Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Vierter Band. (Vierter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
in Montenegro, wohin sich die Serben in ihrer ersten Angst 
wandten, selbst eine schwere Hungersnot herrschte, wurden 
die unglücklichen Flüchtlinge von dort nach Skutari ab 
geschoben, wo man sie ihrem Schicksale überließ. 
Da auch in Serbiens Hauptstadt ein unglaubliches Elend 
herrschte, so war es die erste Sorge des k. u. k. Militär 
generalgouvernements, sich der Bevölkerung anzunehmen 
und sie vor allem durch Errichtung von Volksküchen und 
Suppenanstalten vor dem Hungertode zu bewahren. Hierauf 
kamen die Krankenhäuser und Quarantäneanstalten an die 
Reihe, um in den entsetzlichen gesundheitlichen Verhältnissen 
Wandel zu schaffen, die während der drei Kriege, die das 
Land zuletzt mitgemacht hatte, eingetreten waren. 
Als dann mit vollem Erfolge diesen dringendsten Be 
dürfnissen Rechnung getragen worden war, schritt man zur 
Herstellung von Magazinen, um in diesen die von den 
Flüchtlingen zurückgelassene Habe gesichert unterzubringen. 
Noch während hieran gearbeitet wurde, richteten die braven 
Feldgrauen die zerstörten Ortschaften und einzelnen Häuser 
und Hütten so weit her, daß 
sie von den im Lande Ver 
bliebenen wieder bezogen wer 
den konnten, legten Gärten an 
und bebauten die so lange brach 
gelegenen Acker. 
Gleichen Schritt mit diesen 
Werken hielt eine gründliche 
Volkszählung, die Neuanlage der 
Kataster, die Erbauung neuer 
und die Wiederherstellung alter 
Straßen und Verbindungswege, 
sowie die Einführung der man 
nigfaltigsten Wirtschafts-, Han 
dels- und Gewerbebetriebe wie: 
Gerbereien und Lederfabriken, 
Molkereien und Dampfwäsche 
reien, wobei die Wiederauf 
nahme der Blei- und Kohlen 
grubenarbeiten in Ripanj, Maj- 
danbeg und Vlaska nicht ver 
gessen wurde, die Tausenden 
arbeitsloser Menschen eine Le 
bensmöglichkeit schuf. 
Als Österreich-Ungarn die 
Verwaltung Serbiens in die 
Hand nahm, lag das Unter 
richtswesen nahezu völlig dar 
nieder, denn seit dem Balkan 
kriege, infolge des nach seinem 
glücklichen Ende im Volke auf 
gestiegenen Größenwahns, be 
suchte die Jugend die Schule 
überhaupt nicht mehr, sondern 
beschäftigte sich im Verein mit 
den Erwachsenen lieber mit der 
Politik. Zudem war während 
des Weltkrieges auch die Mehrzahl der Schulgebäude zer 
stört worden. 
Hier schafften die Österreicher und Ungarn ebenfalls rasch 
Wandel. Nachdem die'Schulhäuser nicht allein wieder auf 
gebaut, sondern auch an Zahl vermehrt worden waren, 
wurde der Unterricht ungesäumt eröffnet. Von Unteroffi 
zieren geführt, die in ihrem Zivilberufe dem Lehrerstande 
angehören, waren schon sehr bald erstaunliche Ergebnisse zu 
verzeichnen, und die bisher auch in ihrem Äußeren gänzlich 
vernachlässigte Schuljugend zeigte sich dem Beschauer bereits 
nach kurzer Zeit in einer ganz anderen, vorteilhaften Art, 
die Zeugnis gibt, wie die österreichisch-ungarischen Feldgrauen 
auch in der Schule Ordnung und Zucht zu halten wissen. 
Neben zwanzig Schulen in Belgrad und Umgebung, die 
bereits im Betriebe stehen, wurde, auch zur Schaffung von 
Kinderbewahranstalten geschritten, um so einer Forderung 
unbedingter Notwendigkeit zu entsprechen, denn die Zäh 
lung hatte die Zahl von 10 000 elternlosen Kindern er 
geben. In diesen Anstalten stehen die Kleinen in völliger 
Fürsorge, sie werden getränkt und gespeist und von den zu 
rückgebliebenen Familien überwacht und betreut — selbst 
verständlich gegen Entschädigung aus österreichisch-unga 
rischen Staatsmitteln. 
Was die verwahrloste halbwüchsige Jugend betrifft, 
so erhält sie ihre Ausbildung so lange in landwirtschaftlichen 
und gewerblichen Kursen, bis die geplanten Fachschulen 
für Knaben und Mädchen zur Wirklichkeit geworden sein 
werden. Sämtliche Kinder armer Eltern werden in der 
mit jeder Schule verbundenen Suppenanstalt unentgeltlich 
verköstigt, ein Schulgeld wird überhaupt nicht erhoben, und 
die Ausgabe der Lehrmittel erfolgt kostenlos. 
Die Hauptstadt beginnt aus Schutt und Trümmern neu 
zu erstehen. Überall herrscht eine rege Bautätigkeit, sämt 
liche Geschäfte, Gastwirtschaften und Kaffeehäuser sind er 
öffnet und stark besucht, auf den Straßen herrscht reges 
Leben, und alles wird überstrahlt von dem Lichte der neu 
errichteten großen Elektrizitätswerke, die auch die Straßen 
bahnen betreiben. 
Diese Wohlfahrtseinrichtungen und die streng beobachtete 
Zucht und Ordnung machen auf die Bevölkerung einen 
tiefen Eindruck, und so ist es nicht zu verwundern, wenn an 
fangs vereinzelt und schüchtern, später in hellen Hausen 
und mit erwachendem Vertrauen in die Neugestaltung der 
Dinge die Flüchtlinge zurück 
kehrten und die Einwohner 
schaft der Städte und Dörfer 
um 60 000 Köpfe vermehrten. 
Das k. u. k. Militärgeneralgou 
vernement in Serbien ist in 
Kreiskommandos geteilt, die 
wie die einzelnen Gemeinden 
unter militärischer Leitung ste 
hen. Und wie sich diese be 
währte, bewiesen die sich täglich 
ereignenden Fülle, in denen bis 
her Heimatlose sich wieder seß 
haft machten. 
So vergilt Österreich-Ungarn 
dem Lande die jahrelangen Um 
triebe gegen seinen Bestand und 
die entsetzlichen Leiden, die seine 
Kriegsgefangenen in Serbien 
durch ein langes Jahr zu er 
dulden hatten! 
Die Aufteilung 
Europas. 
Von Paul Otto Ebe. 
(Hierzu die Karte Leite 452.) 
Wir Deutsche sind in unseren 
Äußerungen über die Kriegs 
ziele von Anfang an sehr zu 
rückhaltend gewesen. Erst die 
weltberühmte Kanzlerrede brachte 
nach eineinhalb Jahren Krieg 
eine Äußerung über die Kriegs 
ziele der Gegenwart und über 
die Friedensbedingungen der 
Zukunft in großen Zügen. Es 
war dies das Recht, vielleicht auch die Pflicht des 
Siegers! 
Unsere Feinde dagegen haben von den ersten Stunden 
des Weltkrieges an nie unter Programmlosigkeit gelitten. 
Ihre Kriegsziele waren von Anfang an auf einen geo 
graphischen und wirtschaftlichen Eroberungskrieg zuge 
schnitten. Erst wenn man sich vergegenwärtigt, wie über 
alle Maßen hochfahrend die Zukunftspläne unserer Gegner 
zu Beginn schon waren, wird man allmählich begreifen, 
wie es kommt, daß sie auch dann noch, als sie nach bedeu 
tenden Niederlagen, die ihnen beträchtliche Ländereien 
kosteten, strategisch und taktisch nur Mißerfolge erzielt hatten, 
mit anmaßenden Zukunftsplänen liebäugelten, die uns an 
gesichts der Lage fast unverständlich erscheinen. 
Unsere Karte Seite 452 ist die Wiedergabe eines jener 
Meisterwerke französischer Phantasie, wie sie in ganz Frank 
reich von gebildeten Leuten entworfen — in unserem Falle 
ist es Mademoiselle Magda, Prokesseur aux Ecoles de la 
Ville de Paris — und in großer Menge abgesetzt wurden. 
„E'Europe kuture de demain" ist die Überschrift, und wie 
die Franzosen sich das künftige Europa dachten, geht aus 
den erläuternden beiden Sätzen hervor: „Zerstückelung der 
Kaiserreiche Deutschland und Österreich-Ungarn, Zerfall des 
Königreichs Preußen." 
Phot. Berl. JNustrat.-Ges. m. b. H. 
Feldmarschalleutnant Weber v. Webenau, 
Militärgouverneur von Montenegro, dessen Jnfanterietruppen- 
division unter seiner Führung den Lovcen eroberte.
	        
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