Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Vierter Band. (Vierter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
bruchstelle erwählt, weil man auch durch ein Durchdrücken 
der deutschen Front dort über die Kleinbahn weg nach 
Wilna gelangen konnte, und weil ja Wilna das erhoffte Ziel 
aller russischen Durchbruchsversuche ist. Am Narotschsee hat 
ten die Russen auch einen kleinen Erfolg zu verzeichnen, den 
einzigen, den sie überhaupt in der ganzen Zeit der Ent 
lastungsoffensive aufweisen konnten. Auch hier arbeiteten 
sie mit einem Trommelfeuer, das den französischen Lehr 
meistern alle Ehre machte, auch hier lagen hinter dem 
Berestuschnisumpf Unmengen von Menschen und Geschützen 
wie Munition. Die Russen brauchen ja mit französischen 
und englischen Geldern nicht zu sparen. Tagelang brüllte 
Quartier deutscher Soldaten in einem litauischen Dorfe, 
Trainkolonne beim Haferladen am Njemen. 
Litauisches Gespann. 
Aus dem litauischen Seengebiet. 
dort der Sturm gegen uns an. Er vereinigte sich immer 
mehr auf eine vorspringende „Frontnase" zwischen den 
Dörfern Mokryza und Blisniki, die sich auf einem Höhen 
rücken hinzog. Sie ragte über den Sumpf empor und 
bot so treffliche Artilleriebeobachtung bis weit ins rus 
sische Gelände hinein. Bald wurde es klar, daß die Rus 
sen gegen diese Frontspitze flankierende Eeschützwirkung er 
zielten, so daß man, um unnötige Verluste und Schwächung 
der ganzen Front zu vermeiden, die erste Stellung aufgab 
und sich in die zweite Stellung hinter Blisniki zurückziehen 
mußte. Das geschah am Morgen des 21. März. Die 
Russen drückten mit Übermacht nach, aber sie steigerten nur 
ihre blutigen Verluste, die hier am 
Narotschsee, wie auch unten am Wisch- 
niewsee außerordentlich stark wurden. 
Den Eranatenhügel, eine der letzten 
Höhen unserer vorspringenden Stel 
lung. nahmen sie zwei Tage später, 
aber schon am 26. März brachte der 
glänzende Stoß tapferer westpreußischer 
Regimenter diesen Hügel und die an 
schließende Höhe wieder in unseren 
festen Besitz zurück und dazu gute 
Beute an Maschinengewehren und 1300 
Gefangene. 
Nun lag unsere Front wieder vor 
dem Eranatenhügel, sie bog aber hinter 
Blisniki immer noch ein Stückchen hinter 
unsere alte Stellung zurück- Ihr Eck 
pfeiler war dort-die Friemelhöhe, die 
so genannt' ist nach einem Pionier 
major, der sie zum erstenmal ausgebaut 
hat. Auf diese Höhe prasselte der wü 
tende Regen der Geschosse Tage und 
Nächte. Die Erde ist dort rein um 
gepflügt von Trichtern und Löchern. 
Auf eine halbe Stunde kam einmal 
ein russischer Stoß herein. Der Unter 
stand des dort kommandierenden Ba 
taillonskommandeurs war völlig zu 
geschüttet, und die Kompanien waren 
einen Augenblick ohne Führung. Aber 
alsbald drückte ein Gegenstoß die Ein 
dringenden wieder hinaus, und die er 
freuten Verteidiger gruben ihren tot- 
geglaubten Bataillonsführer wieder 
aus. Drei Korps der Russen liefen 
sich hier zuschanden, um den geplanten 
Durchbruch unter allen Umständen, 
mit allen Opfern zu erzwingen. Roch 
am 7. April stürmten neue Divisionen 
an und ließen ein dichtes Leichenfeld 
vor unseren Gräben liegen. 
Da beschloß unsere Führung, auch 
den letzten Schönheitsfehler aus den 
Tagen der russischen Entlastungsoffen- 
sive zu tilgen und die Nüssen auch 
aus ihren wenigen uns abgewonne 
nen Gräben zu vertreiben. Als am 
28. April morgens um vier Uhr nun 
das deutsche Trommelfeuer losbrach, 
da waren die Russen vollkommen über 
rascht. Sie hatten weder von der 
Heranführung von Truppen, noch von 
der Anfuhr von Munition irgend et 
was merken können, denn unsere 
Flieger hatten die ihren so gründlich 
niedergehalten, daß trotz der schönen 
Frühlingstage kaum einer sich aufzu 
steigen getraute. Das deutsche Trom 
melfeuer brauchte nur sechs Stunden 
lang zu wirken. Es war so gründlich 
berechnet, so mathematisch für jeden 
Abschnitt und jede Batterie ausgeklü 
gelt, daß wirklich „kein Auge trocken 
blieb". 
Schon während des Artilleriefeuers 
schlich sich am Narotschsee eine kleine 
Patrouille durch den Sumpf und dre 
niederen Sträucher und Bäume des
	        
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