Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Die von den Franzosen in Brand geschossene Kathedrale der belgischen Felscnfestung Dlnant mit der gesprengten Bogenbrücke. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15 
er gellend über das Feld. Und einer schrie es dem anderen 
zu, im Höllenlärm der pfeifenden Granaten, der krachenden 
Geschosse, der ratternden Maschinengewehre: „Unser Oberst 
ist da, unser Oberst!" Plötzlich tönte auch das langgezogene 
Signal des Hornisten durch das Chaos: „Sammeln!" 
und alle, die es vernahmen, eilten herbei, sich um ihren 
tapferen Führer zu scharen. So gelang es ihm noch ein 
mal, einen Teil der Überlebenden seines Regiments zu 
sammeln. Da wurde ihm sein zweites Pferd unter dem 
Leibe weggeschossen. Der Oberst ritz einem Toten das Ge 
wehr aus der starren Hand, und mit dem Ruf: „Vorwärts, 
Kinder, ich schietze mit euchl" warf er sich mit seinen Ge 
treuen in die Laufgräben. Da sah er in einiger Entfernung 
vor sich am Waldesrand ein verlassenes Maschinengewehr. 
Die ganze Bedienungsmannschaft war gefallen. So schnell 
es seine schwere Verwundung zuließ, schob er sich vor 
wärts. Aber Haufen von Leichen bahnte er sich den 
Weg, und bald erscholl das nervenaufreizende Taktaktak 
des Maschinengewehrs. Seine Braven in den Schützen 
gräben horchten freudig auf und sahen hinüber nach dem 
vorgeschobenen gefährlichen Posten. Hauptmann Czernay 
vom Regiment aber war mit einem Satz heran: „Herr 
Oberst, um Himmels willen!" Dieser jedoch rief ihm zu: 
„Zurück, Czernay, zurück, bei mir ist der Tod!" Denn 
schon hatten die Russen die Stellung des Maschinengewehrs 
erspäht und überschütteten den Waldrand mit einem Hagel 
von Geschossen. „Rein, wo mein Oberst ist, dort ist auch 
mein Platz!" sagte Hauptmann Czernay bewegt und 
kauerte sich nieder, um seinem verwundeten Kommandanten 
die Arbeit abzunehmen. Da reichte ihm dieser mit festem 
Druck die Rechte: „Czernay, das vergesse ich dir nicht bis 
zum letzten Atemzug, aber als dein Oberst befehle ich dir, 
geh zurück, dort bist du nötiger,- halt mir die Leut' zusam 
men, aushalten bis zum letzten Mann. Kümmere dich 
nicht um mich, ich bin ohnehin ein Todgeweihter!" 
Und Czernay mutzte sich fügen. Mehr als eine Stunde 
lang bediente der Oberst allein das Maschinengewehr, und 
Hauptmann Czernay hat später, als er selber todwund im 
Spital in Krakau lag, seinen Freunden mit Tränen im 
Auge erzählt, wie furchtbar der Anblick gewesen sei, als 
der todesmatte Held sich immer wieder aufrichtete, um die 
Wirkung seiner Geschosse zu beobachten. Und in einem 
solchen Augenblick zischte eine Granate im weiten Bogen 
heran — ein Sprengstück ritz dem todesmutigen Obersten 
die Brust auf und legte das Herz blotz. Dieses Herz, das 
so heiß schlug für Kaiser und Vaterland! 
Aber auch Hauptmann Czernay erreichte das unerbitt 
liche Geschick. Als er seinen Kommandanten stürzen sah, 
eilte er hinzu und lietz, tief erschüttert, den entseelten Körper 
hinter die Front bringen. Er selbst wurde schwer ver 
wundet, und seine braven Soldaten nahmen ihn mit, als 
sie der furchtbaren Übermacht des Feindes endlich doch, 
wenn auch nur für wenige Stunden, weichen mutzten. So 
kam es, datz er nicht gefangen genommen wurde wie alle 
jene, die in das Lazarett der verfallenen Ziegelei gebracht 
worden waren. Aber alle Sorgfalt, alle Pflege und Liebe 
konnten ihn nicht mehr retten. Hauptmann Czernay wurde 
als einer der ersten in die kühle Erde versenkt beim Helden 
denkmal des Zeptralfriedhofs. 
Der Heldentod des tapferen Obersten und seiner Ge 
treuen aber ist furchtbar gerächt worden. Im Morgen 
grauen des 30. August kamen die so sehnlich erwarteten 
Verstärkungen, die durch einen Werfall der Russen zurück 
gehalten worden waren. Ein mit wunderbarem Schneid 
ausgeführter Vorstotz schlug den Feind in die Flucht — 
der große Sieg bei Komarow war errungen. 
Die Zerstörung Dinants. 
(Hierzu Md Bilder Seite 210 und 211.) 
Das Maastal wird von Ramur bis Eivet in buntem 
Wechsel von Schlössern, Sommerfrischen, Dörfern, Stein 
brüchen, seltsamen Felsbildungen, Hüttenwerken, Wiesen 
und Feldern begleitet. Ungefähr in der Mitte dieses Tal 
abschnittes liegt auf dem rechten Ufer der Maas, malerisch 
von nackten Kallsteinfelsen überragt, das etwa 8000 Ein 
wohner zählende Städtchen Dinant, eine seither bei den 
Belgiern und Franzosen sehr beliebte Sommerfrische. Durch 
die kriegerischen Ereignisse ist es in einen Trümmerhaufen 
verwandelt worden. 
Die Zerstörungen sind zum größten Teil auf Rech 
nung der Franzosen zu setzen. Beim Heranrücken der 
deutschen Truppen beschossen die Franzosen vom linken 
Ufer aus den jenseits des Flusses liegenden Stadtteil, 
während die deutsche Artillerie bei der Erwiderung des 
feindlichen Feuers die Gebäude am linken Maasufer in 
Brand setzte. Da außerdem die französischen Soldaten die 
Uniformen mit Zivilkleidern vertauschten und, unterstützt 
von der Einwohnerschaft, aus den Häusern heraus die 
eindringenden deutschen Mannschaften mit einem Kugel 
regen überschütteten, so entspann sich ein heftiger Stratzen- 
kampf. Vor der Flucht sprengten dann noch die Fran 
zosen die aussichtsreiche eiserne Bogenbrücke in die Luft. 
Die Sprengung zerstörte zugleich die benachbarten Gebäude»
	        
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