Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

390 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/1!«. 
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Bodenbach an dev böhmisch-sächsischen Grenze. 
blieb die, daß auf dem Friedenskongreß doch noch die Ver 
nunft siegen werde. Bei den Tschechen freilich war die Eier 
nach dem Besitz dieser deutschen Gebiete leicht begreiflich, 
bildeten sie doch vor dem Kriege den weitaus blühenderen 
Teil der sogenannten Länder der Wenzelskrone. Schon im 
Jahre 1905 besaßen die 2V 2 Millionen Deutschen in 
Böhmen nicht weniger als 5159 Fabriken im Werte von 
rund fünf Milliarden Kronen und mit einem Jahres 
erzeugnis von 1721 Millionen Kronen; sie leisteten mit 
253 Millionen Kronen Steuern zwei Drittel aller Landes 
einnahmen, obwohl sie nur 38V 4 vom Hundert der Be 
völkerung ausmachten, und im Elbhafen von Aussig wurden 
viel mehr Güter verladen als im Seehafen von Triest, 
das doch seine Schiffe in alle Meeresgegenden sandte. 
Die Beziehungen Deutschlands zu der neuen tschechischen 
Regierung besserten sich infolge der beiderseitigen Not 
insofern, als zwischen beiden ein Vertrag abgeschlossen 
wurde, wonach Deutschland monatlich 15 000 Tonnen 
Steinkohlen und Koks gegen 70 000 Tonnen tschechischer 
Braunkohle zur Verfügung stellte. Ferner gestattete die 
tschechische Republik die Ausfuhr geringer Mengen Marme- 
Ungarn an den großen Heerführer, der ihr Land dreimal 
vor der Verwüstung durch die Feinde gerettet hatte. — 
* ^ * 
Polen zeigte sich Deutschland gegenüber wieder einmal 
von der unfreundlichsten Seite. Gras Keßler, der deutsche 
Vertreter in Warschau, erhielt am 15. Dezember von der 
polnischen Regierung eine Note, worin unter Hinweis auf 
die Zustände in Ober-Ost, wo die deutschen Behörden den 
polnischen Staatsinteressen angeblich zuwiderlaufende Hand 
lungen begingen und gemeinschaftlich mit den Volsche- 
wiki vorgingen, die polnische Regierung die Überzeugung 
ausdrückte, daß weitere Verhandlungen mit der deutschen 
Regierung zwecklos, ja sogar für die innere Ordnung in 
Polen und die künftigen gegenseitigen Beziehungen schäd 
lich wären. Aus diesem Grunde sehe sich die polnische 
Regierung veranlaßt, die diplomatischen Beziehungen mit 
der deutschen Republik abzubrechen, und sie ersuchte den 
deutschen Vertreter, unverzüglich mit dem gesamten Per 
sonal der Gesandtschaft die Republik Polen zu verlassen. 
Dieser Schritt bedeutete eine große Dreistigkeit, besonders 
der Hinweis auf die Bolschewiki. Diese hatten sich in Polen 
walt unverhüllt zur Geltung. Rein deutsche Städte, wie 
Reichenberg, Warnsdorf, Tetschen-Bodenbach, Komotau, 
Karlsbad, Eger und viele andere (siehe die Bilder Seite 
390 und 391), wurden unter der Führung ehemaliger 
österreichischer Offiziere slawischer Abkunft von tschechischen 
Truppen beseht und ihnen eine tschechische Verwaltung 
aufgezwungen. Die Derbandsmächte hielten ihre schützende 
Hand darüber und sandten zum Beweis französische Offiziere 
nach Reichenberg und Tetschen-Bodenbach. Die zur Ohn 
macht verurteilte deutschböhmische Regierung mußte auf 
sächsischen Boden flüchten, die deutsche Bevölkerung aber 
sich vorläufig dem aufgezwungenen Joch beugen, weil sie 
unmittelbar vom Hungertode bedroht war. Ihre eigenen 
besonnenen Führer rieten dazu, denn was von der waffen 
fähigen Mannschaft nicht schon im Kriege gefallen war, war 
durch den mehrjährigen Hunger so zermürbt und entkräftet, 
daß ihnen die wohlgenährten, trefflich ausgerüsteten Gegner 
von vornherein überlegen waren. Die einzige Hoffnung 
lade, Pflaumenmus, getrockneten Obstes, Holz und Hartblei, 
wogegen Deutschland Erzeugnisse und Maschinen der elektro 
technischen Industrie, ferner Chemikalien und Kali für die 
Frübjahrsdüngung liefern sollte, sofern der eigene Bedarf 
die Abgabe zuließ. — 
Eine für Deutschland betrübliche Nachricht traf aus 
Ungarn ein. Dort befand sich Mackensens Armee noch 
auf dem Marsche, und größere Teile von ihr erreichten 
bereits deutschen Boden. Der Rest aber wurde doch noch 
festgehalten. Schon am 7. Dezember wurden mehrere 
tausend Mann von den Rumänen entwaffnet und gefangen 
genommen, und am 16. Dezember eröffneten die Ungarn 
in Budapest dem Feldmarschall, daß er auf Wunsch der 
Franzosen mit seinen auf ungarischem Boden befindlichen 
Truppen festgesetzt werden müsse. Mackensen erhob erfolg 
los Einspruch und wurde schließlich nach Foth bei Budapest, 
dem Schlosse des Grafen Laszlo Karolyi, gebracht und mit 
seinem Stabe in Haft genommen. Das war der Dank der
	        
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