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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
tober eroberten unsere Truppen ebendort einige feindliche
Schützengräben, deren Besatzung gefangen genommen
wurde. Südwestlich Verdun schlugen wir am 29. Oktober
einen feindlichen Angriff zurück. Unsere Truppen führten
die Gegenangriffe bis in die feindliche Hauptstellung durch,
die sie in Besitz nahmen. Am 30. Oktober griffen wir die
Franzosen östlich Soissons an, wurden aber im Laufe des
Tages aus mehreren stark verschanzten Stellungen nördlich
von Vailly gedrängt. Am Nachmittag wurde dann Vailly
gestürmt und der Feind unter schweren Verlusten über die
Aisne geworfen (vgl. Band I Seite 460). Dabei inachten
unsere Truppeil 1000 Eefaiigene lind erbeuteteil 2 Ma
schinengewehre.
Die französischen amtlichen Berichte wußten begreiflicher
weise von deutschen Siegeil nur wenig zu melden; gleichwohl
war die.Stimmung in Paris nicht gerade rosig* Nieder
lagen lassen sich nicht verbergeil, Und wenn die Zensur noch
Phot. A. Grohs, Berlin.
Einsturz eines von Granaten getroffenen Hanfes in der Hauptstraße von Lille.
so streng ist. Flüchtlinge und Verwundete sind nicht aus
der Welt zu schaffen, und diese tragen ihre Erlebnisse eben
nach allen Richtungen ins Land. Besonders beuilruhigt
wurden aber die Pariser durch die häufigen Besuche deutscher
Flieger, von denen Bomben-und Zettelmeldungen nieder
geworfen wurden. Namentlich ein Fliegerbesuch am
11. Oktober, wo mehrere deutsche Flugzeuge Paris Heim
suchteil, erregte Schrecken. In französischen Zeitungen
hieß es, daß es zwei feindliche „Tauben" gewesen seien,
die durch ihre Kühnheit Schrecken und Tod verbreitet hätten.
Tatsächlich handelte es sich um drei Militär-Aviatik-Doppel
decker, die ihren wagemutigen Streich in geschlossenem
Geschwader zu so erfolgreichem Ende durchführten. Ein
Feldpostbrief eines an diesem kühnen Fluge beteiligten
Fliegeroffiziers lautete:
„... Inzwischen werdet Ihr voll den Schandtaten'
Eures Sohnes und fünf seiner Fliegerkameraden in den
Zeitungen gelesen habeil, ohne zu ahnen, daß Elier Sohn
dabei mitgewirkt hat. Wir erhielten trotz des großen An
marsches vom kominandierenden General Erlaubnis, Sonn
tag, den 11. Oktober, nach Paris zu fliegen. Drei Flug
zeuge, nicht nur zwei, wie in den Blättern zu beiden Seiten
des Rheins zu lesen war: so zogen wir im Geschwader los.
Meiir Flugzeug in der Mitte als Richtungs- und Anschluß-
flugzeug, die beiden anderen rechts und links. Der Start
war zeitlich so angesetzt, daß wir nach französischer Zeit
zwischen zwölf und ein Uhr über der französischen Kapitale
eintreffen mutzten. Viele kleine Wolken, über denen wir
dahinfurchten, ließen uns unentdeckt Paris erreichen. Dann
gingen wir durch die Wolken nieder und warfen siebzehn
Bomben hinunter sowie Abwurftaschen, gefüllt mit
Zetteln, auf deuen zu lesen war: -Antwerpen ist ge-
nommen, Ihr kommt nächstens heran. Herzliche Grütze.
Die Feldfliegerabteilung 3 und General v. Deimling.' —
Das letztere haben die Franzosen in ihren Berichten unter
schlagen Sie melden nur von -zwei Tauben' — bei ihnen
heißen alle deutschen Flugzeuge ,Tauben' — und
haben unseren dritten Doppeldecker offenbar über-
haupt nicht bemerkt. Wir haben natürlich die
Wolken als Deckung benutzt, solange es ging, um
nicht vorzeitig die Abwehrmittel auf uns zu zieheu.
Außer den Abwürfen haben wir auch aus der Höhe
photographische Aufnahmen gemacht, die trefflich
gelungen sind. Erfolg der Bombenwürfe: schwerer
Materialschaden, in einigen Stadtteilen wurden
mehrere Häuser zerstört, außerdem gab es 8 Tote
und 26 Schwerverletzte. — Unsere drei Flugzeuge
waren das erste Geschwader über Paris. Ge
schlossen mit vier Minuten Abstand landeten wir
wieder in unserem Flughafen nach drei Stunden
fünfundvierzig Minuten Flugzeit."
Auch ein Zeppelin erschien am 28. Oktober
über Paris, der noch weit mehr Schrecken ver
breitete als die Flieger, an deren Erscheinen die
Franzosen sich schon einigermaßen gewöhnt hatten.
Der Zeppelin hat acht Bomben hinabgeworfen, von
denen Zeitungsmeldungen zufolge drei größeren
Schaden angerichtet haben sollen. Acht Personen
sollen getötet und eine beträchtliche Anzahl ver
letzt worden sein. Französische Flieger, die ver
suchten, das Luftschiff anzugreifeu, kamen zu spät;
es war in den Wolken entkommen. —
Der Fall von Antwerpen hat in der ganzen
Welt lebhafte Bewunderung für die deutschen
Waffen hervorgerufen und. auch einen großen
politischen Erfolg gehabt. Soweit neutrale Staaten
in ihrer Haltung noch schwankend gewesen sein
mochten, wurden sie nach diesem Beweise deutscher
Kraft, wie er durch die Eroberung von Antwerpen
gegeben worden ist, in ihrem Entschlüsse gefestigt.
Man konnte jetzt schon mit einiger Sicherheit
sagen, daß aus diesem Riesenkampfe Deutschland
mit Österreich-Ungarn als Sieger hervorgehen
werde. Trotz alledem zeigten aber die Reuter
meldungen vom 12. Oktober ihre gewohnte Auf
machung: Allenthalben winden die Deutschen mit
schweren Verlusten zurückgeschlagen. Jede Streif
wache der Unsrigen, die nach vorgenommener Er
kundung dem Feind wieder den Rücken kehrte,
wurde zu einer starken Truppenabteilung, die in
wilder Flucht dahineilte. In Wirklichkeit drangen die Deut
schen in der Richtung Ostende (Bilder Seite 10 u. 11) immer
weiter vor. Die Überreste der belgischen Armee machten
verzweifelte Versuche, die Deutschen bei Eraerde, Roeselaere,
Saffelaere und Desteldonck aufzuhalten, wobei sie schwere
Verluste, besonders an Kavallerie, erlitten. Vor der Be
setzung von Gent durch die Deutschen war Gent, obgleich die
Engländer es zuerst verteidigen wollten, zur offenen Stadt
erklärt worden. Am 12. Oktober wurde Selzaete von
unseren Truppen in aller Ruhe besetzt; nur gegen Abend
wurden einige Schüsse auf Leute abgegeben, die an der
Eisenbahn entlangschlichen. Der Einzug in Gent erfolgte
mit klingendem Spiel, nachdem die letzten Engländer die
Stadt verlassen hatten.
Sofort wurden das Stadthaus, die Postämter und
andere öffentliche Gebäude in Besitz genommen, die Post
kasse beschlagnahmt und die deutsche Flagge statt der belgischen,
französischen und englischengehißt. Durch einen Aufruf wurde
bekannt gemacht, daß, wer wollte, Montag und Dienstag