Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
um Flankenbewegungen, die von keiner strategischen Be 
deutung für die Lage in Galizien waren und mit dieser auch 
nicht im Zusammenhang standen. 
Da jedoch an der Karpathenfront, wo jeder einzelne 
Übergang Schauplatz wiederholter und ebenso erbitterter 
als erfolgloser Angriffe von seiten der Russen geworden 
war, der geplante Durchbruch nicht gelingen wollte, so nahm 
die russische Heeresleitung den Plan auf, den Durchbruch 
nach Siebenbürgen und Ungarn über die Pässe von Mesti- 
kanestie und Borgo und von Luczyna und Rodna an der 
Südwestgrenze der Bukowina aus zu erzwingen. Dieser Plan 
schien sicheres Gelingen zu versprechen, da sich in den bis 
herigen Kämpfen das Land nur von schwachen Kräften 
verteidigt gezeigt hatte. Die Bukowina, die bisher.keine 
große Bedeutung für den 
Krieg gehabt hatte, wurde zu 
einem Hauptkriegschauplatz. 
Zur Durchführung ihres 
Planes boten die Russen sehr 
starke Kräfte auf: an die 
90 000 Mann, wie die russen 
freundlichen Blätter Rumä 
niens meldeten. Durch ein 
Umgehungsmanöver bei Hli- 
nitza bedrohten sie Czerno- 
witz, so daß die Stadt ge 
räumt werden mußte, wollte 
die Besatzung nicht abgeschnit 
ten werden. Am 27. Novem 
ber zogen die Russen zum 
zweitenmal in Czernowitz ein, 
aus dem diesmal zwei Dritt- 
teile der Bewohner geflüchtet 
waren. 
Der russische Vormarsch 
nach dem Süden benutzte die 
drei nord-südlichen Straßen 
züge der Bukowina: die Fran 
zensstraße, die von Sereth 
über Suczawa nach Jakobeny 
führt, die „verdeckte Kar 
pathenstraße" über Czudin, 
Solka nach Eura-Humora, 
wo sie in die Franzensstraße 
einmündet, und im Westen 
des Kronlandes die Straße 
Wiznitz—Seletin in die Luc- 
zyn.a. An der Serethlinie 
kam es zu neuen Gefechten, 
doch wurden die Sicherungs 
truppen, die ja nur einige 
Bataillone stark waren, vor 
den überlegenen feindlichen 
Kräften aus dem Vorlande 
näher an die Hauptpässe zu 
rückgenommen. Die russischen 
Truppen konnten also nahe 
zu kampflos vorrücken. Am 
30. Dezember wurde Radautz 
besetzt, am 2. Januar Suczawa 
und in den folgenden Tagen 
die Quellgebiete der Suc 
zawa und der Moldawa. 
In diesem Abschnitte führen zwei Pässe in das Tal der 
Goldenen Bistritz: der Luczynapaß aus dem Suczawatale 
und der Mestikanestiepaß aus dem Moldawatale. An diesen 
beiden Pässen den Russen Widerstand zu leisten, war der 
Plan der k. u. k. Heeresleitung. Schon zu Kriegsbeginn war 
besonders der Mestikanestiepaß, zwischen Valeputna und Jako 
beny, durch Drahtverhaue und Betonwerke außerordentlich 
stark befestigt worden. Bedeutende Truppenmassen unter 
General der Kavallerie Freiherrn von Pflanzer-Baltin und 
Feldmarschalleutnant Czibulka hielten die Stellungen. Rach 
kleineren Aufklärungsgefechten, die für die Russen sehr verlust 
reich waren, setzte am 18. Januar der Hauptangriff gegen 
den Paß ein. Die mehrtägigen, äußerst hartnäckigen Kämpfe 
brachten aber den Russen keinen Erfolg, denn das sehr 
schmale Putnatal machte es unmöglich, größere Massen zu ver 
wenden, und alle Versuche, die Stellungen zu stürmen, schei 
terten an der Steilheit der Hänge und an dem vernichtenden 
Feuer der österreichisch-ungarischen Geschütze. Nun ver 
suchte der Feind, über den Luczynapaß und Kirlibaba die 
Goldene Bistritz entlang vorzudringen, um so den Truppen 
bei Jakobeny, das im selben Flußtale liegt, in den Rücken 
zu fallen. Am 22. Januar wurde diese Gruppe entscheidend 
geschlagen und Kirlibaba im Sturme genommen. Auch 
ein Umgehungsversuch, der die Russen über die Rareu- 
gruppe die Bistritz stromaufwärts gleichfalls in den Rücken 
von Jakobeny führen sollte, mißlang völlig. Die feindliche 
Hauptmacht zog sich nun nach Kimpolung und Moldawa 
zurück. Mit diesen Niederlagen konnte der russische Versuch, 
über die beiden Pässe nach Ungarn vorzudringen, als voll 
kommen gescheitert angesehen werden. 
Nun ging die k. u. k. Armee zum Angriff über. Sie 
drängte zunächst den Feind 
aus dem oberen Moldawatal 
und nahm Moldawa und 
Breaza sowie Jsvor an der 
obersten Suczawa. Kimpolung 
räumten die Russen in den 
nächsten Tagen und traten 
den allgemeinen Rückzug an. 
Die Loslösung erfolgte unter 
heftigen Kämpfen. Am 8. Fe 
bruar wurden die Russen aber 
mals bei Wama blutig ge 
schlagen. Da die österreichisch 
ungarische Gruppe, die im 
Suczawatale kämpfte, dem 
bei Jsvor geschlagenen Feind 
mit großer Schnelligkeitfolgte, 
so schwebten die russischen Ab 
teilungen im Moldawatale in 
Gefahr, überflügelt, von der 
Rückzugslinie auf Czernowitz 
abgeschnitten und nach Rumä 
nien abgedrängt zu werden. 
So nahm ihr Rückzug stellen 
weise den Charakter einer 
Flucht an, die in der Rich 
tung auf Czernowitz erfolgte. 
Die k. u. k. Truppen folgten 
aber ebenso rasch. Am 10. Fe 
bruar hatten sie überall die 
Suczawalinie erreicht, Suc 
zawa (siehe Bild Seite 232/233) 
und Radautz besetzt, am 11. 
standen sie am Sereth, und 
am 17. zogen sie nach täg 
lichen Gefechten in Czerno 
witz ein. Damit war die 
Pruthlinie gewonnen und die 
Bukowina bis auf den kleinen 
Abschnitt zwischen Pruth und 
Dnjestr vom Feinde gesäubert. 
Der russische Vorstoß, der 
mit so großen Kräften ins 
Werk gesetzt worden war und 
so kläglich endete, hatte mit 
hin trotz der gewaltigen Men 
schenopfer (Privatmeldungen 
aus Rumänien geben allein 
an Toten 10 000 Mann an) 
das angestrebte Ziel nicht erreicht. Er brachte der russischen 
Armee wenig Ruhm. Freilich erklärte die russische Kriegs 
berichterstattung, daß der Rückzug in der Bukowina eine 
neue Probe der Geschicklichkeit und Beweglichkeit (!) der 
russischen Heeresleitung sei, deren Besonderheit derartige 
„für den Feind nachher doppelt verhängnisvolle taktische 
Rückzüge und Neuaufstellungen" seien. Nun, diesen Ruhm 
wollen wir der „geschickten und beweglichen" russischen 
Heeresleitung lassen. 
Technische Nachrichtenübermittlung. 
Von Paul Otto Ebe. 
(Hierzu die Bilder Seite 236 und 237.) 
Die schnelle, übersichtliche und großzügige Aufklärung 
unserer Flugmaschinen, Luftschiffe und Fesselballone hat 
es — hauptsächlich im beiderseits angelehnten Stellungs- 
Phot. Gebr. Liebe, Inh. W. Wolff, Stettin. 
General der Infanterie v. Linsingen, 
Führer der mit den österreichisch-ungarischen Truppen gemeinsam kämpfen 
den deutschen Südarmee in den Karpathen.
	        
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