Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Vierter Band. (Vierter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
leicht, die Zustimmung seines königlichen Herrn zu seinen 
weitausschauenden Plänen zu gewinnen. Er selbst schrieb 
einmal, daß er in den Fällen, wo seine und des Herrschers 
Meinung auseinandergingen, letzterem gesagt habe: 
„Dann müssen Eure Majestät die Gnade haben, selbst zu 
befehlen. Meine Weisheit ist zu Ende, ich kann keinen 
anderen Vorschlag machen." Nach solcher Erklärung sei es 
dann immer bei seinem Vorschlag geblieben. Der König 
habe aber dann stets die Großherzigkeit gehabt, zu erklären: 
„Moltke hat wieder einmal recht gehabt." Die Fülle der 
einzelnen „Ressorts", die für Moltke arbeiteten, war schon 
1870/71 eine große. Daß alle die fähigen Köpfe, die 
an deren Spitze standen, für den Feldmarschall mit auf 
opfernder Verehrung arbeiteten, das haben unter anderem 
die später veröffentlichten Schriften der Generale v. Verdi) 
und v. Blume und mancher anderen erkennen lassen. Es 
gehört auch zu den Erfordernissen eines Eeneralstabschefs, 
daß seine Untergebenen gern und begeistert für 
ihn arbeiten. Das ist auch ein Mittel zum Siege. 
Der jetzige Weltkrieg hat nun die Unterabteilungen, die 
sowohl die Chefs der einzelnen Heere als den Chef des 
Großen Eeneralstabs im Hauptquartier unterstützen müssen, 
ins Ungemessene vermehrt. Die Leitung der eintägigen 
Schlachten, die Moltke noch bei Königgrätz, Eravelotte, 
Sedan vom Gipfel eines Feldherrnhügels aus in der Hand 
hatte, hat sich jetzt bei der Ausdehnung der Schlacht 
fronten auf Hunderte von Kilometern in den Raum eines 
Zimmers verkrochen, in dem Dutzende von Telephon- 
und Telegraphendrähten zusammenlaufen. Die Führung 
in der Schlacht wird nicht mehr allein durch den Geistes 
funken, sondern auch durch den elektrischen Funken gewähr 
leistet. Weit hinter der Front, wo kaum das ferne Grollen 
des Schlachtlärms hinreicht, wird am grünen Tisch oder 
vielmehr an vielen Tischen, wo die Karten großen Maß 
stabes aufliegen, um das Schicksal der Heere gewürfelt, 
wie bei einem Kriegspiel; nur daß der Einsatz das Wohl 
des Vaterlandes bedeutet. Run ist eines bei dieser Art 
der Heeresleitung bemerkenswert und ausschlaggebend. 
Dem Feldherrn liegt ob die Entscheidung, der Siegeswille, 
der Entschluß — dem Eeneralstabschef die Erleichterung 
des letzteren durch klare Gruppierung aller eingegangenen 
Meldungen, aller Ressort- und Truppenberichte und am 
letzten Ende der Vorschlag, der sich auf diese alle gründet 
und der der eigenen scharfen Überlegung entspringt. Dieser 
Vorschlag, der kein aufdringlicher Rat sein darf, ist oft die 
Grundlage der Entschließungen des Feldherrn, aber nicht 
etwa eine geistige Anleihe, sondern ein williges Zusammen 
arbeiten großangelegter, einander ebenbürtiger Charaktere. 
Wir haben wie Dioskurenpaare in der deutschen Armee die 
Namen Hindenburg und Ludendorff, Mackensen und 
Seeckt und noch mehrere dergleichen. 
Ein geheimnisvoller Zauber umgibt das Gemach eines 
großen Feldherrn inmitten seiner Leitungsdrähte, an deren 
Enden die großen Kampfeinheiten sich bewegen, wie die 
Figuren auf einem weiten Schachbrett. Ein Ausforscher, 
der den österreichisch-ungarischen Generalissimus, General 
Conrad v. Hötzendorf, besuchen durfte, schilderte anschaulich 
seinen Eindruck mit folgenden Worten: „In diesem Hause 
sitzt das Hirn der vielen Armeen, die unter Habsburgs alten 
Fahnen Schlachten schlagen; von hier aus laufen die vielen 
tausend Fäden zu den Fronten der österreichisch-ungarischen 
Heere, von der Strypa bis zum Adriatischen Meere, von 
Polen bis Albanien, von Bessarabien bis zum Stilfser 
Joch ..." In diesen stillen Mittelpunkten höchster geistiger 
Arbeit entstehen die gewaltigen Pläne, die die Völker 
geschicke entscheiden. Bisher kann man die Persönlichkeiten, 
die sie entworfen und der Ausführung entgegengebracht 
haben, meist nur ahnen. Später aber, wenn sie erst das 
Licht der freien Geschichtsforschung umstrahlt, werden die 
geistigen Urheber der großen Schlachten und der riesigen 
Erfolge einziehen in die Gedächtnishalle des deutschen 
Volkes — in eine geistige Walhalla, die den Sturm der 
Jahrhunderte überdauern wird. 
Kriegsbeute. 
Von Eugen Kaltschmidt, Kriegsberichterstatter. 
iHterzu das BUd Seite 487.) 
Auf alten Schlachtenbildern ist die Kriegsbeute als 
Staffage beliebt: versprengte Rosse irren wiehernd über das 
Eefild, bunte Uniformstücke, blitzende Kürasse und Säbel, 
zerschossene Fahnen und Standarten säumen 
die Straße, Verwundete erheben sich stöhnend, 
und der Feldherr mit seinem glänzenden Ge 
folge reitet in tiefen Gedanken, vom blutroten 
Schein der „Sonne von Austerlitz" oder eines 
anderen Gestirns umstrahlt, majestätisch über 
die Bühne Ja, unwillkürlich sagt man Bühne, 
denn das alles kommt uns heute sehr theatra 
lisch vor. ist es ja meist auch. Die moderne 
Schlachtenmalerei wird auf solches Zubehör 
verzichten müssen. Das verlorene Gut der 
heutigen Schlachten sieht ganz anders aus, 
viel nüchterner, unscheinbarer und kaum sehr 
dekorativ. Deswegen hat es aber keineswegs 
aufgehört, gute Beute zu sein, und mit Ge 
nugtuung meldet jede Kompanie, jedes Regi 
ment nicht nur die erstürmten Gräben und 
Blockhäuser, sondern auch die eroberten Ma 
schinengewehre, Minenwerfer und Geschütze. 
Das ist aber doch nur ein kleiner Teil des 
Kriegsmaterials, das im Felde liegen bleibt, 
entweder zurückgelassen oder erobert wird. 
Die kämpfende Truppe hat meist keine Zeit, 
die weggeworfenen Gewehre, Helme und 
Tornister, die verstreuten Patronen und 
Handgranaten, die Uniformen, Stiefel, Sandsäcke, Spaten 
und Hacken säuberlich aufzulesen. Dafür sind besondere 
Aufräumungskommandos da, die das Feld hinter der Front 
absuchen, die Toten bestatten und alles irgendwie brauch 
bare Material und Gerät an die Eütersammelstelle 
derjenigen Armee abführen, in deren Bereich der Kampf 
stattgefunden hat. 
In der guten alten Zeit war der Krieg der größte Ver 
schwender. Wie wenig er das heute ist, lehrt ein Gang durch 
die Baracken einer solchen Sammelstelle, wie sie zum Bei 
spiel für die Beute aus den Kümpfen vor Verdun besteht. 
Man staunt ein Mal übers andere, was hier alles eingeliefert 
wird. Von der zerschossenen schweren Kanone bis zur leeren 
Konservenbüchse — es kommt nichts um! Die ungeheure 
Werkstatt des Krieges kann alles wieder brauchen. Was 
im Frieden die Mühe des Bückens nicht lohnte, das bringt 
der Krieg zu Ehren. Man meint in einem großen Lager 
von Altwaren zu sein und. erfährt dann, daß der gesamte 
Bestand binnen wenigen Tagen erneuert wird. Ungeordnet 
oder doch nur ungefähr in Gruppen abgetrennt, kommen 
die Güter vom Felde herein; gesammelt, gesichtet, verpackt 
und verstaut rollen sie auf den Schienen wieder hinaus. 
In zwei große Abteilungen sind die Dinge getrennt: 
zur ersten gehören alle verwendbaren Waffen, Geschütze, 
Wagen und Geräte, die nach Reinigung oder leichter Aus 
besserung wieder an der Front brauchbar sind. Die zweite 
Abteilung umfaßt alle Gegenstände, dienurnoch alsRohstoffe 
verwendet werden können. Es ist begreiflich, daß die erste Ab 
teilung verhältnismäßig klein, die zweite dagegen sehr groß ist.
	        
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