Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/19. 
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Die endlosen FriedensberaLungen in Paris, die zu gar 
keinem Ziele zu führen schienen, erregten nun auch in 
Frankreich immer stärker werdendes Mißfallen. Volk und 
Heer wurden unmutig, weil fortwährend neue Schwierig 
keiten auftauchten, statt daß die bestehenden endlich aus 
dem Wege geräumt wurden. Man verdächtigte Wilson, 
durch überspannte Völkerbundswünsche den Friedenschluß 
zu verhindern, was den Präsidenten veranlaßte, in aller 
Form amtlich zu erklären, daß die Beratungen über den 
Völkerbund zu keiner Zeit hinausschiebend gewirkt hät 
ten, sondern neben der Besprechung der Einzelheiten 
des Friedenschlusses herliefen. Nach der Bekanntgabe 
des ersten Entwurfes hätten die beratenden Persönlich 
keiten die Meinung der Öffentlichkeit geprüft und die 
ihnen wertvoll erschienenen Anregungen und Vorschläge 
bei _ der Beratung eines Ergünzringsentwurfes berück 
sichtigt, der in Kürze der Öffentlichkeit vorgelegt werden 
würde. 
Die französische Regierung wagte nicht, diese Dar 
stellung zu wider 
legen; es stand so 
mit außer Zweifel, 
daß sie die Schuld 
trug, weil sie an 
ihren Raub- und 
Vernichtungsplänen 
mit Zähigkeit fest 
hielt. Gegen Ende 
März drohte sogar 
mehrfach ein Zusam 
menbruch der Frie 
densberatungen. 
Man schob Italien 
die Schuld zu, von 
dem behauptet wur 
de, deß es auf der 
Zuweisung von Fi 
ume bestehe und an 
den Beratungen 
nicht inehr teilneh 
men wolle, wenn sei 
nen Wünschen nicht 
entsprochen werde. 
Daran war ja sicher 
etwas Wahres, aber 
in der Hauptsache 
handelte es sich doch 
darum, die Aufmerk 
samkeit von der 
französischen Regie 
rung abzulenken. In 
Wahrheit drangen 
gerade die italie 
nischen Vertreter- 
auf schleunigen Frie 
denschluß, weil dies 
die trüben Verhält 
nisse in Italien er 
heischten. Auch die 
Engländer und die 
Amerikaner waren 
einen: raschen Frie 
denschluß geneigt, 
nur die Franzosen 
gefährdeten sein Zu 
standekommen ohne Rücksicht auf ihre eigenen Lebensnot 
wendigkeiten. 
Zur Beschleunigung der Verhandlungen verlegte Wilsoir 
die entscheidenden Besprechungen, die bisher ein Zehner 
rat geführt hatte, für den die Vollsitzungen der Friedens- 
zusammenkunst nur der Hintergrund gewesen waren, in einen 
Viererrat, dem Wilson, Lloyd George, Clemenceau und Or 
lando (siehe das obenstehende Bild) angehörten. Aber die 
Verhandlungen des Viererrates kam nicht viel an die Öffent 
lichkeit, dafür wurden umso mehr Vermutungen aufgestellt. 
IX. Band. 
Clemenceau. Lloyd George 
Marsch all Foch 
Nach einer Abbildung in der sraiiz 
Frankreich glaubte, die Rheinprovinz schon sicher zu be 
sitzen; es rechnete dabei sogar zunr Teil aus die Unterstützung 
der Rheinländer. Damit gab es sich allerdings einer 
Täuschung hin, wie gegen Ende Mürz aus den Beratungen 
in der preußischen Landesversammlung über die Zukunft 
der Rheinprovinz deutlich hervorging. Sämtliche Parteien, 
auch die Gruppe des rheinischen Zentrums, die eine west 
deutsche rheinische Republik erstrebte, waren gegen die An 
gliederung an Frankreich und gegen die Bildung eines rheini 
schen Pufferstaates. Sie erklärten ferner, daß ein neuer 
westpreußischer Freistaat, der vielleicht noch gegründet würde, 
möglicherweise aus dem preußischen Staatsverbande, nie 
mals aber aus dem Deutschen Reiche ausscheiden werde. 
Die preußische Regierung äußerte sich ähnlich. 
Völlige Einmütigkeit herrschte in Deutschland auch über 
die von Frankreich immer wieder berührte Frage des Saar 
gebietes (siehe die Karte Seite 470). Gegen seine Los- 
reißung vom Reiche wurde nicht nur in Massenversamm 
lungen in allen großen Städten Deutschlands Einspruch 
erhoben, sondern die 
Bewohnerdes Saar 
gebietes taten dies 
auch selbst. Saar 
louis betrachteten die 
Franzosen als eine 
ihnen besonders 
wohlgesinnte Stadt. 
Im Regierungsauf 
träge beabsichtigte 
hier der französische 
Befehlshaber eine 
Freundschaftskund 
gebung zugunsten 
Frankreichs zu ver 
anstalten mit dem 
Ziele, die sachunkun- 
digen fremdländi 
schen Teilnehmer an 
den Pariser Bera 
tungen im Sinne 
Frankreichs zu be 
einflussen. Unter 
dem Vorgeben, man 
müsse einen durch 
Saarlouis reisenden 
französischen Mar 
schall begrüßen, be 
rief der Franzose, um 
eine Art amtlicher 
Kundgebung für 
Frankreich zu er 
reichen, eine Stadt- 
verordnetenver- 
sammlung ein. Die 
Stadtverordneten 
durchschauten jedoch 
den Plan und faßten 
in einer Vorbespre 
chung einstimmig den 
Entschluß, treu zum 
Deutschen Reiche zu 
halten, und veröf 
fentlichten ihn zur 
Vermeidung von 
Irrtümern und zur 
Vereitelung französischer Verdrehungsversuche auch in fran 
zösischer Sprache. Dieses Verfahren machte die feindlichen 
Absichten völlig zunichte. Am Tage der Versammlung eilten 
zahlreiche Männer und Frauen, die entschlossen waren, ihre 
deutsche Gesinnung nicht zu verbergen, in den Sitzungsaal 
des Rathauses. Allein zu Beginn der Sitzung erklärte der 
Bürgermeister, daß die französischen Behörden, die Veran 
lasser der Zusammenkunft, deren Abhaltung verboten hätten. 
In erregten Rufen gaben die Anwesenden ihrer Stimmung 
Ausdruck. Man rief: „Sie fürchten unsere Antwort!" Je- 
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Orlando, 
beim Viererrat. 
ösischcn Zeitschrift „L'Zllnstration".
	        
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