Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Sechster Band. (Sechster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/17. 
zur Verfügung standen. Der Artillerieangriff geschah nach 
französischem Muster. Ein ungeheures Trommelfeuer wurde 
in seinem Erfolg noch unterstützt durch den leicht zerrinnbaren 
Sand, in dem sich die vorderen Linien der Deutschen ein 
genistet hatten. Das Kennzeichnende des russischen An 
griffs aber lag doch in dem rücksichtslosen Vorpeitschen der 
dichten Jnfanteriemassen. Es ist berichtet worden, daß an 
einzelnen Kampforten 23 Angriffswellen hintereinander 
nutzlos hingeopfert wurden. Alle Anstürme brachen meist 
vor den deutschen Hindernissen zusammen, und den Rest be 
sorgte der Handgranatenkamps. Von Süden, Südosten und 
Osten drückte Brussilow gegen die Front, die ihm Kowel 
versperrte. Russische Massengräber entstanden an den Ufern 
des Stochods. AIs am 30. Juli der dritte Tag des allge 
meinen Angriffs anbrach, konnte man die russischen Leichen 
felder überblicken. Unerschütterlich blieben die deutsche Füh 
rung und das tapfere Heer, so daß auch das Ergebnis des 
31. Julis und des ersten Augusttages darin bestand, datz von 
den Feinden kein entscheidender Schritt auf dem Wege 
nach Kowel gemacht war. 
An den nächsten Augusttagen herrschte etwas Ruhe, und 
einzelne russische Stotzgruppen zeigten die Zermürbung der 
Angriffswellen. Aber immer noch nicht wurde das Ziel 
Kowel fallen gelassen. Turkestanische Truppen wurden 
herangeführt, und ein zweiter gewaltiger Ansturm begann 
am 8. August. Die vorderen Angriffswellen wurden von 
Offizieren geführt, die hinteren mit geschwungenen Peit 
schen vorgetrieben. Aber auch jetzt blieb das strategische Ziel 
unerreicht. Kleine taktische örtliche Erfolge hatte der Russe 
mit einem blutigen Verlust von mehr als 100 000 Mann 
bezahlt. Kowel blieb in den Händen der verbündeten 
Truppen. 
Ein gleiches Schicksal war der russischen Offensive gegen 
Baranowitschi und gegen Lemberg beschieden. General 
oberst v. Woyrsch hielt die Wacht an der Schtschara und am 
Serwetsch. Ein sehr starkes Artilleriefeuer setzte am 13. Juni 
gegen die Stellungen ein. An einzelnen Orten warf der 
Gegner gegen 12 000 Schutz auf die Gräben. Auch hier 
trieb er seine Kämpfer wiederholt in der rücksichtslosesten 
Weise vor; sie brachen aber zusammen. Run gruppierten 
sich die Russen um. Unter ihrem Führer, dem General 
Lesch, sollten die beiden Armeekorps 9 und 25 die Scharte 
auswetzen und namentlich die k. und k. Truppen über 
den Haufen rennen. Die Tage vom 3. bis zum 9. Juli 
haben Kümpfe von unerhörter Heftigkeit gezeitigt, die in 
der Front des Landwehrkorps und in den österreichisch-un 
garischen Stellungen nördlich vom Koldytschewosee ausge- 
fochten wurden. Aber überall fluteten die Massen des 
Feindes zurück, zerstreut von dem schweren Artilleriefeuer 
der Batterien. Eine kurze Zeit flauten die Kämpfe ab, dann 
gingen die Verbündeten zum Gegenangriff über. Am 
25. Juli hatten sich die Russen verstärkt. Drei neue Di 
visionen suchten einzubrechen, aber mit Granaten und Bajo 
nett wurden sie zurückgeworfen. Nun trat die Ruhe der 
Erschlaffung ein, und am 29. Juli war die Reihe der Kämpfe 
um Baranowitschi zu Ende. Einige hundert Meter Schützen 
graben hatten die Feinde gewonnen, aber sie hatten den 
Gewinn, der nur ein geringer taktischer genannt werden 
kann, mit etwa 40 000 Toten und 60 000 Verwundeten 
bezahlt; dazu kamen noch fast 6000 Gefangene. 
Das dritte strategisch-politische Ziel der Russen war, 
wie erwähnt, die Hauptstadt Galiziens, Lemberg. General 
Sacharow hatte den rechten Flügel der k. u. k. Truppen, 
die Armee Boehm-Ermolli, Ende Juli zurückgedrängt. 
Man wollte in den schweren Käurpfen der ersten August 
tage auf russischer Seite ein weiteres Zurückgehen dieser 
Verteidigungsgruppe erreichen, um den Nordflügel der 
Armee des Grafen Bothmer zu gefährden. Aber diese 
hielt in zähester Verteidigung die Strypafront. Es ent 
spann sich ein langer Kampf um den Sereth, und um 
jeden Schritt Boden haben die k. u. k. Truppen gerungen. 
Dann setzten Gegenangriffe deutscher Divisionen ein und 
verhinderten die weiteren Versuche des Gegners, am 
Sereth südöstlich von Horodyscze Raum zu gewinnen. 
Die Russen verlegten wiederholt ihre Hauptangriffspunkte, 
zum Beispiel in den Raum von Zalocze, aber immer waren 
die Deutschen rechtzeitig zur Stelle. Dann lietz General 
Sacharow von der Front Boehm-Ermolli ab und wandte 
sich gegen die Heeresgruppe des Grafen Bothmer. Sie 
hielt mit deutschen, österreichischen und ungarischen Truppen 
die Wacht Zwischen Dnjestr und Sereth. Es wurde um 
Buczacz gerungen, und dann versuchten die Feinde im 
Raume von Burkanow vorzudringen. Vergeblich. Bald 
richteten sich die russischen Massen gegen den Nordflügel, 
bald gegen den Südflügel Bothmers. Endlich mutzte sich 
die tapfere Führung entschließen, die bisherige Front 
aufzugeben. Die Verteidiger wurden in neue vorbereitete 
Stellungen zurückgenommen. Nun versuchten die Feinde 
Mitte August im Raume von Monasterzyska und Horo- 
zanka ihre Gegner weiter nach Westen abzudrängen. Der 
Versuch mutzte nach vielen blutigen Schlappen der Russen 
aufgegeben werden, und seit dem 17. August stand die Hee 
resgruppe Bothmer in fast geradliniger Front zwischen 
den beiden Armeen Boehm-Ermolli und Kävesz. Die 
Umfassung der Armee Bothmer war den Feinden mitz- 
lungen. Die Führung hatte es verstanden, die einheitliche 
Front aufrecht zu erhalten. 
Aufbringen eines Seglers durch ein 
deutsches Marineluftschiff. 
«Hierzu das Bild Seite 8611385.» 
In der Luftschiffhalle zu ... herrscht ein emsiges Treiben. 
Die Obermaschinistenmaate klettern in die Motorstände 
des Luftschiffs, die Luftschrauben werden zur Probe an 
geworfen, ihr brausendes Dröhnen erfüllt die Halle. Die 
seemännischen Unteroffiziere prüfen die Rudereinrichtungen, 
Munition wird an Bord getragen und nach einer Stunde 
wird „L .." flugklar gemeldet. Die Haltemannschaften er 
greifen auf Kommando die Taue, lautlos gleiten die riesigen 
Türflügel zur Seite, und als eben die Strahlen der auf 
gehenden Sonne über das Land schießen, steigt das Luft 
schiff zur Fahrt auf. - , - 
Nordwestwind weht von See her, aber leicht kommt 
„L .gegen ihn an, und nach einer halben Stunde schon 
liegt die See unter ihm. Es ist richtiges Flugwetter: klarer 
Himmel, unbegrenzte Fernsicht und günstiger Barometer 
stand. Unten ziehen einige grotze Linienschiffe durch die 
See, hinter ihnen leuchtet das Schraubenwasser, voraus 
und zu beiden Seiten fahren Torpedoboote. Böeiter nord 
wärts werden noch mehrere Vorpostenboote überflogen, 
dann liegt die freie Nordsee vor dem Luftschiff. Kein 
Schiff kommt bei dem Weiterfluge in Sicht, nur unter der 
dänischen Küste tauchen die braunen Segel von Fischersahr 
zeugen auf. Die ganze Nordsee ist wie ausgestorben; seit 
der deutschen Sperrgebietserklärung ist der Handelschiff 
verkehr zwischen England und den skandinavischen Ländern 
fast eingestellt, nur einzelne verwegene Kapitäne, denen 
das Geldverdienen mehr ist als ihr Leben und die Sicher 
heit von Schiff und Besatzung, wagen sich noch quer über die 
Nordsee. An Steuerbord liegt die Nordspitze Dänemarks, 
voraus tauchen die Berge Norwegens aus der See, jetzt 
heitzt es umdrehen. 
Im weiten Bogen holt „L .." nach der Ostseite der Dog 
gerbank aus, vielleicht zeigt sich dort ein Feind, der Turm 
eines englischen 1t-Bootes oder ein fürwitziger Minenleger. 
Doch nichts ist zu erblicken und schon will der Komman 
dant die funkentelegraphische Meldung geben, daß keinerlei 
feindliche Fahrzeuge gesichtet sind, als voraus ein Segler 
mit Kurs nach England in Sicht kommt. Einige Minuten 
später umkreist ihn „L .An seinen Bordwänden leuchtet 
das blaue Kreuz im roten Felde, also ein Norweger. Er 
hat sicher Bannware, denn die Besatzung hat die Segel 
backgebratzt; gestoppt schaukelt die Bark in der leichten 
Dünung. Die Besatzung bringt die beiden Schiffsboote ohne 
besondere Aufforderung zu Wasser, sie weitz schon, welches 
Schicksal ihrem Schiff bevorsteht, auf dem auch vom Luft 
schiff aus die hochgestapelten Grubenhölzer zu sehen sind. 
Dicht an ihnheran, datz die Gondeln das Wasser berühren, geht 
das Luftschiff, dem sich eines der Ruderboote nähert und 
die Schiffspapiere bringt. Ein kurzes Überlegen des Ka 
pitänleutnants Bockholt — es ist nicht mehr weit bis zu 
den deutschen Vorpostenlinien, der Nordwest weht in die 
Deutsche Bucht hinein, eine günstige Gelegenheit für das 
Luftschiff, auch mal eine Prise in einen deutschen Hafen 
zu schicken. Vier Leute der Besatzung können entbehrt 
werden; mit Handwaffen ausgerüstet klettern sie von der 
Gondel in eines der Boote und rudern mit der norwegischen 
Besatzung an Bord des Seglers. Dann steigt „L .." wieder 
auf. Gleich danach eilen elektrische Funken durch die Lust
	        
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