Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/1918. 
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b. H. 
— trotz der Zeichen des Roten Kreuzes — Türen und Fenster 
einschlug und Löcher in die Mauern ritz. Da es nicht der 
erste Angriff gegen das Bahnhofsgebäude war und nicht 
der letzte bleiben sollte, wurde das Lazarett verlegt. Wir 
gehen die Hauptstratze entlang, schneiden schöne Boulevards 
rnit Anlagen, sehen den grotzen Ausstellungspalast im Parke 
liegen und kommen am Justizpalast vorbei, wo lange Zeit 
die Etappeninspektion ihre Arbeitsräume hatte. Im Dach 
stock befand sich eine grotze Brieftaubenzüchterei, aus der 
die Taubenschläge der vierten Armee jeweils aufgefüllt 
wurden. Im Mittelpunkt der Stadt steht die alte Kathe 
drale von St. Bavo aus dem dreizehnten Jahrhundert, 
die allerdings nach der Beschädigung durch die Bilder- 
stürmer wiederhergestellt werden mutzte. Im Innern 
bergen viele Kapellen der Kathedrale wundervolle Kunst 
werke, so den berühmten „Eenter Altar" der Brüder van 
Eyck. Ein ganzer Wald von feinen und trotzigen Türmen 
ragt aus dem Weichbild der Stadt empor. Die Jakobs 
kirche aus dem Jahre 1500 zeigt ihren romanischen Stil 
neben der frühgotischen Nikolauskirche aus dem zehnten 
Jahrhundert. Die St.-Michael-Kirche dürfte annähernd 
gleichaltrig mit St. Jakob sein, während die malerisch auf 
einer Anhöhe gelegene St.-Peters-Kirche aus den Jahren 
1629 bis 1718 stammt. Massig und viereckig starrt der 
Belfried neben der Kathe 
drale in die Höhe. Man 
hat von seiner 118 Meter 
hoch gelegenen Zinne 
einen prächtigen Aber 
blick über die Stadt und 
ihre Hingebung. Sehr- 
schön ist auch die benach 
barte gotische Tuchhatte. 
Täglich sah man alt 
und jung auf dem Platz 
vor der Kommandantur 
den Klängen einer Mili 
tärkapelle lauschen.Sonn- 
tags fanden sich auch die 
flämischenStudenten mit 
ihren schwarzsamtenen 
Tellermützen ein. Schon 
hundert Jahre alt ist die 
Universität mit ihren vier 
Fakultäten: der Philo 
sophie, der Jurisprudenz, 
d er Naturwiss ens ch af- 
ten und der Medizin. 
Allerdings hat sie schon 
mehrnrals Sturm- und 
Drangjahre durchkämp 
fen müssen. Der Biblio 
thek mit 300 00O Bänden 
ist auch ein nicht unbedeutendes Münz- und Kupferstichkabi 
nett angegliedert. Sogar ein Konservatorium befindet sich 
in der sehr musikfreudigen Stadt, in der man auch in der 
Kriegszeit allwöchentlich ein ausgezeichnetes Konzert hören 
konnte. Neben dem französischen Theater, das deutschen 
Zwecken dienen mutzte, wenn Gastspieltruppen von Lille, 
Brüssel oder von der Heimat kamen, besteht noch ein Theater- 
für flämische Schauspiele, dessen Aufführungen und Spiel 
gewohnheiten jedoch auf Deutsche einen unwiderstehlichen 
Lachreiz ausüben. — Neben der grotzen Menge Kirchen 
trifft man in Gent noch sehr viele Klöster. Im Nordosten 
der Stadt bildet der grotze Beginenhof einen kleinen Stadt 
teil für sich. Er verdankt sein Entstehen dem Herzog von 
Arenberg und geht auf das Jahr 1875 zurück. Etwa acht 
tausend Bewohnerinnen zählt dieser grotze'Hof, während 
die kleine Beginage im Osten zu normalen Zeiten nur drei 
hundert Frauen Aufnahme gewährt. 
Das älteste geschichtliche Baudenkmal ist wohl das stolze 
Grafenschloh aus dem neunten Jahrhundert. Doch kann 
man schon aus Chroniken, die aus den: siebenten Jahr 
hundert stammen, von Ansiedelungen in Gent lesen. Um 
das Jahr 868 soll Graf Balduin I. dann dieses Kastell 
gegen die Normannen errichtet haben. Es kam später vor 
übergehend in den Besitz Kaiser Ottos des Grotzen, der um 
das Jahr 1000 durch die mächtigen Grafen von Flandern 
wieder vertrieben wurde. Nun blühte die Stadt prächtig 
auf. Die Bevölkerung vermehrte sich rasch, und der Wohl- 
Straßenbild aus Gent. 
stand wetteiferte mit dem Anwachsen der Einwohnerzahl. 
Konnte die Stadt doch bereits zu Zeiten Karls VI. von 
Frankreich annähernd 20 000 Mann zrmr Kampfe stellen. 
Im dreizehnten und fünfzehnten Jahrhundert schlug dieser 
stolze Bürgersinn in manchem Volksaufstand flammend em 
por. Besonders bekannt ist die Schilderhebung Jakobs van 
Artevelde gegen den Grafen Ludwig von Cröcy und der Wi 
derstand gegen die Huldigung Philipps des Kühnen von Bur 
gund als Grafm von Flandern. Auch gegen auferlegteSteuern 
erhoben sich die siegessicheren Eenter, bis Karl V. sechsund 
zwanzig ihrer Führer hinrichten liest und der Stadt schwere 
Kontributionen auferlegte, aus denen die Zitadelle erbaut 
wurde. 
Durch die Trennung von Holland im Jahre 1830 sanken 
der Handel und die Industrie von der schwindelnden Höhe, 
die sie im fünfzehnten Jahrhundert erklommen hatten, 
langsam herab. Erwähnenswert sind jedoch immer noch 
die grotzen Spinnereien sowie die Leder- und Tapeten 
fabriken. Einen prachtvollen Anblick gewähren die hundert 
grotzen Handelsgärtnereien, in denen Tulpen und Hya 
zinthen in satter Pracht leuchten, kostbare feingliedrige 
Orchideen gezogen werden und Palmenhaine der Versen 
dung harren. Allerdings haben die kohlenarmen Kriegs 
winter auch in diese Schönheit manche Lücke gerissen. Im 
übrigen ist Gent jedoch 
vorläufig autzerordentlich 
gut durch den Krieg ge 
kommen. Auster einigen 
Bombentreffern sieht 
man keine Beschädigung. 
Die deutschen, die 
britischen und die 
amerikanischen Ver 
luste. 
Auf Grund zuverläs 
siger Unterlagen werden 
die Verluste Deutsch 
lands bis zum 31. Ok 
tober 1918 auf 1580000 
Tote beziffert. Als ver- 
mitzt werden 260000 
Mann gemeldet, wo 
von aber ebenfalls ein 
grotzer Teil nicht mehr 
unter den Lebenden 
weilen wird. Die Zahl 
der in Feindesland wei 
lenden deutschen Gefan 
genen beträgt 490000 
Mann. Verwundet wur 
den 4 Millionen Sol- 
wiederholte Zählung in den 
daten, wobei aber eine 
Fällen vorgekommen ist, wo ein Soldat mehrmals ver 
wundet worden ist. 
Die britischen Eesamtverluste an Toten, Verwundeten, 
Vermißten und Gefangenen ausschließlich der Luftstreit 
kräfte, aber mit Einschluß der Dominions und Indiens, 
bis zum 4. November 1918 werden auf 3 040991 Mann 
angegeben. Die britischen Verluste verteilen sich wie 
folgt: in Frankreich tot 32769 Offiziere, 626843 Mann. 
Gesamtverluste 126 757 Offiziere, 2594895 Mann, in 
Italien 86 Offiziere, 941 Mann, Gesamtverluste 458 Offi 
ziere, 6480 Mann; Dardanellen tot 1785 Offiziere, 
31737 Mann» Eesamtverluste 5053 Offiziere, 114676 
Mann; Saloniki tot 285 Offiziere, 7330 Mann, Gesamt 
verluste 1217 Offiziere, 26101 Mann; Mesopotamien tot 
1340 Offiziere, 29769 Mann, Eesamtverluste 4335 Offi 
ziere, 93244 Mann; Ägypten tot 1098 Offiziere, 14794 
Mann, Eesamtverluste 3592 Offiziere, 54261 Mann; Ost 
afrika tot 380 Offiziere, 8724 Mann, Eesamtverluste 896 
Offiziere, 16929 Mann; auf anderen Kriegschauplätzen tot 
133 Offiziere, 690 Mann, Eesamtverluste 326 Offiziere, 
2971 Mann. 
Die Eesamtverluste des amerikanischen Hilfsheeres be 
trugen bei Unterzeichnung des Waffenstillstandes 53 169 
Tote, 179 525 Verwrmdete und 3323 Gefangene und Ver 
mißte. Die Amerikaner haben 44 000 deutsche Gefangene 
gemacht und 1400 Geschütze erbeutet.
	        
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