Die Geschichte des Weltkrieges 1914/17
(Fortsetzung.)
Die erbitterten Schlachten an der deutschen Westfront,
wo die Engländer und Franzosen den Monat Mai über
mit allen Kräften im Angriff blieben, während die Deut
schen in der Verteidigung und im Gegenstoß fast Über
menschliches leisteten, begannen gegen das Ende des Monats
etwas abzuflauen. Das Kennzeichnende der neuen Verteidi
gungsart der Deutschen blieb die angriffsweise Verteidigung,
der kraftvolle Gegenstoß (siehe Bild Seite 36/37), wenn sich
der Feind am Ziel seiner Wünsche glaubte. In dem Ge
wirr der Eranattrichter und Stellungstrümmer kam es
dann häufig zu den blutigsten Nahkümpfen, die mitunter
bis zur Erschöpfung beider Gegner durchgefochten wurden.
Nach heftigster Feuervorbereitung unternahmen am
20. Mai die Engländer mit großen Massen wieder einen
Vorstoß. Er war nicht so breit angelegt wie frühere ähn
liche Angriffe, doch erstreckte er sich beiderseits der Straße
Arras—Cambrai immer noch über 12 Kilometer. Der von
den Engländern erhoffte Erfolg war dem Vorstoß aber nicht
beschieden. Die Deutschen hatten die Zusammenziehung
sehr starker feindlicher Streitkrüfte erkannt und richteten ein
äußerst heftiges Artilleriefeuer auf die Sturmtruppen, von
denen nur eine Division in der Gegend von Croisilles unter
schwersten Opfern vorzudringen und die durch die voraus
gegangene Beschießung schwer erschütterten Stellungen
einer deutschen Kompanie einzunehmen vermochte. Alle
Versuche, über dieses Stück des vordersten Grabens hinaus
zukommen, wurden von den Deutschen verhindert; die Eng
länder büßten bei diesen neuen Bemühungen sogar 2 Offi
ziere und 43 Mann als Gefangene (siehe untenstehendes Bild)
und 3 Maschinengewehre ein. Von den Deutschen angesetzte
Gegenunternehmungen verliefen glücklich und hatten zur
Folge, daß der Feind aus dem gewonnenen Stellungstück
wieder verdrängt wurde. Am Nachmittag gingen die Eng
länder aber von neuem mehrmals in Divisionsbreite in dich
ten Wellen vor, doch nur bei Fontaines gaben die Deutschen
ein vorspringendes, ebenfalls zerschossenes Grabenstück auf.
Bei Bullecourt stießen die Engländer in der Nacht zum
21. Mai lebhaft vor, doch wurden sie mit Handgranaten
oder im Nahkampf wieder zurückgetrieben. Auch die tag-
über fortgesetzten Kämpfe führten keine Änderung der Lage
herbei; sie zeitigten für die Angreifer nur schwere Verluste.
Das Artilleriefeuer, das an diesem Tage ander Scarpeund
im Raume von Oppy und Loos auf die zum Teil tief unter
der Erde gelegenen deutschen Stellungen (siehe Bild Seite 34)
unterhalten wurde, griff auch recht lebhaft auf die Front
von Ipern über. Größere Jnfanteriegefechte ereigneten
sich aber auf diesem äußersten nördlichen Flügel noch nicht.
Bei Hulluch und Bullecourt am 22. Mai ausgeführte
Teilangriffe der Feinde endeten im deutschen Abwehrfeuer
kläglich, so daß die Engländer ihrer Artillerie wieder die
Hauptarbeit zuwiesen. Tags darauf kam es nur 311 bedeu
tungslosen Kämpfen zwischen Streiftruppen im Vorfeld.
Um diese Zeit lag das Artilleriefeuer der Feinde mit
verstärkter Gewalt auf den hinter der deutschen Front
liegenden französischen Ortschaften. Ohne die geringste
Rücksicht auf die französische Bevölkerung und deren Besitz
wollten die Engländer die rückwärtigen Verbindungen und
Lagerplätze der Deutschen dauernd stören und schädigen,
um das Herbeiführen und Ansammeln von Unterstützung
streitkräften zu verhindern, was ihnen freilich nicht gelang.
Dagegen litt die unglückliche Bevölkerung unter der Rück
sichtslosigkeit der Bundesgenossen ihres eigenen Heeres ganz
gewaltig. St. Quentin wurde Tag für Tag immer mehr
in einen Trümmerhaufen verwandelt. Das gleiche Schicksal
hatten die Engländer anscheinend auch der über 15 Kilo
meter hinter der deutschen Front liegenden Stadt Douai
zugedacht. Während sie bei St. Quentin ihr Vernichtungs
werk mit der Behauptung zu beschönigen suchten, daß die
Stadt ein Bollwerk innerhalb der deutschen Verteidigungs
linien bilde, fiel dieser Scheingrund für Douai vollkommen
weg, und die Beschießung ließ sich um so weniger rechtferti
gen, als der Ort der Sammelplatz der vielen Tausende ver
triebener Franzosen war, die durch die Schlacht bei Arras
ihr Obdach verloren hatten. Unter ihnen richteten die Gra
naten aus den größten Schiffsgeschützen der Engländer oft
genug furchtbare Blutbäder an.
Am 24. Mai glaubten die Engländer, die Höhe 70 bei
Loos sturmreif geschossen zu halxn Die günstige Wind-
Abtransport gefangener Engländer durch eine der in Trümmer liegenden Ortschaften des Kampfgebietes vor Arras.
VII. Band.
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