154
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
vierte Kompanie! Wo ist der Hauptmann?" „Hier." Ich
erhalte einen Zettel, lege ihn in die Mütze, leuchte im
Graben mit der Taschenlaterne hinein und lese: „Ängriffs-
befehl."
Also doch! „R.-J.-R. 17 und 21 greifen an. Der An
griff beginnt zwei Uhr vormittags. 1/17 rechts. Brigade D.
wird den Angriff rechts von 1/17 unterstützen. Hierzu stehen
u n ein Uhr fünfzig morgens bereit..." und nun kamen die
Befehle für die einzelnen Kompanien, nach der Karte ge
geben. Die Geschichte stimmte aber nicht, denn die Reihen
folge der Kompanien hatte sich im Laufe des nachmittägigen
Gefechtes geändert. Ich sehe auf die Uhr. Es ist genau ein
Uhr fünfzig; also ist eine Verschiebung nicht mehr möglich.
Ist auch ganz gleich: jeder stürmt eben von seinem Platz
aus. Der Chef der ersten Kompanie links von mir, mit
dem ich mich rasch ins Benehmen setze, ist einverstanden.
Ich lasse die Seitengewehre aufpflanzen und verkünde da
mit meinen Leuten, daß es zum Sturm geht. Punkt zwei
Uhr nachts eröffnen wir ein mörderisches Feuer. Mag
der Feind auch seine Artillerie auf uns hetzen! Bis die
kommt, sind wir nicht mehr da. Plötzlich sehe ich halb rechts
drüben beim Gegner hoch in den Bäumen etwas blitzen.
„Tambour," sage ich zu dem Mann neben mir, „sehen Sie
mal ununterbrochen in diese Baumkronen hinein, ob nicht,
wenn die Maschinengewehre zu feuern anfangen, dort etwas
blitzt." Es dauert keine zwei Minuten, so ruft er: „Herr
Hauptmann, jetzt Hammers; dö Ham wirkli a Maschinen-
gwehr in de Bäum drobn!" War das eine Freude, daß
man endlich dieses Maschinengewehr entdeckt hatte! Wir
feuern drauf los, was Zeug hält, und müssen es herunter
geschossen haben. Beim weiteren Vorgehen war aus dieser
Richtung kein Maschinengewehr mehr hörbar.
Nun aber war's Zeit geworden zum Vorgehen.
„Stopfen! Die Kompanie tritt zum Sturm an, Anschluß
links!" rufe ich. Mann für Mann tritt heraus, die ersten
paar Meter im Schritt, und dann im Marsch-marsch! Doch
schon haben die Gegner uns scharfäugig bemerkt; sie er
kennen, daß wir stürmen wollen, daß jetzt also ein Kampf
auf Leben und Tod kommen muß. Ein Kugelregen, wie
ich ihn nie für möglich gehalten hätte, überschüttet uns.
Schon liegen wir am Boden und, ohne daß ich ein Wort
gesagt hatte, feuerte die ganze Kompanie. Nach etwa
fünf Minuten lasse ich wieder abstopfen, denn wir können
hier nicht liegen bleiben. „Vierte Kompanie Sprung auf!
Marsch marsch!" Mann für Mann springen sie aus und
laufen ihren Offizieren nach, als sei es eine Übung auf dem
Eierzierplatz. Einen Lindauer Wehrkraftjungen, 17V- Jahre
alt, habe ich besonders in der Erinnerung. Er sprach kein
Wort und schrute nicht rechts noch links. Die Zähne auf
einander gebissen, das Gewehr umklammert, stürmte der
junge Held neben mir. Gebe Gott, daß er noch am Leben ist!
Nun begann auch das Feuer aus der Flanke. Wir
wußten, daß wir die ersten 150 Meter dnrch ein Gelände
mußten, das von rechts her von vier Etagen feindlicher
Schützengräben bestrichen war. Ich hatte noch nachts
halb ein Uhr das gemeldet und um Artillerie gebeten. Die
war aber nicht zur Verfügung. Dafür gab mir der Oberst
unsere Maschinengewehre, die leider in der Dunkelheit,
wie ich mich selbst überzeugte, nichts ausrichten konnten,
obwohl ihr Führer, Leutnant H., uns so gerne geholfen
hätte. Also durch diese 150 Meter durch, und zwar möglichst
rasch! In etlichen Sprüngen sind sie erledigt unter ver
hältnismäßig geringen Verlusten. Jetzt haben wir nur
noch einen Gegner, die Schützen in den Gräben längs der
Ortschaft. Die Verteilung der Rollen ist allerdings recht
ungleichmäßig; jene eingegraben, so daß nur die Gewehr-
läufe herausschauen, wirim Mondenschein aufrecht 1400 Meter
zurücklegend. Wir kommen an einen Bauernhof, aus dem
auf uns gefeuert wird. Wir überschütten ihn mit Geschossen
und nehmen ihn im Sturm. Da schallt eine Stimme:
„Anzünden, es wird noch herausgeschossen!" Ich halte das
für einen Fehler und rufe laut: „Nicht anzünden, denn
wir müssen weiter, und dann bildet der brennende Hof
einen gefährlichen Hintergrund für uns!" Doch schon
war's zu spät. Eine halbe Minute später ging der ganze
Hof in Flammen auf. Ein unendliches Glück für uns war
es, daß sich starker Rauch entwickelte, unter dessen Schutz
wir soweit wie möglich vorgingen (siehe die Kunstbeilage).
Nun begann die härteste Arbeit für uns.
(Fortsetzung folgt.)
Erzherzog Eugen,
der neue Kommandant der österreichisch-
ungarischen Balkanstreitkräfte.
(Hierzu das Bild Seite 147.»
Am 23. Dezember 1914 wurde der General der Ka
vallerie, Erzherzog Eugen, als Nachfolger des in den
Ruhestand versetzten Feldzeugmeisters Potiorek (siehe
Band I Seite 418) zum Kommandanten der 5. Armee und
zum Oberbefehlshaber über die österreichisch-ungarischen
Balkanstreitkräfte ernannt. Es mag als glückverheißendes
Omen betrachtet werden, daß nun zwei Enkel des Siegers
von Aspern, des unvergeßlichen Erzherzogs Karl, des ersten
Bezwingers Napoleons, an der Spitze der österreichisch-
ungarischen Truppen stehen. Erzherzog Eugen ist der
jüngere Bruder des Feldmarschalls Erzherzog Friedrich
und der Königin-Witwe Christine von Spanien und wurde
als Sohn des Erzherzogs Karl Ferdinand in Eroß-Seelowitz
in Mähren am 21. Mai 1863 geboren.
Der Erzherzog hat eine außerordentlich gründliche und
vielseitige militärische Vorbildung erhalten. Er hat bei der
Infanterie und Kavallerie als Subaltern- und als Stabs
offizier gedient, hat die Kriegschule mit besonders gutem
Erfolg durchgemacht, gehörte eine Zeitlang dem General
stabskorps an, befehligte die 9. Jnfanterietruppenbrigade,
später die 25. Jnfanterietruppendivision, und war zuletzt als
Korpskommandant und Armeeinspektor in Innsbruck tätig.
Seine hervorragenden strategischen Fähigkeiten hat
Erzherzog Eugen bei mehreren großen Manövern gezeigt.
1899 befehligte er bei den Herbstmanövern ein kombiniertes
Korps, 1905 war er Übungsleiter bei den Kaisermanövern
in Südtirol und wurde nach denselben durch ein besonders
ehrenvolles und schmeichelhaftes Kaiserliches Handschreiben
ausgezeichnet. 1909 stand er bei den Kaisermanövern von
Eroß-Meseritsch, denen Kaiser Franz Joseph und Kaiser
Wilhelm beiwohnten, an der Spitze der 4. Armee.
Als Nachfolger seines Oheims, des 1894 verunglückten Erz
herzogs Wilhelm,ist Erzherzog EugenHoch-und Deutschmeister
und als solcher Inhaber des 4.Jnfanterieregiments, des überall
so populären Wiener Hausregiments der „Deutschmeister".
Nachdem Erzherzog Eugen von April 1900 bis Oktober
1908 als Korpskommandant in Innsbruck so erfolgreich
gewirkt hatte, daß der Kaiser sagen konnte: „Mit aller Be
ruhigung weiß ich das 14. Korps unter Ihrer hingebungs
vollen vorzüglichen Führung, unermüdlich fortschreitend zu
jeder Kriegstüchtigkeit", wurde er zum Armeeiuspektor uud
Landesverteidigungsoberkommandanten für Tirol und Vor
arlberg ernannt. Vier Jahre später trat der Erzherzog
mit Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit vom aktiven
Militärdienst zurück, lebte in Wien und auf seinen Schlössern
und gab sich in erster Linie der Sorge für den ihm anver
trauten Orden und seinen persönlichen Interessen auf dem
Gebiete von Kunst und Wissenschaft hin.
Erzherzog Eugen konnte sich daher seit Beginn des
Krieges für diesen vorerst nur in seiner Eigenschaft als
Hoch- und Deutschmeister betätigen; er förderte die hu
manitären Einrichtungen des deutschen Ritterordens, stellte
das reiche Sanitätsinaterial und die Gründungen desselben
der Heeresverwaltung zur Verfügung und besuchte uud
inspizierte die Spitäler.
Nun hat er aber wieder eine wichtige, seinen militärischen
Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten entsprechende
Stellung in der Armee angenommen, uud mit Recht konnte
die amtliche Verlautbarung, die den Wechsel im Ober
befehl der Balkanstreitkräfte dem Publikum bekanntgab,
sagen: „Die Nachricht, daß der Erzherzog das so wichtige
Kommando übernimmt, wird in der Armee, in der er
höchstes Vertrauen und begeisterte Verehrung genießt, mit
dankbarem Jubel aufgenommen werden." Die Truppen
auf dem südlichen Kriegschauplatz haben denn auch den Erz
herzog begeistert begrüßt und ihm als einem zweiten Prinzen
Eugen zugejubelt, der sie zu Sieg und Ruhm führen werde.
Unsere Soldaten im Oberelsaß.
(Hierzu die Bilder Seite 1521153 und 155 sowie die Karte Seite 166.)
Hartnäckig suchten die Franzosen in den Wintermonaten
den von ihnen besetzten kleinen Teil des Oberelsasses zu
behaupten und besonders in dem Raum zwischen Thann,