Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Heeresleitung 
mit noch viel 
weiterreichen 
den Zielen. Die 
Murmanküsteift 
als Aufmarsch 
gebiet für grö 
ßere Verband 
streitkräfte ge 
dacht, die von 
hier aus unter 
Benützung der 
Murmaneisen- 
bahn leicht bis 
nach St.Peters- 
burg gebracht 
werden und 
gleichzeitig 
Finnland und das Innere der russischen Republik angreifen 
können. Aus diesem Grunde haben die Vertreter Englands, 
Frankreichs und Amerikas mit dem Murman-Sowjet ein 
besonderes Abkommen getroffen, das den Verbandsmächten 
die vorübergehende militärische Besetzung und Verwaltung 
des Murmangebietes „zum Schutz gegen die Mittelmächte" 
einräumt. — Unter dem Murmangebiet versteht dieser 
Das St. JnnozenL-Klosier Ln Irkutsk. 
Nach einer Origmalzeich- 
nung von Max Titte. 
Der höckste Punkt der sibirischen Bahn im Ural. 
Vertrag die beiden Kreise Kola und Archangelsk des frü 
heren russischen Gouvernements Archangelsk. Damit er 
streckt sich die militärische Oberhoheit des Verbands auch 
auf das ganze Küstengebiet zu beiden Seiten der Dwina 
mündung. Die Dwina, die aus südöstlicher Richtung kommt, 
ist eine wichtige Verkehrstraße, die ins Herz Eroßrußlands 
führt; von noch größerer Bedeutung aber ist die in Arch 
angelsk mündende Bahnlinie, die die Haupt 
stadt Moskau über Wologda mit dem Weißen 
Meere verbindet. 
Während des Krieges hat Archangelsk eine 
gleiche Blütezeit erlebt wie das kleinere Mur 
mansk. Bei Kriegsausbruch zählte Archangelsk 
etwa 30 000 Einwohner; fast ebenso groß aber 
war die Zahl der Pilger, die in den Sommer 
monaten aus allen Gauen Rußlands zu dem 
berühmten, auf einer Insel inmittender Dwina 
mündung unweit von Archangelsk gelegenen 
Solowetzkikloster wallfahrteten, das eine der 
größten und ältesten geistlichen Ansiedlungen 
in Rußland ist und dessen Archimandrit Rang 
und Stellung eines Fürsten genießt. 
Mit den ersten Kriegsjahren brach eine 
goldene Zeit für Archangelsk an. Da die Mur- 
manbahn den ungeheuren Frachtverkehr Ruß 
lands mit den verbündeten Staaten nicht be 
wältigen konnte, so ging die Mehrzahl aller 
Schiffsladungen nach Archangelsk, um von dort 
aus teils mit der Bahn, teils auf der Dwina 
stromaufwärts ins Innere Rußlands verfrachtet 
zu werden. An den Kais drängten sich in 
langen Reihen englische, schwedische,norwegische 
und amerikanische Kauffahrteischiffe, die ihre 
Ladungen in den rasch entstandenen unge 
heuren Magazinen und Speichern der Spedi 
tionsagenturen löschten. 
Die Bevölkerung hatte sich in kurzer Zeit 
verdoppelt. Mit Schiff und Eisenbahn strömten 
Angehörige aller Völkerschaften des weiten 
Zarenreiches nach dem Hafen am Weißen 
Meer, um Arbeit zu suchen und Geschäfte 
zu machen. Es war ein wahres Elücksland, 
wo das Geld sozusagen nur so auf der Straße lag. 
Millionen sind während der Kriegszeit in Arch 
angelsk verdient, verloren und erschwindelt 
worden. 
Seitdem Rußland mit den Mittelmächten 
Frieden geschlossen hat und sich wieder die 
Wege für den Landesverkehr mit dem Westen 
geöffnet haben, ließ der Verkehr über Arch 
angelsk einigermaßen nach. Umso größer 
aber wurde die militärische Bedeutung des 
Platzes, als ihn die Engländer besetzten, um hier 
wie längs der Murmanbahn eine Operations 
basis für ihre Truppen zu schaffen. Absicht des 
Verbandes ist es, den ehemaligen Verbündeten 
nicht zur Ruhe kommen zu lassen und mit Hilfe 
der Tschecho-Slowaken, der Monarchisten und 
Gegenrevolutionäre die Regierung der Bolsche 
wik zu stürzen und Rußland abermals in den 
Krieg gegen die Mittelmächte zu hetzen. Zu 
diesem Zweck will England eine neue Ostfront 
Typische Bockbcücks der Murmanbahn. 
Blick auf Tobolsk. 
Kriegshafen ausbaute. Die Bevölkerung des Murman 
gebietes besteht aus Russen, die teilweise Nachkommen der 
hier im 16. Jahrhundert angesiedelten Verbrecher und 
Verbannten sind, außerdem sind Lappen und Finnen in 
geringerer Anzahl vertreten. Sie leben von Pelzhandel 
und Holzfällerei, vor allem aber von der Fischerei. Im 
Sommer finden sich dort etwa tausend Fangschiffe ein, 
die viele Millionen Kilogramm Stockfische und 
Heringe erbeuten, die teilweise in Nordrußland 
selbst, teils in Schweden Absatz finden. 
Für den russischen Aberseeverkehr kam die 
Murmanküste früher so gut wie gar nicht in 
Betracht, da Rußland direkten Zugang zur 
Ostsee hatte und das Murmangebiet mit dem 
Hinterland kaum durch fahrbare Straßen ver 
bunden war. 
Als der Weltkrieg Rußland von der Ostsee 
und dem Schwarzen Meere abschloß, gewann 
dieser Seeweg eine ganz ungeahnte Bedeu 
tung, denn die Murmanküste stellte nun die 
einzige Verbindung des Zarenreiches mjt dem 
Weltmeer und mit seinen Verbündeten über 
haupt dar. Die russische Regierung beschloß 
daher bereits im Winter 1914/15, eine Bahn 
verbindung zwischen der Hauptstadt Petersburg 
und der Murmanküste herzustellen. England, 
das am Bau dieser Bahnlinie am meisten in 
teressiert war, lieferte die nötigen Baustoffe, 
und englische Ingenieure leiteten die Arbeiten, 
die von deutschen und österreichisch-ungarischen 
Kriegsgefangenen ausgeführt wurden. Da das 
Gelände fast ganz eben ist, waren außer Wäl 
dern und Sümpfen keine sonderlichen Schwie 
rigkeiten zu überwinden, so daß der Verkehr auf 
der insgesamt 1456 Kilometer langen Strecke 
bereits im Sommer 1916 aufgenommen werden 
konnte. Die Bahn geht von Petersburg aus 
zwischen dem Ladoga- und Onegasee hindurch 
nordwärts nach Kandalakscha in der Nordwest 
ecke des Weißen Meeres, läßt dann die keilartig 
vorspringende Halbinsel Kola rechts liegen, 
wendet sich in gerader Richtung nach Norden 
und erreicht bei Semsenowa, dem Hafen der 
Küstenstadt Alerandrowsk, das Meer. 
Der Bahnbau ^ und vor allem der große 
Güterverkehr, der sich sehr bald auf dieser neuen 
Strecke abwickelte, haben der sonst so ruhigen 
Murmanküste in kurzer Zeit ein anderes Gesicht 
gegeben und die dortigen Verhältnisse von 
Grund aus umgestaltet. Die Stadt Mur 
mansk, die an dein 20 Kilometer landeinwärts 
reichenden Murmangolf liegt, bestand vor dem 
Kriege aus einer bescheidenen Anzahl kleiner 
Fischerhütten; heute ist sie zu einer ansehnlichen, 
in stetem Zunehmen begriffenen Stadt von 
über 6000 Einwohnern angewachsen. Politisch 
bildet das ganze Murinangebiet eine selbstän 
dige Republik,' die von sieben „Räten" geleitet 
wird, bereu jeder wieder seine besonderen 
Rechte besitzt. So regiert der „Rat für das 
Murmangebiet" die Hauptstadt Murmansk im 
allgemeinen; dem „Eisenbahnrat" untersteht 
die Eisenbahn 
und ihre Be 
amten, der „Ha 
fenrat" beschäf 
tigt sich aus 
schließlich mit 
den Hafen- und 
Schiffahrtsan 
gelegenheiten. 
Bei so vielen, 
voneinander un 
abhängigen Be 
hörden, von de 
nen sich jede als 
die oberste dünkt 
und keine sich 
der anderen un 
terordnen will, 
herrscht natürlich erst recht keine Ordnung, und so hatten 
die Engländer leichtes Spiel, als sie in Murmansk Truppen 
landeten, um sich zu Herren des Murmangebietes zu machen. 
Es besteht kein Zweifel, daß England an der Murman 
küste ein nordisches Gibraltar zu errichten bestrebt ist, das 
den russischen Seeverkehr unter englische Kontrolle stellen 
soll. Während des Krieges aber trägt sich die englische 
Die Vorhut der Kalmücken des Sasker Kreises, die sich gegen die Tschecho- 
Slowaken erhoben haben, besetzt die Bahnlinie Pensa—Simbirsk.
	        
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