Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18- 
383 
also hier höchstens um eine Darstellung der theoretischen 
Grundlagen handeln, wie sie bisher wissenschaftlich be 
handelt wurden. Im politischen Kampf der Parteien hat 
die Streitfrage vor dem Kriege kaum eine irgendwie beacht 
liche Rolle gespielt, weil sie allgemein weder von ihren 
Freunden noch von ihren Gegnern für spruchreif gehalten 
wurde. Das ist ein Nachteil, weil man sich darum im wesent 
lichen auf die Erläuterung theoretischer Begriffe beschränken 
mutz. Die nachfolgenden Ausführungen aber wollen und 
sollen keine wissenschaftliche Abhandlung sein, sondern 
lediglich eine gewisse Vorstellung von den Problemen geben, 
die hier in Frage stehen. 
Man wird zweckmätzig drei Richtungen unterscheiden. 
Die allerschärfste will das Aufhören jedes Privateigentums, 
beschränkt sich also nicht auf die Produktionsmittel. In zahl 
reichen Köpfen spukt überhaupt eine falsche Vorstellung 
vom Wesen des Sozialismus, den man vielfach mit diesen. 
Verlangen gleichgestellt hat. Verständlich ist es fast, denn 
die politischen Gegner der Sozialdemokratie hatten ein 
Interesse daran, die Dinge so darzustellen. Der Appell 
an die Angst hat auch nicht versagt. Dies hat jedoch sicher 
mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Abgesehen von der 
Tatsache, datz somit ein falsches Bild gezeichnet worden ist, 
hatte es zur Folge, datz den wirklichen und ernsthaften 
Zielen für die Umgestaltung des Wirtschaftslebens viel zu 
wenig Beachtung geschenkt wurde. Längere Ausführungen 
über diese extreme Richtung sind nicht vonnöten, denn 
tatsächlich ist die Verwirklichung ihrer Ziele so gut wie 
aussichtslos. Obwohl es vermessen wäre, über die zu 
künftige Entwicklung irgend etwas vorauszusagen, kann diese 
Behauptung doch mit aller Bestimmtheit aufgestellt werden. 
Die Zahl derjenigen, die im deutschen Volke derartigen 
Träumen nachhängen, ist so verschwindend klein, datz sie 
überhaupt nicht in Betracht kommen. 
Die Zweite Richtung spricht von der Vergesellschaftung 
der Produktionsmittel schlechthin. Produktionsmittel sind, 
was zur Güterherstellung bestimmt ist. Es kommen also 
im wesentlichen in Betracht Fabrikanlagen, Maschinen und 
Gerätschaften jedweder Art. Das Verlangen der Ver 
gesellschaftung, bis zu seiner schärfsten Ausprägung an 
gewendet, käme der ersten Richtung ziemlich nahe. Wird 
wirklich die Vergesellschaftung aller Produktionsmittel ver 
langt, so ist nicht recht einzusehen, wo eigentlich haltgemacht 
werden soll. Zum Beispiel die Spaten in einem Berg 
werk sind unzweifelhaft Produktionsmittel, sogar kapita 
listische. Auf die Bedeutung dieser Einschränkung werden 
wir nachher zu sprechen kommen. Was sind aber Spaten, 
die in grötzeren Plätzen jeder Hausbesitzer und in kleineren 
jeder Hausbewohner zur Reinigung der Bürgersteige, Höfe 
und anderem anzuschaffen gezwungen ist? Wenn im letzteren 
Falle der gleiche Gegenstand zum Umgraben eines Gartens 
benutzt wird, so ist er unzweifelhaft wieder Produktions 
mittel. Hier liegen schon sehr grotze Schwierigkeiten, auf 
die in grötzerer Ausführlichkeit nicht eingegangen werden 
kann. 
Zwei Möglichkeiten der Vergesellschaftung bestehen. Zu 
nächst die Konfiskation, also die Enteignung ohne jede Ent 
schädigung, oder die Ablösung, Überführung in den Be 
sitz der Allgemeinheit gegen Entschädigung. Der hervor 
ragendste Theoretiker, den die Sozialdemokratie zurzeit be 
sitzt, der Erläuterer der Werke von Karl Marx, des geistigen 
Vaters des Sozialismus, und Verbreiter seiner Ideen, 
Karl Kautsky, erklärt den ersten Weg für ungangbar. Aller 
dings will er im Wege einer scharfen Besteuerung den 
Entschädigten zum allergrötzten Teil das wieder abnehmen, 
was sie erhalten haben. 
Am meisten Aussicht auf Verwirklichung, sofern geregelte 
Verhältnisse bei uns an der Tagesordnung bleiben, hat die 
Anschauungsweise, deren Vertreter die Vergesellschaftung 
der kapitalistischen Produktionsmittel, also anders aus 
gedrückt, die Verstaatlichung der Erotzbetriebe wollen. Es 
besteht natürlich die Möglichkeit, alle Betriebe, die eine 
bestimmte Anzahl Arbeiter beschäftigen oder, zum Beispiel 
in der Textilindustrie, soundso viele Spindeln oder Web 
stühle besitzen, für Nationaleigentum zrr erklären und die 
Entschädigungsfrage jetzt oder später zu regeln. 
Die Folgen zwar wären nicht abzusehen nnd würden 
einfach das Fortbestehen des Staates in Frage stellen. Ab 
gesehen davon, datz tiefeingreifende Matznahmen solcher 
Art in das Wirtschaftsleben rmterbleiben sollten, bis die 
ordnungsgemätz gewählte Nationalversammlung darüber 
befinden kann, lassen sich gewisse Unnisse der möglichen 
Neugestaltung doch erkennen. Eine Forderung, die vor 
dem Kriege längst mit viel grötzerem Nachdruck auch von 
anderen Parteien als der sozialdemokratischen hätte er 
hoben werden müssen, ist, datz jedem Pnvatmonopol ein 
Staatsmonopol vorzuziehen ist. Wo sich die Verhältnisse 
so entwickelt haben, datz einige wenige Nutznießer der 
Allgemeinheit werden, wird die Verstaatlichung, inan kann 
es wohl sagen, 311 einer sittlichen Forderung. Aberhaupt 
Entfernen der Schießbaumwolle aus einer angeschwemmten englischen Der Zünder einer auf Helgoland angeschwemmten englischen Mine wird 
Ndine, unschädlich gemacht. 
Angeschwemmte englische Minen auf Helgoland. 
Nach Aufnahmen des Bild- und Film-Amtes.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.