millionen Reichstaler, die nach dem Westfälischen Frieden
an Schweden gezahlt wurden. Die riesenhafte Steigerung
der Kriegskosten beginnt etwa mit dem Siebenjährigen
Kriege. Damals brachte der geldarme Preußenstaat, aller
dings mit auswärtiger Hilfe und mit Erhebung gewaltiger
Kontributionen, in 6V a Jahren 140 Millionen Taler auf:
jeder Kriegstag kostete 170 000 Mark, nach heutigem Geld
wert etwa so viel wie 400 000. Die Napoleonischen Kriege
verursachten Preußen einen mittelbaren und unmittelbaren
Verlust von wenigstens 800 Millionen Mark. 700 Mil
lionen Franken mußte Frankreich im Jahre 1815 als Kriegs
entschädigung hergeben. Diese Summen aber verschwinden
neben den von England aufgebrachten Beträgen, bas, da
mals ein Staat von 9—10 Millionen Einwohnern, in den
Jahren 1792—1815 die Kriegführung gegen das revolutio
näre und kaiserliche Frankreich mit I6V2 Milliarden be
zahlte ! Der Krimkrieg kostete die Engländer 1% Mil
liarden Mark, die Kriege des zweiten französischen Kaiser
reichs (vor 1870) verschlangen eine Gesamtsumme von
11 Milliarden Franken. Der Krieg von 1870/71 verursachte
auf deutscher Seite eine Ausgabe von IV2 Milliarden Mark,
das sind etwa 6 Millionen Tageskosten. Der Burenkrieg
kostete 4Vs Milliarden, der mandschurische Krieg bedeutete
für die Russen eine Gesamtausgabe ron 6V2 Milliarden.
Inden beiden Bal
kankriegen schließ
lich mögen alle be
teiligten Staaten
zusammen etwa
2 Milliarden aus
gegeben haben.
Der gegenwär
tige Krieg hat alle
diese Ziffern ins
Maßlose vergrö
ßert. Allein bis
Neujahr dürften
die Kriegführenden
zusammen 26 Mil
liarden ausgegeben
haben. Gegenwär
tig kostet jeder
Kriegstag die Eng
länder annähernd
40 Millionen Mark,
die Franzosen min
destens 30, die Rus
sen wohl 45 Millio
nen. Das Deutsche
Reich rechnete in
den ersten Kriegs
monaten mit 35
Millionen Tages
kosten; unterdessen wird dieser Betrag sich aber gesteigert
haben. Insgesamt geben die kriegführenden Mächte jetzt min
destens 200 Millionen täglich aus. Am raschesten steigerten
sich die finanziellen Anforderungen des Krieges für England:
fordert doch sein Schatzkanzler für die ersten 100 Tage des
neuen Etatsjahres nicht weniger als 6V a Milliarden Mark
oder, einschließlich der mittelbaren Kosten und der Dar
lehen an die kleinen Bundesgenossen, 55 Millionen täglich.
Bis zum 1. April haben die Großmächte mindestens 40 Mil
liarden ausgegeben, bis zum 1. August (das heißt bei ein
jähriger Dauer des Krieges) würden 70 Milliarden auf
gebraucht sein. Etwa 6 Milliarden sind als normaler
Heeresbedarf zurückzurechnen; dafür kommen aber wohl
15 Milliarden für Ersatz zerstörten Sachgutes und weitere
Milliarden an Wiederherstellungskosten des Kriegsmaterials
hinzu. Berechnet man, daß außerdem die beteiligten Staaten
zusammen vielleicht 1000 Millionen jährlich an Renten für
Hinterbliebene und Kriegsverletzte werden zu zahlen haben,
so ergibt sich als finanzielle Wirkung des Krieges eine jähr
liche Mehrbelastung allein der europäischen Großmächte
um wenigstens 5 Milliarden.
Phot. Gebr. Haeckel, Berlin.
Vom österreichisch-ungarischen Kriegschauplaß: Not macht erfinderisch.
Ein Auto, das durch eine Granate beschädigt wurde, wird durch eine einfache Verbindung mit einem
anderen Wagen wieder gebrauchsfähig gemacht.
Nachruf einer Mutter,
ihrem Sohne geweiht, der als Soldat des 3. Garderegiments zu Fuß am 17. Januar 1915 in Frankreich fiel.
Mein Junge siel in der Schlacht
In feiner Jugend Reinheit und Pracht.
Die Kugel hat ihm die Stirn zerschnitten.
Dann hat er noch zwei Tage gelitten.
Bis sie ihn haben
In fremder Erde begraben.
Sein Mut ist so kostbar, so gut und treu.
Das macht gewiß Deutschland von Feinden frei.
Das muß dem Siege zugute kommen —
Aber mir hat's meinen Jungen genommen.
Warte, mein Junge, ich komme bald
Zu dir in den heiligen Todeswald,
Wo Eichen zu euren Häupten stehn.
Wo Winde um Fahnentücher wehn.
Dort leg' ich mich zu dir hin.
Weil ich, mein Kind, deine Mutter bin.
Dann erzählst du mir leise von deiner Schlacht,
Und wie tapfer du deine Sache gemacht.
Martha Martius.