Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Diese Schlacht gibt uns die Gewißheit, daß wir in unseren 
Gewässern jede Flotte der Welt nur so lange zu dulden 
bxauchen, wie es uns paßt." — 
An: 16. Dezember trat ein Ereignis ein, das von 
englischer Seite als unsere Rache für die Niederlage 
bei den Falklandsinseln bezeichnet wurde. An diesem 
Tage wurde amtlich gemeldet, daß Teile unserer Hoch- 
seestreitkräfte einen Vorstoß nach der englischen Ost 
küste unternommen und die beiden befestigten Küsten 
plätze Scarborough und Hartlepool beschossen hätten. 
Am nächsten Tage wurden amtlich folgende Einzelheiten 
bekanntgegeben: 
Bei ihrer Annäherung an die englische Küste wurden 
unsere Kreuzer bei unsichtigem Wetter durch vier eng 
lische Torpedobootszerstörer erfolglos angegriffen. Ein 
Zerstörer wurde vernichtet, ein anderer kan: in schwer 
beschädigtem Zustande ^außer Sicht. Die Batterie von 
Hartlepool wurde zum Schweigen gebracht, die Gasbehälter 
vernichtet, und drei große Brände in der Stadt konnten 
von Bord aus festgestellt werden. Küstenwachstation und 
Wasserwerk von Scarborough, Küstenwache und Signal- 
station von Whitby wurden zerstört. Unsere Schiffe erhielten 
von den Küstenbatterien einige Treffer, die nur geringen 
Schaden verursachten. An einer anderen Stelle wurde 
noch ein weiterer englischer Torpedobootszerstörer zum 
Sinken gebracht. 
Der stellvertretende Chef des Admiralstabs: 
Behncke. 
Die Schilderung eines Teilnehmers an diesem Flotten 
angriff auf die englische Küste finden unsere Leser bereits 
auf Seite 18. 
Die Gegend, gegen die sich der deutsche Angriff richtete, 
ist der sogenannte Teesdistrikt, eines der wichtigsten Schiffs 
inaschinen- und Schiffskesselzentren Englands. Dort be 
finden sich nicht weniger als neunzehn große Industrie- 
werke, die sich mit den genannten, für den Schiffsbau 
wichtigen Zweigen beschäftigen. Vier von ihnen befinden 
sich in Hartlepool, die übrigen in Middlesborough, Stockton 
und Tees, Whitby und Darlington, Orte, die sämtlich nicht 
allzuweit von anderen durch die deutschen Schiffe be 
drohten Gebieten gelegen sind. Offenbar war es unseren 
Schiffen darum zu tun, die Schiffsbautätigkeit, die für die 
Verstärkung der englischen Flotte auch durch den Bau von 
Transportschiffen von Wichtigkeit ist, zu stören und gleich 
zeitig zu erkunden, welche Seestreitkräfte die Engländer 
in dieser wichtigen Gegend zum Schutze der Küste bereit 
gestellt hatten. — 
Der Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages war Zeuge 
eines Fliegerkampfes vor unserer Nordseeküste. Leichte 
englische Streitkrüfte, hauptsächlich Zerstörer, Flugzeuge, 
Transportschiffe und einige Kreuzer unternahmen einen 
Vorstoß in die deutsche Nordseebucht in der Nähe von 
Curhaven. Nebliges Wetter begünstigte ihre Annäherung. 
Eine Anzahl von Wasserflugzeugen stieg auf, um gegen die 
deutschen Flußmündungen und die dort liegenden Schiffe 
zu operieren. Es wurden gegen solche zahlreiche Bomben 
geworfen, und auch ein großer Gasbehälter war Ziel der 
Angriffe der englischen Flieger. Daraufhin wurden sofort 
deutsche Flugzeuge und Luftschiffe ausgesandt, um die 
unter Feuer genommenen und zurückflutenden gegnerischen 
Luftfahrzeuge zu verfolgen und um aufzuklären. Bei 
dieser Gelegenheit wurden auch gegen die englischen See 
streitkräfte Bomben abgeworfen, und es gelangen Treffer 
auf zwei Zerstörer und einen Begleitdampfer. Das 
herrschende Nebelwetter verhinderte die weitere Verfolgung. 
Wie sich später herausstellte, waren drei englische Flugzeuge 
gesunken, und ein viertes wurde später 12 Kilometer von 
Helgoland als Wrack gesehen. — Die englische Heeres- und 
Marineverwaltung hat ungeheure Summen für den Aus 
ban des Flugwesens ausgegeben. Mehrere hundert 
Apparate bildeten den Flugpark Englands. Bis jetzt hat 
sich aber, bis auf einige Bombenwürfe, die von kühnen und 
geschickten Fliegern auch im Innern Deutschlands vor 
genommen wurden, die englische Fliegerwaffe nicht be 
sonders hervorgetan. Da kam am 25. Dezember dieser 
Massenangriff. Das Ergebnis war kein besonderes. Die 
abgeworfenen Bomben erfüllten ihren Zweck, den Gegner 
zu schädigen, nicht. In ganz anderer Weise haben die 
rasch und in aller Eile alarmierten deutschen Flugzeuge 
ihre Aufgabe gelöst. Sie nahmen die Verfolgung auf, 
und es gelang ihnen, zwei Zerstörer und einen Begleit 
dampfer mit Bomben zu treffen. 
Fast gleichzeitig wurde auch von uns der englischen 
Küste ein Fliegerbesuch abgestattet. Ein großes deutsches 
Flugzeuggeschwader von inindestens 16 Flugzeugen erschien 
an: 25. Dezember vormittags an der englischen Küste un 
weit der Themsemündung. Es flog die Südküste entlang 
bis Dover (siehe die Kunstbeilage), wo einige Bomben 
geworfen wurden. Darauf flog es weiter in der Richtung 
nach Dünkirchen und eröffnete dort ein heftiges Bombarde 
ment auf die von den Engländern besetzten Teile der 
Stadt. Später erschien das Geschwader über Ostende. 
Im ganzen wurden über Dünkirchen 40—50 Bomben 
geworfen, die erheblichen Schaden anrichteten. Eine An 
zahl Personen wurde getötet und verwundet. Sämtliche 
deutschen Flugzeuge fuhren unbeschädigt an ihren Aufstiegs 
ort zurück. Die „Times" brachten einen ausführlichen 
Bericht von der Jagd auf einen dieser Flieger. Wir ent 
nehmen dem Berichte folgendes: 
„Kurz vor ein Uhr erschien heute mittag ein deutsches 
Flugzeug von den: Albatrostyp bei Purfleet. Der dichte 
Nebel, der seit dem frühen Morgen geherrscht hatte, begann 
sich in Fetzen aufzulösen, als die Wachmannschaften den 
unwillkommenen East sichteten. Er wurde sosort :nil 
Schrapnellfeuer aus den wider die Luftschiffe aufgestellten 
Geschützen beschossen. Auch machten sich drei Doppel 
decker zur Verfolgung auf, und es entwickelte sich ein 
eigenartiges Gefecht in der Luft. Der deutsche Flieger 
versuchte sich dem Bereich der Geschosse zu entziehen. 
Zwei von den britischen Flugzeugen suchten ihn zu über 
holen. Der wackere Feind hatte :nit drei Gegnern zu 
rechnen. Zwei unserer Flugzeuge erhoben sich über ihn, 
während das dritte, das ein Schnellfeuergeschütz führte, 
ihm von unten im spitzen Winkel mit Feuer zusetzte. Der 
Feind und sein Mitfahrer erwiderten das Feuer. Sie manöv 
rierten ausgezeichnet. Der Flieger war offenbar ein aus 
gesucht geschickter Fachmann. Er lenkte sein Flugzeug i» 
der Weise, daß die Gefahr eines Treffers soweit möglich 
verhindert wurde und gleichzeitig seine Gegner Schwierig 
keiten hatten, auf ihn zu feuern, ohne eigene Flugzeuge 
zu treffen. Der Kampf zog sich in der Richtung des Kenter 
Ufers dahin. Bei Sheerneß und Southend, die sich auf 
den beiden Ufern gegenüberliegen, war das Feuer sehr 
lebhaft. Zahlreiche britische Flugzeuge beteiligten sich an 
der Verfolgung. Es scheint jedoch, daß der Nebel ihre 
Bemühungen vereitelte." — 
Um die Jahreswende erhielten wir die Nachricht von 
einer weiteren kühnen Tat unserer Blaujacken. Wir er 
fuhren, daß sich etwa 50 Mann der „Emden"-Mannschaft 
zunächst eines alten englischen Dreiinasters namens „Ayesha" 
bemächtigt hatten. In das Schiff bauten sie einige Kanonen 
und ein Maschinengewehr ein. Diese Geschütze bildeten 
zusammen mit einem wiederhergestellten alten Mörser, der 
sich auf der „Ayesha" befand, die gesäurte Bewaffnung 
dieses Segelschiffes, das die ganze Handelsschiffahrt in den 
ostindischen Gewässern aufs höchste störte und beunruhigte 
und allen Verfolgungen der englischen Kreuzer trotzte. Die 
„Ayesha" kaperte nun einen ziemlich nwdernen englischen 
Kohlendampfer, die „Orford". Der größere Teil der deut 
schen Mannschaft siedelte auf den Danrpfer über, der nun 
als „Emden II" Jagd auf englische und französische Handels 
schiffe machte. Man fürchtete englischerseits, daß dieser 
„Emden II" eine Reihe Handelsfahrzeuge zum Opfer ge 
fallen seien, da von ostindischen Hafenbehörden rnehrere 
Handelsdampfer als überfällig gemeldet worden waren. 
Deshalb erließ die Marinebehörde in Rangun eine öffent 
liche Warnung vor „Ayesha" und „Orford" mit der ge 
nauen Beschreibung beider Schiffe. Dem Konnnandanten 
der „Enrden II" aber gelang es, durch alle französischen 
und englischen Flottenverbände hindurch Anfang Februar 
1915 Hodeida an der arabischen Küste zu erreichen, wo er 
und seine heldenhafte Mannschaft in Sicherheit waren. 
Dieser deutsche Wagemut zur See ist in der Seekriegs 
geschichte ohne Beispiel und wird nicht weniger ein glänzen 
des Ruhmesblatt bleiben als die Taten der „Emden". — 
Erfreuliches konnte die österreichisch-ungarische Marine- 
leitung im Dezember von ihrer Flotte melden. Ein Teil 
der französischen Flotte sollte damals vor den Dardanellen 
liegen, ein anderer an der kleinasiatischen Küste, um die
	        
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