Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
217 
Stellen Gelegenheit zum „Angriff mit Umfassung". Für 
den Taktiker gibt es kein fesselnderes Studiunr als der 
artige Waffentaten, wie sie die Erstürmung des Hartmanns 
weiler Kopfes und des Hirzensteins in den Vogesen waren. 
Mit vollem Recht nennt man beide Orte zusammen, 
denn die beiden Gefechte wurden zwar mit zwei Tagen 
Zeitunterschied und auf Berghängen geführt, die eine 
tiefeingeschnittene Schlucht voneinander trennt, aber beiden 
liegt ein einheitlicher, trefflich ausgedachter und tapfer durch 
geführter Plan zugrunde. 
Die Lage war am 18. Januar die folgende: Französische 
Infanterie, größtenteils Alpenjäger, hielten in stark „be 
festigter Feldstellung" Höhe 956, genannt Hartmannsweiler 
Kopf, und Höhe 570, genannt Hirzenstein, besetzt (siehe 
Skizze Seite 204). Starke französische Jnfanteriereserven 
östlich Höhe 1125, dem Molkenrain. Feindliche Gebirgs 
artillerie in verdeckter Stellung bei Kohlschlag. — Der Ent 
schluß zum Angriff gründete sich hauptsächlich auf den Ge 
danken, daß hier 
nicht nur Gelände 
gewonnen werden 
könne, sondern daß 
inandadurch gleich 
zeitig näher an die 
einzige gute fran 
zösische Zufahrt 
straße Thann— 
St.-Amarin kom 
me (s. Ubersichts 
skizze Seite 204). 
Dem Angriff 
ging eine einge 
hende Erkundung 
und Aufklärung 
voraus. Zumeist 
wurde sie durch Jn- 
fanterieoffizierpa- 
trouillen bewirkt, 
die sich in der 
Dunkelheit an die 
feindlichen Stel 
lungen heranpirsch 
ten, Anmarschwege 
festlegten, Gassen 
in die Drahtgeflech 
te schnitten und 
die genaue gegne 
rische Stärke fest 
stellten. Aus den 
einlaufenden Mel 
dungen ergab sich, 
daß das Gelände 
für einen Angriff 
nicht gerade günstig 
war, denn die Ber 
ge waren von be 
trächtlicher Höhe, 
in den gegnerischen Hindernissen und Stellungen schaffte. 
Auch die Sicherungstruppen waren währenddessen nicht zur 
Untätigkeit verdammt. Sie hatten schon am Nachmittag 
kleinere feindliche Angriffe mit leichter Mühe abgewiesen, 
woran sich ein mit mehreren Bataillonen geführter fran 
zösischer Nachtangriff anschloß, der an der Jägertanne von 
mehreren Kompanien und einer Ulaneneskadron abgewiesen 
werden konnte. Am nächsten Morgen wurden die Ver 
teidiger des Hartmannsweiler Kopfes noch enger ein 
geschlossen, wobei deutsche Unterstützungen die Lücken des 
vorangegangenen Gefechtes auffüllten, während dem Gegner 
durch das Standhalten der Deckungstruppen die Gelegenheit, 
seine Verluste zu ersetzen, genommen war. Deshalb er 
gab sich die Besatzung kurz vor dem letzten Sturmanlauf. 
Am 20. wurde nach einer Umgruppierung der deutschen 
Streitkräfte der Hirzenstein angegriffen, während schwächere 
Kräfte das eroberte Gelände beim Hartmannsweiler Kopf 
festhielten und Deckungstruppen am Rehfelsen und Sand- 
Wirkung des deutschen Jnfanteriegeschosses auf den Schutzschild eines französischen Geschützes. 
Dieses Bild zeigt einen Teil eines erbeuteten französischen Geschützes, das in Saarbrücken aufgestellt ist. Welche Durchschlags 
kraft unser Jnfanteriegeschoß hat, ergibt sich daraus, daß die 1 cm dicke Slahlplatte des französischen Schutzschildes an zahlreichen 
Stellen glatt durchschlagen ist. Sogar der 15 mm starke Mantel des Geschützrohres ist bis auf den Lauf zerrissen. 
teilweise sehr steil ansteigend und durch Felsgeröll und 
Eis noch ungangbarer geworden. Drahtgeflechte und Ast- 
verhaue mit Stacheldraht bildeten wirksame Hindernisse 
vor der feindlichen Front. Auch die gegnerischen Streit 
kräfte waren stark genug, um ein gleichzeitiges Stürmen 
beider Höhen wahrscheinlich verhindern zu können. Es 
galt also, an einer Stelle mit schwächeren Kräften hin 
haltend zu fechten, um hier den Gegner zu „beschäftigen", 
während an anderer Stelle die Hauptkräfte zum Angriff 
schritten. Die erstere Stelle war zunächst der Hirzenstein, 
letztere der Hartmannsweiler Kopf. 
Der Angriff war auf den 18. Januar vier Uhr nachmittags 
angesetzt, während schon seit halb zwölf Uhr vormittags 
Deckungstruppen bei der Jägertanne standen, mit dem 
Auftrag, etwaige gegnerische Vorstöße zur Entsetzung des 
Hartmannsweiler Kopfes abzuweisen, sowie gegen den 
Hirzenstein zu sichern. AIs die beiderseitige Umfassung des 
Hartmannsweiler Kopfes geglückt war, begann der all 
gemeine Angriff durch Mecklenburger Jäger, deren Reihen 
man jedoch bald wegen des wirksamen feindlichen Feuers 
und des ungünstigen Geländes durch Württemberger rmd 
Holsteiner verstärken mußte, bis in der Nacht eine Minen 
werferabteilung durch ihre furchtbare Tätigkeit etwas Luft 
II. Band. 
grubenkopf unerwünschte feindliche Einmischungen abhalten 
sollten. Um acht Uhr vormittags wurde der Hirzenstein von 
der schweren deutschen Artillerie bis achteinhalb Uhr vor 
mittags unter Feuer genommen, um die Feldbefestigungen 
sturmreif zu machen. Ms die Batterien ihr Feuer dann 
weiter feindwärts verlegten, um Verstärkungen vom 
Molkenrain her abzuhalten, arbeiteten unsere Minenwerfer 
bis neuneinhalb Uhr vormittags, worauf die Rheinländer 
zum Sturm antraten, der sie nach gewandter Überwindung 
der fast ganz zusammengeschossenen Hindernisse und einem 
erbitterten Nahkampf, trotz der Steilhänge, in zwanzig 
Minuten zu siegreichen Besitzern des Hirzensteins machte. 
Die Bedeutung dieses Doppelerfolges wurde schon ein 
gangsgewürdigt. In treuer Waffenbrüderschaft haben Würt 
temberger, Mecklenburger, Holsteiner, Rheinländer und Han 
seaten ein Stück des großen Vaterlandes vom Feinde befreit. 
Im Doppeldecker über Verdun. 
Von Rittmeister a. D. F. Grotzmann. 
(Hierzu ras Bild Seile 218j219.) 
Der jetzige Weltkrieg brachte erstmalig die Verwendung 
und Erprobung der Flugfahrzeuge in militärischer Be- 
33
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.