Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
stok, um zu ihrer „gründe armse" stoßen zu können. Natür 
lich wurde hier wie auch später dieses Ersuchen abgeschlagen 
und die tschechoslowakischen Verbände wurden durch die 
siegreichen deutschen Truppen ziemlich dezimiert. Daß 
deutsche Soldaten wenig Milde mit einem Gegner hatten, 
der ihnen so unendlich viel geschadet hat, und das nicht 
etwa in offener Feldschlacht, sondern durch Verrat und 
Schurkerei, wird man verstehen können. 
Nach ihrer Vertreibung aus der Ukraine und nach den 
Prügeln, die sie dort erhalten hatten, zogen die Tschecho 
slowaken, verstärkt durch Bruderverbände, die im Innern 
Rußlands bestanden, gegen Osten ab. Schon damals ent 
standen wohl die ersten Zwistigkeiten mit der Bolschewiki- 
regierung, die diese Truppen lieber im Süden festgehalten 
hätte und sich von ihrem Erscheinen in dem noch unruhigen 
und ungewissen Sibirien wenig Gutes versprach. Aber 
die Tschechoslowaken hatten genug. Inzwischen hatte 
Italien seine „Fremdenlegion" gebildet, und auch in Frank 
reich waren tschechoslowakische Verbände gegründet worden. 
Das alles drängte nach Zusammenschluß und strebte wohl 
auch, nachdem die Bolschewiki ihren Frieden mit den 
Deutschen gemacht hatten, aus Rußland heraus, um den 
Kampf gegen den verhaßten deutschen Feind an anderer 
Stelle aufnehmen zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt 
wichtigen Zweck, wenn sie an der Wiederaufrichtung einer 
deutschen Ostfront arbeiteten. 
t Daß diese ganze Bewegung in engem Zusammenhang 
mit Plänen des Verbands steht, ist wenig zweifelhaft. 
Schon im Spätherbst 1917 hatte die französische Militär 
mission, die von der russisch-rumänischen Front nach Kiew 
übergesiedelt war, den Versuch gemacht, den heutigen 
Hetman der Ukraine dazu zu bewegen, seine Hilfe zur 
Wiedererrichtung einer neuen Ostfront zu gewähren. Es 
war an eine „Verbandsarmee", bestehend aus Ukrainern, 
Franzosen, Engländern, Amerikanern und Japanern, ge 
dacht, und die Ukrainer sollten sich unter französische Füh 
rung stellen — denn die französische Front erhoffte sich 
von dieser Entlastung das meiste, weil sie deutsche Truppen 
von der Westfront ab wieder nach Osten ziehen sollte. 
Skoropadski weigerte sich damals, und der Plan kam nicht 
zustande. Er ist aber vom Verband beileibe nicht aufge 
geben worden, er spukt immer und immer wieder in 
allen Plänen des Verbands, die sich auf den Osten be 
ziehen. Nur sind sich die Genossen nicht recht einig über 
seine Verwirklichung. Das einfachste wäre gewesen, man 
hätte die Japaner zu einem Eingreifen von Osten her, zu 
einem Durchmarsch durch Sibirien und zu einem Vorgehen 
gegen die Bolschewik!' gebracht. Militärisch hätten sie das 
Kartenskizze zu der Tätigkeit der Tschechoslowaken an der sibirischen Bahn und zu der Besetzung der Murmanküste durch die Engländer. 
Der englische Stützpunkt an der Murmanküste. Das von den Tschechoslowaken besetzte Gebiet. 
wohl auch gekonnt. Aber erst weigerten sich die Japaner, 
und als sie sich doch dazu entschlossen — natürlich getreu 
ihren streng nationalen Grundsätzen nur so weit, als das 
japanischem Interesse entsprach, also etwa zur Besetzung 
Wladiwostoks, des Amurgebietes und der ostchinesischen 
Eisenbahnen —, da weigerten sich' die Amerikaner, die da 
von eine empfindliche Schädigung ihrer Interessen befürch 
teten. Die Japaner wollen nur mitmachen, wenn sie die 
Führung und das militärische ' Übergewicht haben, die 
Amerikaner wollen es nur dulden, wenn das Eingreifen 
vom gesamten Verband ausgeht und der japanische Ein 
fluß so weit wie möglich gedämpft wird. Über diese Fra 
gen ist hin und her verhandelt worden. 
Inzwischen aber nahm der Verband dankbar das sich ihm 
bietende Geschenk kadettisch-russischer Führer an, die tschecho 
slowakischen Verbände für die gemeinsamen Ziele nutzbar 
zu machen. Unter allen Umständen mußte zuerst das 
friedensfreundliche bolschewistische Regiment gestürzt werden. 
Daß nicht nur die Bolschewiki friedensfreundlich sind, 
sondern daß es das ganze russische Volk ist, will man 
beim Verband immer noch nicht sehen. Daß die bolsche 
wistische Regierung nur noch Ansehen hat, eben weil sie 
den Frieden gebracht hat, und daß jede andere Regierung 
sofort gestürzt werden würde, wenn sie an Stelle des 
Friedens wieder den Krieg brächte, will man nicht glauben. 
So benutzt man die Tschechoslowaken, um einen ersten 
Ansturm gegen das bolschewistische Regime von Osten her 
versteht man die tschechoslowakische Bewegung recht gut. 
In völliges Dunkel gehüllt aber sind die Vorgänge, die 
zum jähen Bruch mit der Bolschewikiregierung führten. 
Die nach Osten strömenden Truppenmassen, die immer 
noch fest in der Hand ihrer Führer waren, wurden auf 
sämtlichen zur Verfügung stehenden Bahnen abtransportiert 
und versperrten zeitweilig sehr stark die sibirische Bahn. 
Die Bolschewikiregierung gab an, man hätte aus bahntech 
nischen Gründen die Beförderung ein paar Tage unter 
brechen müssen, hätte sogar einige Teile der Verbände ein 
mal eine Strecke zurückfahren müssen gegen die Zusicherung, 
daß in einigen Tagen ihr Weitertransport ostwärts erfolgen 
werde, aber dahinter steckte wohl ein politischer Grund. 
Aus Sibirien kamen eben immer mehr antibolschewistische 
Nachrichten, die Herrschaft der Bolschewiki im Osten wurde 
mehr und mehr bedroht, und der sibirischen Selbständig 
keitsbestrebung nahmen sich alsbald kadettische und okto- 
bristische Elemente an, die gegen den Bolschewismus des 
halb am meisten empört waren, weil er den Krieg gegen 
Deutschland durch einen Frieden beendet hatte, der Ruß 
land ihrer Ansicht nach zur Bedeutungslosigkeit verurteilte. 
Aus der zunächst reinen Selbständigkeitsbestrebung Sibi 
riens war also eine halb und halb monarchistische Anti- 
bolschewikibestrebung geworden, die die tschechoslowakischen 
Truppen dadurch in ihren Bannkreis zog, daß man ihnen 
in Aussicht stellte, sie könnten nun wieder gegen Deutsch 
land kämpfen, ja, sie erfüllten sogar einen militärisch höchst
	        
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