Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Ein Haus Ln Ostpreußen, dem die Umfassungsmauern durch einen Volltreffer weggerissen wurden, 
während das Dach am Schornstein hängen blieb. 
tauchte der Zeppelin über Dünkirchen auf, wo er aber 
anscheinend keine Bomben abwarf. Aus beiden Städten 
wurde er ergebnislos beschossen. 
Am 1. März meldete unsere Oberste Heeresleitung, daß 
bei Wervicq, nördlich Lille, ein englisches Flugzeug durch 
unsere Beschießung zum Landen gezwungen worden sei. 
Gleichzeitig gab unser Eeneralstab Kenntnis von der aber 
maligen Anwendung eines eigentümlichen Kampfmittels 
durch die Franzosen. Im amtlichen Tagesbericht hieß es 
nämlich: „An einer Stelle unserer Front verwendeten die 
Franzosen wiederum, wie schon vor einigen Monaten, Ge 
schosse, die bei der Detonation übelriechende und erstickende 
Gase entwickeln." 
Anfang März wurden die Kämpfe bei Ppern wieder 
mit großer Heftigkeit aufgenommen. 
Einen fesselnden, aber anscheinend nicht unparteiischen 
Bericht gab der Korrespondent der deutschfeindlichen „Tijd". 
Danach waren die Erfolge, die wir bei Lombartzyde erzielten, 
von großem Nutzen für uns gewesen. Die Deutschen be 
sitzen noch immer, schrieb er, einen Teil von Lombartzyde. 
Die große Düne ist nicht mehr durch die Deutschen besetzt, 
aber sie ist auch nicht durch die Verbündeten genommen. 
Bei Stuyvenskerke halten die Deutschen noch zwei oder drei 
kleinere Posten am linken Ufer der Pser. In der Umgebung 
von Ppern haben die Deutschen (ungefähr 200 000 Mann) 
sich sehr gut befestigt. Dort kämpfen die Engländer zusammen 
mit den Franzosen, und es haben bereits mehrere blutige 
Gefechte stattgefunden. Furnes, wo das belgische Haupt 
quartier bis vor kurzem aufgeschlagen war, ist seit fünf Tagen 
nicht mehr beschossen worden. Die Bevölkerung, die noch 
geblieben war, verbirgt sich meistens in den Kellern. Aber 
auch da ist man nicht sicher. Während der letzten Be 
schießung wurde der Küster in einem Dorfe bei Furnes, 
der sich mit seiner Familie im Keller verborgen hatte, dort 
mit ihr getötet. Drei Granaten fielen auf das Haus. Hier 
in La Panne bei Furnes ist es ziemlich ruhig, wenn man 
natürlich auch beständig den Kanonendonner aus der Ferne 
hört, wo die Deutschen von Zeit zu Zeit die verschiedenen 
Punkte der Front, wie Nieuport, Ostkerke, Ostdunkerke, 
Wulpen usw. beschießen. Die Kanonen der Verbündeten 
antworten mit gutem Erfolg; sie bringen sogar von Zeit 
zu Zeit deutsche Geschütze zum Schweigen. Die Soldaten 
wachen in den Laufgräben und stehen Tag und Nacht be 
reit. Aus den Dörfern in der Nähe der Front ist ein großer 
Teil der Bevölkerung geflüchtet. Viele Bauern aber trotzen 
der Gefahr und setzen ruhig ihre Landarbeit fort. Wenn 
die Granaten fallen, flüchten sie in die Keller oder in Lauf 
gräben, die sie in der Nähe ihrer Wohnungen angelegt haben. 
Am 10. März wurde bei einem bei Givenchy gefange 
nen Soldaten des 1. englischen Armeekorps folgender Be 
fehl gefunden: 
„Wir stehen im Begriff, den Feind 
unter ungewöhnlich günstigen Bedin 
gungen anzugreifen. Bisher hat in 
diesem Feldzug die britische Armee 
durch ihren Schneid und ihre Ent 
schlossenheit Siege über einen Feind 
davongetragen, der an Zahl und Be 
waffnung weit stärker war. Jetzt haben 
uns Verstärkungen dem Feinde vor 
unserer Front überlegen gemacht. Jetzt 
sind unsere Kanonen besser als die 
des Feindes, nicht nur an Zahl, son 
dern vor allem: es sind die wirkungs 
vollsten Kanonen, die jemals bei einer 
Armee gebraucht worden sind. 
Unsere Flieger haben die deutschen 
Flieger aus der Luft vertrieben. 
Unsere Verbündeten, Russen und 
Franzosen, haben merkliche Fortschritte 
gemacht und dem Feinde gewaltige 
Verluste beigebracht. Die Deutschen 
sind zudem durch Unruhen im In 
lands und Mangel an allem zur Krieg-' 
führung Notwendigen geschwächt. Es 
steht daher nicht zu erwarten, daß sie 
gegen uns hier noch erhebliche Verstär 
kungen einzusetzen haben. Uns gegen 
über steht nur ein einziges deutsches 
Korps mit einer Ausdehnung gleich 
der unserer ganzen Armee. Wir werden jetzt mit etwa 
48 Bataillonen einen Abschnitt in der Front angreifen, 
der von nur etwa drei deutschen Bataillonen verteidigt 
wird. Am ersten Tage des Kampfes werden die Deutschen 
voraussichtlich höchstens noch vier weitere Bataillone zur 
Verstärkung für den Gegenangriff heranziehen können. 
Schnelligkeit ist daher die Hauptsache, um dem Feinde 
zuvorzukommen und um den Erfolg zu haben, ohne schwere 
Verluste zu erleiden. Niemals in diesem Kriege hat es 
einen günstigeren Augenblick für uns gegeben, und ich bin 
des Erfolges gewiß. Seine Größe hängt von der Schnellig 
keit und Entschlossenheit unseres Vorgehens ab. Wenn wir 
auch in Frankreich kämpfen, so wollen wir uns doch immer 
vor Augen halten, daß wir für die Erhaltung des Britischen 
Reiches kämpfen und für den Schutz unserer Heimat gegen 
die planmäßige Barbarei des deutschen Heeres. 
Wir müssen alle zu dem Erfolg beitragen und wie Männer 
für Altenglands Ehre kämpfen. 
D. Haig, 
Oberbefehlshaber der 1. Armee. 
London, März 1915." 
Dieser Befehl zeigt, zu welchen Mitteln hohe englische 
Offiziere greifen mußten, um den ihnen unterstellten 
Truppen Mut und Entschlossenheit einzuflößen. In welch 
hohem Ansehen müssen die deutschen Truppen beim Feinde 
stehen, wenn dieser nur bei der gewaltigen Überlegenheit 
von 48 Bataillonen gegen 3 einen Erfolg erwartet. Der 
angekündigte Angriff der englischen 1. Armee erfolgte am 
10. März. Es gelang den Engländern, auf einer Breite 
von etwa 2'h Kilometern beiderseits Neuve Chapelle in 
unsere vorderste Linie einzudringen. Auf den übrigen Teilen 
des Kampffeldes aber wurden die Engländer unter Ver 
lusten abgewiesen. Sie gaben (in der „Times") selbst 
zu, bei Neuve Chapelle 12 000 Mann verloren zu haben, 
trösteten sich aber mit der Behauptung, die Deutschen 
hätten daselbst 18 000 Mann eingebüßt. Dagegen erklärte 
die deutsche Heeresleitung, daß unsere Verluste bei Neuve 
Chapelle kaum ein Drittel der von unseren Feinden ge 
nannten Zahl betrügen. 
Auch auf den übrigen Teilen des westlichen Kriegschau- 
plahes tobten im Februar und Anfang März heftige Kämpfe. 
So versuchten die Franzosen am 3. bei Perthes vorzu 
dringen, was jedoch durch uns vereitelt wurde. Nördlich 
und nordwestlich Massiges, nordwestlich St.-Menohould, 
griffen unsere Truppen ebenfalls an, stießen im Sturm 
über drei hintereinanderliegende feindliche Grabenlinien 
und setzten sich in der französischen Hauptstellung in einer 
Breite von 2 Kilometern fest. Sämtliche Gegenangriffe 
der Franzosen, die diese auch nachts fortsetzten, wurden 
abgeschlagen, etwa 7 Offiziere und 600 Mann gefangen
	        
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