Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Vierter Band. (Vierter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
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ermöglichen den Pionieren, die Annäherungshindernisse 
zu erkunden und zu zerstören. 
An einem Waldstück, dicht hinter seinen Truppen hält 
der Brigadekommandeur mit seinem Stabe und den zu 
geteilten Artillerieoffizieren. Die Befehle sind hinaus 
gegangen; wir sitzen und warten. Drei Telephonleitungen 
führen zu den beiden Regimentern und zur Artillerie. 
Drei Ohren lauschen aufmerksam. 
Die Nacht ist kalt und klar. Gleichmäßig rollt das Ar 
tilleriefeuer. Das Telephon erklingt ab und zu und bringt 
die Meldungen aus der Schützenlinie. Wir wachen und 
warten. Der Körper erschauert unter der Kälte. Der 
Mond verblaßt. Der Morgen naht mit ungewissem Däm 
mern. In raschester Folge krachen und donnern die Ge 
schütze — die letzte Vorbereitung zum Sturm. 
Die Reserven marschieren an uns vorbei. Lautlos 
schiebt sich die vielgliederige Masse vor; grau in grau. Im 
dämmernden Frühlicht sehen die Soldaten wie gepanzert 
aus, gepanzert von Kopf bis zu Fuß. Eine Masse von 
Stahl ist es, die da lautlos, unwiderstehlich vordrängt in 
den Kampf. Mit einem Schlage verstummt das Artillerie 
feuer. Eine Sekunde herzbeklemmender Stille. Dann setzt 
das Prasseln der Gewehre um so wütender ein — jetzt 
stürmen sie. 
Vivatbänder. 
Von Paul Otto Ebe. 
(Hierzu die Bilder Seite 37t und 378.) 
Welch ein Unterschied zwischen einer Siegesfeier in den 
Zeiten FriedrichsdesGroßenundeinersolchenvonheutzutage! 
Besonders nach den Siegen bei Roßbach und Leuthen 
brauste ein Jubelsturm durch das ganze Land. Feiertage 
in des Wortes ursprünglichster Bedeutung wurden mitgelebt 
von jung und alt, Hoch und niedrig. Jeder nahm persönlich 
den tiefsten Anteil und zeigte dies auch ganz offen. Auf 
den öffentlichen Plätzen und Straßen bewegten sich frohe 
Menschen. Von ihren Hüten, Stöcken und Degen, aus 
Knopfloch und Westentasche oder Gürtel flatterten Vivat 
bänder als Zeichen der öffentlichen Anteilnahme. Sie 
waren mit dem Namen des verehrten und geliebten Königs 
geschmückt und trugen, von zierlicher Umrandung eingefaßt, 
neben Darstellungen von Wappen, kriegerischen Auftritten, 
Beutestücken, auch sinnige Denksprüche in gebundener 
Rede, durch die die großen Ereignisse dargestellt und 
erläutert werden sollten. Eine größere Menge dieser 
schmucken Siegesbänder, die ihre Bezeichnung nach dem 
über dem Namen des Königs angebrachten „Vivat" — er 
lebe! — erhalten haben, sind heute noch aufbewahrt im 
Hohenzollernmuseum in Berlin. 
Neben Kriegsnagelungen, Kriegsopferstöcken hat man 
auch versucht, die Vivatbänder zum Besten der Kriegs 
fürsorge und des Roten Kreuzes wieder einzuführen. Nicht 
allein deshalb, weil dadurch eine neue Quelle zur Linderung 
der Kriegschäden an unseren Verwundeten, Erkrankten, In 
validen, Kriegswitwen und -waisen erschlossen würde, wäre 
die Wiedereinführung des alten deutschen Brauches sehr zu 
begrüßen, sondern auch weil sie eine neue Befruchtung des 
daniederliegenden Kunstgewerbes ermöglichen würden. 
Der Versuch wurde gemacht, doch stand man ihm ab 
lehnend gegenüber. Teils mag es wohl die Unkenntnis des 
schönen alten Brauchs überhaupt oder doch seiner Anwen 
dung gewesen sein, teils jedoch auch der Gedanke, sich 
bei der heutigen „verinnerlichten" Siegesfreude bei her 
vorragenden Waffentaten unserer wackeren Kämpfer zu 
Wasser und zu Lande nicht mehr so gegen alle Regeln der 
neuzeitlichen Gewohnheit persönlich zu schmücken. Kurzum, 
die meisten Vivatbänder wurden nicht getragen, sondern 
verschwanden als Lesezeichen in den Büchern, womit der 
Bedarf nur zu rasch gedeckt war. 
Wie an dieser Stelle schon des öfteren Gelegenheit ge 
nommen wurde, auf die Möglichkeiten hinzuweisen, für 
Zwecke der Linderung von Kriegselend neue Geldquellen 
zu erschließen — es sei nur an die Kriegsopferstöcke er 
innert — so sei auch diesmal ein Weg gezeigt, der einem 
anscheinend längstvergessenen alten Brauch zur Auferstehung 
verhelfen könnte.
	        
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