Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/19. 
sssorlsetzung.j 
Der am 17. Februar zu erneuernde Waffenstillstands- 
Vertrag bot den Feinden abermals eine Gelegenheit, Deutsch 
land gegenüber ihren unveränderten Vernichtungswillen zu 
bekunden. Die neuen Bedingungen der Feinde waren in 
drei Artikeln enthalten. Im ersten Artikel wurde die Ein 
stellung aller Offensivbewegungen der Deutschen gegen die 
Polen gefordert und die bereits auf Seite 456 erwähnte 
Demarkationslinie zwischen Deutschen und Polen festgesetzt. 
In Artikel zwei kam zum Ausdruck, datz der Waffenstillstand 
auf „kurze Zeit" und mit dreitägiger Kündigungsfrist ver 
längert wurde, während die Gegner in Artikel drei die 
schleunige Erfüllung der früheren Abmachungen forderten. 
Deutschland wies darauf hin, datz ihm die angestrebte Ver 
wirklichung der aufgezwungenen Bedingungen schon die 
völlige Erschöpfung seiner militärischen Kräfte und die Zer 
rüttung seiner Verkehrsverhältnisse eingetragen habe. Ganz 
abgesehen davon, daß in all diesen früheren Bedingungen 
wie in den neuen nichts von dem Geiste des Rechtsfriedens 
zu merken sei, müsse auch die kurze, unbestimmte Be 
fristung des Waffenstillstandes bei einseitiger dreitägiger 
Kündigung die.'Ruhe und Ordnung in Deutschland er 
schüttern, was eine ungerechtfertigte Erschwerung seiner 
Lage bedeute. Nutzer einigen geringfügigen Änderungen 
der Grenzlinie in Deutsch-Polen konnte jedoch eine Milde 
rung der Forderungen nicht erreicht werden. 
Ebenso war es in der Eefangenenfrage. Der deutsche 
Unterhändler Erzberger verlangte die sofortige Ausliefe 
rung der 800000 deutschen Kriegsgefangenen und bezeich 
nete die ihm von Foch gegebene schriftliche Zusage, datz 
England und Frankreich voraussichtlich je 2000 schwer 
verwundete Gefangene freilassen würden, als gänzlich un 
zureichend, was jedoch auf Foch keinen Eindruck machte. 
Der französische Minister für die verheerten Gebiete Lebrun 
erklärte zudem im französischen Senat, datz bis Ende März 
170000 deutsche Kriegsgefangene in den ehemals von 
Deutschland besetzten Gebieten Nordfrankreichs arbeiten 
würden. 
Während Foch behauptet hatte, datz seines Wissens die 
Verwendung der Deutschen zur Zwangsarbeit in Nord 
frankreich nicht beabsichtigt sei, erschienen in Zeitschriften 
der Verbandsländer bereits Bilder, die veranschaulichten, 
wie deutsche Gefangene unter englischer Aufsicht in Nord 
frankreich zu schwerer Zwangsarbeit herangezogen wurden 
(siehe Bild Seite 466). Lebrun berichtete sogar ausführlich 
über den Verlauf des Wiederaufbaus durch die deutschen 
Kriegsgefangenen, die in Kompanien eingeteilt werden 
und in Zukunft unter der Bewachung durch' französische 
Soldaten, die aus der deutschen Kriegsgefangenschaft zurück 
gekehrt waren, ihr schweres Werk verrichten sollten. Das 
kam der Versklavung der Gefangenen gleich. So sah die 
vielgepriesene Menschlichkeit aus, für die die Feinde ins Feld 
gezogen sein wollten. Die Deutschen dagegen hatten die 
von ihnen gemachten Gefangenen zum größten Teil be 
reits in ihre Heimat zurückgeschickt. Nur kriegsgefangene 
und internierte Russen, Rumänen, Serben, Montenegriner 
und ähnliche befanden sich noch in Deutschland, deren Ab 
transport jedoch schon eingeleitet worden war. Die in süd- 
und norddeutschen Lagern untergebrachten Gefangenen 
wurden nach Regensburg geführt und von dort aus auf 
der Donau mittels Schleppschiffe weiterbefördert (siehe 
Bild Seite 468/69). Es war vereinbart worden, datz diese 
Schiffe auf ihrer Rückfahrt deutsche Kriegsgefangene aus den 
Balkanländern und aus Südrutzland heimbringen sollten. 
So schlecht wie die Kriegsgefangenen wurden auch die 
deutschen Zivilgefangenen von den Feinden behandelt. In 
der Nacht zum 19. Februar zum Beispiel trafen in Wesel 
11 000 deutsche Zivilgefangene ein, die zu der kurzen Über 
fahrt von London nach Antwerpen zehn Tage gebraucht 
hatten und durch Mangel an Nahrungsmitteln und jeg 
licher Schlafgelegenheit sowie Vorenthaltung von Trink 
wasser völlig entkräftet waren. Fünf von diesen Unglück 
lichen starben während der Überfahrt, mehrere Dutzend 
andere erkrankten so schwer, datz sie in holländischenOrten zu 
rückbleiben oder sich in ärztliche Behandlung begeben mutzten. 
Bon links: Schmidt, Reichsernährungsminister,- Schiffer, Vertreter des Präsidenten und Reichsfinan'»minister,- Scheidemann, Präsident des Reichsministeriums,' 
Landsberg, Reichsjustizminister,' Wissel, Reichswirtschaftsminister,' Bauer, Reichsarbeitsminister,' Graf v. Brockdorff-Rantzau, Reichsminister des Auswär 
tigen,' David, Minister ohne Portefeuille,- vr. Preuß, Reichsrmnister des Innern,' Giesberts, R eiche postminister; vr. Bell, Reichskolonialminister,' Gothein, 
Minister ohne Portefeuille; Roske, Reichswehrminister. 
Die erste Sitzung des neuen deutschen Kabinetts unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Scheidemann im Schloß zu Weimar. 
IX. Band. 59
	        
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