Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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Das Seegefecht bei 
NarmouLh. 
«Hierzu die Bilder Seite 117—119 sowie die 
Karte Seite 116.) 
Über den kühnen Handstreich 
unserer Flotte vor Parmouth an 
der englischen Küste erhalten wir 
aus dem Schreiben eines Saar 
brücker Seemannes, der an dem 
Unternehmen teilgenommen hat, 
nachfolgende interessante Schilde 
rung: 
„Unsere Kreuzer waren am 
Dienstag, den 3. November, früh 
um acht Uhr an der englischen 
Küste eingetroffen, um die Stadt 
Parmouth, die nordöstlich von 
London liegt, zu beschießen. Es 
war dies ein für uns ehrenvoller 
Auftrag, weil bis zu diesem Tage 
noch niemals ein feindliches Schiff 
die englische Küste beschossen hat. 
Bei Dunkelwerden verließen wir 
die deutsche Küste. Ich fuhr die 
Kommandomaschine von vier bis 
acht Uhr nachmittags. Die Schiffe 
liefen durchschnittlich 39 Kilometer 
in der Stunde, also eine ganz 
nette Geschwindigkeit. Es war 
ruhige See und Heller Mondschein. 
Ailf allen Stationen wurde tlar 
zum Gefecht gemacht, und wir 
schliefen auf unseren Eefechts- 
stationen, teils am Deck, teils in 
den Netzhängematten. Viel Schlaf 
gab es aber nicht, denn überall 
wurden ja die letzten Schlachtvor 
bereitungen getroffen, jeden Au 
genblick konnten wir uns feind 
lichen Schiffen gegenübersehen, 
und dann ist es auch ein recht 
unbequemes Gefühl, wenn man 
zum erstenmal dem Feind wirk 
lich entgegenfährt mit der festen 
Absicht, nicht eher zu weichen, als 
bis die Aufgabe erfüllt ist. Wer 
kann es den Menschen verargen, 
daß sie am Leben hängen und 
wünschen, daß das Schiff den 
heimischen Hafen wieder erreichen 
möge. Um vier Uhr morgens 
löste ich wieder in der Maschine 
ab, wo es ruhig wie im Frieden 
herging. Nur der Eingeweihte, 
der Tag für Tag mit den gleichen 
Menschen seine Pflicht tut, merkt 
etwas Unruhe, denn alles ist auf 
die nächsten Stunden gespannt. 
Gegen sechs Uhr wird plötzlich 
Alarm angeschlagen, und schnell 
wie der Blitz ist alles auf den 
Gefechtstationen. Einige Minuten 
herrscht ein eiliges Hin- und Her 
laufen, dann ist ein jeder auf sei 
nem Posten. Nun kann's los 
gehen! Freude leuchtet aus allen 
Augen bis zum leitenden Ingenieur, der seine Gefechtstation 
ebenfalls in der Kommandomaschine hat. Wir fahren in 
mitten unzähliger englischer Fischerboote, die uns für Eng 
länder halten und uns zuwinken. So wird es acht Uhr 
am Morgen. Da plötzlich um acht Uhr zwölf Minuten 
fällt der erste Schuß. Man hört ihn kaum. War er von 
uns oder von unserem Hintermann? Das ist gleich. Der 
erste scharfe Schuß ist gefallen, und nicht lange brauchen 
wir nun auf die nächsten zu warten. Ein Krachen wie in 
der Hölle erhebt sich, leichte Schotten und Maschinenteile 
schütteln sich, als hätten sie Schüttelfrost. Unsere Artillerie 
beschießt die Stadt Parmouth, und wo unsere Geschütze 
hinlangen, da vergeht einem der Appetit zum Frühstücken, 
besonders wenn man Engländer ist und sich auf seiner 
Insel so ganz sicher wähnt. Ein feindlicher Kreuzer, be 
gleitet von Torpedobooten und einem D-Boot, greift uns 
an, muß aber nach kurzer Zeit den Kampfplatz ohne 
jeden Erfolg verlassen. - Bei uns an Bord herrscht eitel 
Freude. Die Heizer im Heizraum, die schon über vier 
Stunden vor dem Feuer sind, rufen andauernd hurra, und 
heizen wie toll, damit das Schiff ja schnell genug laufen 
kann. In der Maschine lacht jeder vor Freude, wenn 
eine Breitseite abgefeuert wird. Um acht Uhr zweiund 
dreißig Minuten verstummte das Feuer, und mit äußerster 
Kraft geht es nun wieder mit dem Kurs nach der deutschen 
Bucht zu. Da wir die deutsche Flagge an der Gaffel 
Aus dem Seegefecht bei Yar- 
mouth: Die deutschen Kreuzer 
begegnen englischen Fischern in 
der Nordsee. 
Nach einer Originalzeichnung 
von Professor Willy Stöwer. 
führten, so beeilten sich die Fischerboote, durch Heißen der 
Flagge ihre Nationalität bekanntzugeben. Waren es Englän 
der, so traten sie an die Reling, auch die Frauen und Kinder, 
und hielten die Hände hoch, zum Zeichen, daß sie nichts gegen 
uns im Schilde führten. Von den holländischen Fischern aber 
wurden wir freundlich begrüßt. Unbehelligt kamen wir in der 
nächsten Nacht wieder an unserem Ausgangspunkte an, wo ge 
meldet werden konnte, daß unsere Aufgabe erfüllt worden sei. 
Unsere Landsturmdruckerei in Nkontm^dy. 
(Hierzu die Bilder Seite 120.) 
Zu den Merkwürdigkeiten des modernen Krieges ge 
hört zweifellos die Einrichtung und der Betrieb einer 
Druckerei seitens unserer Heeres 
angehörigen. Wir sind in der Lage, 
aus einem uns zugegangenen Feld 
postbrief unseren Lesern folgende 
Einzelheiten hierüber mitzuteilen: 
AIs Verwalter des Karten 
magazins der Etappeninspektion 
unserer ... Armee zur hiesigen 
Etappenkommandantur abkom 
mandiert, erhielt ich von dieser 
eines Tages den Auftrag, die 
stillstehende Jmprimerie G. Pier 
rot, die in Friedenszeiten das 
wöchentlich zweimal erscheinende 
„Journal de Montmody" heraus 
gibt, auf ihre Betriebsfähigkeit zu 
untersuchen. Das Ergebnis dieser 
Untersuchung war zufriedenstel 
lend. Die Druckerei ist in einem 
Hinterhause untergebracht, das in 
einem Garten gelegen ist, und ge 
währt einen hübschen Ausblick auf 
das Tal der Chiers, die in unmittel 
barer Nähe unter den Fenstern der 
Setzerei, nur durch einen Weg und 
schmale Gärtchen von ihr getrennt, 
vorüberfließt. Unter dem Dach be 
findet sich das verhältnismäßig 
reichhaltige Papierlager, in einem 
kleinen Aufbau Schneide-, Per 
foriermaschine und anderes. An 
Maschinen sind vorhanden eine 
Schnellpresse und ein Tiegel mit 
elektrischem Antrieb, ferner eine 
Handpresse. Am 25. Oktober 1914 
wurde der Betrieb von uns eröff 
net mit einem Setzer und eineni 
Maschinenmeister. In kurzer Zeit 
hatte sich das Personal vermehrt 
auf drei Setzer, zwei Maschinen 
meister, einen Buchbinder und eine 
Ordonnanz, die das Amt des Haus 
meisters, Heizers, Austrägers ver 
sieht. An das französische System 
haben sich unsere wackeren Land 
sturmleute sehr schnell und gut ge 
wöhnt. Gedruckt werden amtliche 
Formulare, Befehle, Bekannt 
machungen, Fahrpläne, gelegent 
lich auch Gedichte, Postkarten, 
Grabreden und ähnliches. Den elek 
trischen Strom liefert das ebenfalls 
von Kameraden des Landsturms 
in Betrieb gesetzteElektrizitätswerk. 
Für Großbetrieb ist die Druckerei 
natürlich nicht eingerichtet; das 
Material ist teilweise sehr mangel 
haft, so daß mmt sich oft behelfen 
muß. Daß die Kunden aber mit 
den Leistungen der Druckerei zu 
frieden sind, beweist die immer 
größer werdende Zahl der Be 
stellungen. Alles Papier wurde bis 
her den Beständen des Druckerei 
besitzers entnommen, der uns sein 
Lager vertrauensvoll überlassen 
hat. Alles Entnommene wird genau 
notiert; am Schluß des Monats erfolgt dann die Berechnung 
des Papiers und der Entschädigung für Abnutzung der 
Maschinen und des Materials. Über den ermittelten Betrag 
erhält dann der Besitzer der Druckerei, Pierrot, von der 
Kommandantur einen Gutschein. Unser Verhältnis zunr 
Eigentümer, der etwas deutsch spricht, ist ein sehr gutes, 
was auch dadurch zum Ausdruck kommt, daß uns Meister 
Pierrot für unseren persönlichen Bedarf an Papier u.dergl., 
falls er uns derartiges nicht ganz als „Liebesgabe," wie er 
sich zu Weihnachten einmal ausdrückte, überläßt, nur ganz 
erheblich ermäßigte Preise anrechnet. Entsprechend ihrem 
militärischen Charakter ist die Druckerei jederzeit betriebs 
bereit. Dafür ein Beispiel. Gelegentlich der eines Abends
	        
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