Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Siebenter Band. (Siebenter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
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Eine Weile suchte er das Gelände ab, ohne etwas Ver 
dächtiges zu gewahren. Plötzlich aber stutzte er. Bewegte 
sich da ganz hinten auf dem Feldwege, der zum Grenzwald 
hinführte, nicht etwas wie ein Wagen? Er stellte das Glas 
schärfer ein. In der Tat — es war ein zweiräderiger Bauern 
karren, wie sie hierzulande üblich waren. Das wäre also 
an sich nichts Besonderes gewesen, es hätte ja auch ein für 
Heereszwecke in Anspruch genommenes Gefährt sein können. 
Was ihm indessen Bedenken einflößte, war der Umstand, 
daß der Wagen außergewöhnlich schnell fuhr und auf jenem 
ganz entlegenen Wege, der weitab von der deutschen 
Etappenstraße lag. Die Sache mußte deshalb unbedingt 
aufgeklärt werden. 
Rasch stieg der Mann wieder aufs Rad. Er kannte die 
Gegend hier gut; so gelang es ihm, querfeldein auf den 
an das Gefährt und sah nun, wer die Insassen waren: ein 
Bauer und neben ihm eine offenbar schon ältliche Frau vom 
Lande, dicht in Kopf- und Umschlagetücher eingewickelt. 
,;Wer sind Sie? Wo wollen Sie hin?" fragte der Soldat. 
Der Bauer zog mit ängstlicher Beflissenheit den Hut. 
„Ich — ich bin Jean Pierre, mein Herr, aus Etienne-au- 
Bois dahinten" — er wies mit der Peitsche rückwärts —, 
„und das hier ist meine Tante, Madame Eugsnie Boucher. 
Die arme alte Frau ist krank, schwer krank. Darum will sie 
hinüber nach Verennes, wo ihre einzige Tochter verheiratet 
ist, die sie pflegen soll." 
„So — nach Verennes? Und da fahren Sie aus 
gerechnet diesen Weg? Sie wissen doch sicher recht gut, daß 
Verennes dorthinaus liegt" — er zeigte nach der Richtung—, 
„und daß dieser Weg direkt nach der Grenze führt, ohne 
Nach einem Originalgernälde des k. k. Standschützenleutnants und Kriegsmalers Hans Bertle. 
Stegen zwischen den Fluren hinüberzukommen auf den 
betreffenden Weg. Der Wagen war dort nicht mehr zu 
sehen, aber wie er in der Richtung hinter ihm her eilends 
weiterfuhr und nun eine Erhebung des Bodens erreichte, 
tauchte das Gefährt plötzlich wieder vor ihm auf — schon 
ziemlich nahe dein Walde. Mit Vollgas raste er da hinter 
den Verdächtigen her. 
Das wilde Knattern des herannahenden Motorrades 
mußte jetzt auf dem Wagen gehört worden sein. Aus dem 
Halbverdeck vorn streckten sich rechts und links zwei Köpfe, 
zuckten aber gleich wieder zurück. Dann sah man die Peitsche 
das Pferd zum Äußersten antreiben. Als aber das heran 
knatternde Rad immer näher kam, schienen sich die Wagen 
insassen anders entschlossen zu haben — das Gefährt hielt 
plötzlich an. 
Ein paar Augenblicke später war die Patrouille heran 
und sprang vom Rade. Das Gewehr in der Hand, trat sie 
überhaupt noch einmal eine einzige Ortschaft zu be 
rühren !" 
„Nichts weiß ich, mein Herr, ich schwöre es Ihnen!" Be 
teuernd preßte der Bauer die Hand aufs Herz. „Ich bin 
fremd hier in der Gegend — ganz fremd — erst durch die 
Kriegswirren hierher verschlagen worden — evakuiert, von 
weiter da vorn, wissen Sie. O dieser Krieg, mein Herr — 
entsetzlich! Welch Unglück für Sie und uns, für alle Welt!" 
„Lassen Sie nur, mein Bester ! Die Litanei kenn' ich zur 
Genüge. Zeigen Sie mir lieber mal Ihren Ausweis." 
„Ausweis?" 
„Nun ja doch! Selbst wenn Ihre Angaben richtig wären, 
müßten Sie doch von Ihrer zuständigen Kommandantur 
einen Ausweis haben. Also her damit!" 
„Dem Ausweis? Natürlich —natürlich!" Aber man sah 
dem Mann die tödliche Verlegenheit an, und ratlos wandte 
er sich nun zu der alten Frau neben ihm. „Geh, Tante, so
	        
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