Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Illustrierte Kriegsberichte 
U-BooLLätigkeiL im Sperrgebiet. 
^Bringen Sie die Papiere an Bord!« 
(Hierzu das Bild Seite 265.) 
Bei ruhiger See sichtet die Wache auf dem Turme des 
ll-Bootes innerhalb der Sperrgebietsgrenze zwischen Fär 
öer und Shetlandsinseln an Backbord voraus eine Rauch 
wolke. Mit äußerster Kraft wird auf sie zugefahren, und 
bald kommt das Boot einem vollständig rot und weiß be 
malten neutralen Dampfer auf Schußweite nahe. Nach 
dem ersten Warnungschuß, der gleichzeitig für den neu 
tralen Dampfer (der unter sogenanntem freiem Geleit 
von Amerika nach Schweden unterwegs ist) die Auf 
forderung zum An 
halten bedeutet, 
geht auf dem Turm 
des It-Bootes das 
deutlich erkennbare 
Signal: „Bringen 
Sie die Papiere an 
Bord" hoch. Der 
Dampfer erkennt 
das Signal, stoppt 
und schickt ein Boot 
hinüber, dem bald 
der Steuermann 
entsteigt, mit den 
Papieren in einer 
Mappe. Etwas 
ängstlich, aber 
freundlich begrüßt 
der Schwede die 
Offiziere und legt 
dem Kommandan- 
ten auf dem Turm 
die Schiffspapiere 
vor. Nach dem Be 
funde : Alles in 
Ordnung, entläßt 
der Kommandant 
den sichtlich erfreu 
ten N utralen und 
sein Schiff mit dem _ 
guten Rate, künftig die ^perrgebietsgrenze besser zu beachten 
und diese Zon.e schleunigst zu verlassen. Deutsche Ritterlichkeit 
zur See. Unter lautem Jubel und Mützenschwenken fährt das 
1)-Boot andem abdrehenden DampferneuenTaten entgegen. 
KriegstädLebilder. 
4. Brügge. 
Bon Paul Otto Ebe. 
(Hierzu die Bilder Seite 267 und in Band III Seite 265, in Band V Seite 191.) 
Selten hat eine Schrift in mir einen solchen Wunsch 
entfacht, den Ort der Handlung kennen zu lernen, wie 
Rodenbachs bekannte Novelle „Das tote Brügge". Ich 
benützte deshalb einen herrlichen Frühjahrsmorgen, um 
von der Uberschwemmungsfront nach der alten Stadt und 
dem neuzeitlichen „Sitz der bl-Bootpest" zu fahren. 
Abgesehen von einigen charakteristischen Türmen, die 
bei der Einfahrt grüßten, war der erste Anblick ernüchternd. 
In den Straßen wogte ein reges Leben und Treiben in 
Feldgrau und Marineblau, daß man bisweilen im Ge 
dränge stecken blieb. Dazwischen sah man Zivilisten, beson 
ders Frauen und Mädchen, in die Konditoreien strömen, 
wo sie sich auf die angeblich mit Hundefett gebackenen, 
aber sehr leckeren Törtchen stürzten. Auf dem großen 
Platz'spielte die Militärmusik. Ein Winken, Nicken, Lächeln, 
Unterhalten überall. Dazu ein Massenrundgang um das 
Musikhäuschen mit Vorbeimarsch an den zwanglosen Stand 
plätzen der Marineoffiziere, Feuerwerker, Mannschaften, 
Beamten, Kavallerieoffiziere. Die flämischen Meisjes-spa 
zierten voll Stolz mit selbstgeklöppelten Spitzenkragen und 
waren sauber herausgeputzt. Das sollte also das „tote 
Brügge" sein? 
Das Ende der Musik und ein von ferne drohender 
Fliegerangriff, der jedoch nicht bis über die Stadt ge 
langte, zerstreute den bunten Schwarm. Äm Nachmittag 
führte mich meine Wanderung auf den malerisch in der 
Sonne liegenden alten Burgplatz. Ernst und hehr mutet 
das Rathaus aus dem 15. Jahrhundert an mit seinen 
Spitzbogen und seinen Strebepfeilern, die mit den Stein 
figuren flandrischer Grafen geschmückt sind. Zur Rechten 
ruht in einem Anbau, aufs prunkvollste verwahrt, die Reli 
quie der Blutstropfen Christi aus dem Heiligen Lande. Am 
3. Mai jedes Jahres wurde das kostbare Heiligtum in großer 
Prozession durch die Stadt getragen, und Brügge kleidete 
sich in schon fast sagenhaft gewordenen Pomp. 
Mein Weg führte weiter an den trotzigen Belfried mit 
den gotischen Hallen zu seinen Füßen, in denen einst die 
großen Käufe und 
Verkäufe der Welt 
handelstadt abge 
schlossen wurden. 
Einen auffallend 
schönen Burgturm 
besitzt das Münster 
St. Salvator, des 
sen Wucht im Ver 
gleich zur nahe 
stehenden gotischen 
Liebfrauenkirche 
besonders auffällt. 
Aus dem Chor fällt 
der Blick mit Ent 
zücken auf das mit 
telalterliche Haus 
der Herren von 
Brügge, den Palast 
Eruthuse, und die 
Erachten. 
Ein Zufall führt 
mich an das Minne 
wasser. Schwäne 
ziehen darüber hin. 
Sonnengold fängt 
sich in den Fluten. 
Wie ein unendlich 
wehmütiges Erin 
nern an einstige, 
längst vergangene Pracht liegt es über dem ganzen 
Bild. Ist es möglich, daß vor wenigen hundert Jahren 
an. derselben Stelle ein Mastenwald ragte, daß sich hier 
die weitverzweigtesten Handelsbeziehungen knüpften und 
die Farben aller Herren Länder von den Schiffen grüßten? 
Vom Meere her schob damals der „Zwyn" seine Wogen 
in die schmale Bucht und ließ um das Jahr 1200 zwischen 
Cadzand und Brügge die Dämme unter seiner stürmenden 
Wucht zerbersten. Die Dünen wurden weithin über 
schwemmt. 
Dieses Unglück sollte.der Anlaß zu großem Aufschwung 
werden. Bald hernach entstanden prächtige Kaianlagen. 
„Dammes", ein vorgelagerter Hafen Brügges, entwickelte 
sich zum weltberühmten, ausgedehnten Handelsort. Mäch 
tige Hallen und prunkvolle Häuser der reichen Großkaus- 
herren wuchsen aus der Erde. Das Gewerbe blühte. Nun 
konnte sich Brügge die Prachtbauten gestatten, die jetzt 
noch als stumme Zeugen vor mir stehen. 
Die allmähliche Versandung des Zwyn nagte fast un 
sichtbar an der stolzen Größe Brügges. Die Bedeutung 
des Handelsplatzes sank, und der Kampf der Menschen gegen 
den tötenden Sand wurde durch ein geschichtliches Ereignis 
so gut wie aussichtslos. Marimilian I. schnürte den Zu 
strom nach Brügge vollends ab, indem er Antwerpen 
emporhob und begünstigte. Nun konnte man der lang 
samen Verödung Brügges keinen Einhalt mehr tun. Es 
ist ein letzter Hauch des qualvollen Absterbens über der 
Stadt zurückgeblieben und gibt ihr heute das melancholische, 
halb traumversünkene Gepräge. 
Brügge hat eine blutige Geschichte. Alte Chroniken 
berichten uns von der „Maimette", die sämtlichen Fran- 
zöslingen am 19. Mai 1302 das Leben kostete. Frank 
reichs König war außer sich vor Zorn und sandte den Grafen 
Robert von Utrecht mit 50 000 Mann gen Lille. Die 
Phot. Berl. Jlliistrat.--Ges. m. b. H. 
Aufgefischte englische Stahldrahtnetzsperre in der Halle des Seebahnhofes von Ostende. 
Das Netz dient zur N-Booiabwehr, ist unten stark beschwert und hat oben Schwimmer, die es senk 
recht im Wasser halten.
	        
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