Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
uns liegt. Weithin sichtbare Tafeln warnen Fuhrwerke 
und Fußgänger vor dem Zusammenstehen. Kam es doch 
einige Male vor, daß feindliche Flieger unter ihren Lands 
leuten um die Mittagzeit, wenn sich der Hauptverkehr ab 
wickelte, ein Blutbad durch Splitterbomben anrichteten. Im 
stolzen Rathaus an der Place d'armes, das aus dem Jahre 
1873 stammt, hämmern die Mohren in kunstvollem Spiel 
an die hellen Glocken. Andächtig lauschen die Feldgrauen 
auf das liebliche Kling-Klang nach den rauhen Tönen 
des Krieges an der Front. Im alten Stadtviertel bei 
Fönelon stehen malerische Giebelhäuser. Alte Tore schlagen 
ihre Bogen von einer Seite des Sträßchens zur anderen. 
Himmelan reckt sich die erneuerte Kathedrale, die das Grab 
mal Fsnelons birgt. Breite Boulevards queren die Alt 
stadt und führen nach den Festungsmauern mit ihren alten 
Rundtürmen. Seit 1063 steht die wuchtige Porte de 
Paris, die im Jahre 1716 erneuert wurde. Im Hinter 
gründe erhebt sich als Gegenstück der feingliedrige Tour 
des Arquets. Vor der Zitadelle ziehen sich schöne Anlagen 
entlang. Man findet darin ein Denkmal, das die Heimat 
stadt ihrem Sohne Louis Blsriot errichtet hat — dem 
Flugzeugbauer, der als ■ erster den Kanal überflog. Die 
Boulevards füh 
ren weiter zu den 
Vorstädten, die 
manch herrlichen 
Ruhesitz ausweisen. 
Einerder schönsten 
ist das Schloß Bra 
bant mit den Pal 
menhäusern Und 
dem vorbildlich an 
gelegten Park mit 
weiten Durch- 
blicken.EinTheater 
und mehrere Kinos 
dienen der Unter 
haltung. Besonde 
ren Reiz bieten die 
drei Arme der 
Schelde, durch die 
eine Verbindung 
hergestellt ist mit 
Sensoe, Somme 
und Oise. Fünf 
große Eisenbahnen 
laufen am Nord 
ostrand der Stadt 
zum Knotenpunkt 
zusammen. 
Schon aus den 
Bauten und der 
geographischen 
Lage ergibt sich, 
daß Cambrai im 
Frieden nicht nur 
eine blühende Handelstadt war, sondern daß es auch eine 
alte Geschichte hat. Das alte Camaracum der Römer war 
eine der hervorragendsten Städte Galliens mit Wasserleitung, 
Amphitheater und Prachtbauten. Im fünften Jahrhundert 
war die Stadt nach alten Überlieferungen im Besitz der 
Franken. Von 925 bis 1677 befand sich Cambrai durch 
Verleihung in deutschem Besitz. Erst mit dem Aussterben 
der Grafen von Cambrai wurde das deutsche Kambryk der 
Zankapfel zwischen Burgund, Spanien und Österreich. 
Endgültig ging es den Deutschen verloren, als es Frank 
reich 1677 genommen und im Nymwegener Frieden abge 
treten wurde. Vor hundert Jahren zogen auch die Eng 
länder durch Cambrai: Wellington hielt als Sieger seinen 
Einzug in die Stadt. 
Wenige Jahre darauf wurde das Erzbistum mit dem 
Sitz in der Stadt wieder hergestellt. Nicht weniger als acht 
Klöster, sowie zwei bischöfliche Seminare beherbergt sie 
neben den vielen Kirchen. Auch die Bewohner sind ein 
ernster Menschenschlag. Wenn man von Lille oder Longwy 
kommt, fällt es auf, welch ruhigen, gut bürgerlichen Ein 
druck Mädchen und Frauen in Cambrai machen. 
Gerühmt ward schon seit alter Zeit die Stoffindustrie 
Cambrais. Kambrikstoffe, Batistleinwand, Kammertuch, 
baumwollene Spitzen und Tülle wurden alljährlich für 
schätzungsweise dreizehn Millionen Franken hier angefertigt 
und weiterverkauft. Daneben bestanden Brennereien, 
Brauereien, Salz- und Ölraffinerien, und mit Getreide, 
Hanf, Hopfen und Steinkohlen wurde ein schwunghafter 
Handel getrieben. 
Nach dem Mißlingen der Tankschlacht bei Cambrai 
schlugen feindliche Geschosse der Stadt schwere Wunden. 
Manches Gebäude sank in Trümmer. Dann war der 
Stadt durch die deutsche Offensive im Jahre 1918 eine 
Zeit der Ruhe beschieden, bis die Feinde wieder an die 
alte Siegfriedstellung vordrängten, wodurch Cambrai von 
neuem in den Feuerbereich englischer und französischer Ge 
schütze geriet, deren Granaten im Verein mit Flieger 
bomben abermals Verheerungen anrichteten. 
Mordgelüste eines amerikanischen Offiziers. 
Von der Westfront wird uns geschrieben: „Daß sich die 
weißen und farbigen Verbandsbrüder an deutschen Ver 
wundeten vergriffen haben und sie in tierischer Weise miß' 
handelten, ist zu wiederholten Malen bewiesen und durch 
Augenzeugen erhärtet worden. Kaum an die Front ge 
kommen, haben sich 
jetzt auch Ameri 
kaner, zunächst Of 
fiziere , kolonial- 
französisch-eng 
lische Niedertracht 
gelehrig zu eigen 
gemacht. Folgen 
der Fall beweist, 
wie wenig man 
in sittlicher Be 
ziehung auch von 
diesen zu erwar 
ten hat. 
Ein Grenadier 
aus Oberschlesien 
war bei einem er 
folgreichen Erkun 
dungsvorstoß sehr 
schwer verwundet 
worden. Neben 
ihm lag ein durch 
einen Bauchschuß 
verwundeter Ame 
rikaner. ... 
Als dieser eine 
amerikanische Pa 
trouille, bestehend 
aus einem Offi 
zier und einem 
Gemeinen, nahen 
hörte, machte er 
sich den beiden be 
merkbar. 
Der amerikanische Offizier geriet beim Anblick dcs 
deutschen Soldaten in eine maßlose Wut und versuchte so 
fort» ihn blindlings mit seinem Revolver zu erschießen, ob 
wohl er an den blutüberströmten Beinen des am Boden 
Liegenden sah, daß es sich um einen Schwerverwundeten 
und völlig Wehrlosen handelte. Nur den Bitten des ver 
wundeten Amerikaners, der selbst am eigenen Leibe er 
fahren und gesehen hatte, wir gut ihn die Deutschen nach 
seiner Verwundung als Kameraden behandelt hatten, und 
dem energischen Auftreten des anderen amerikanischen Ge 
meinen, der Deutsch sprach, ist es zu danken, daß der 
Offizier den bereits erhobenen Revolver absetzte. Sie 
konnten aber nicht hindern, daß der Rohling den lautauf 
stöhnenden Grenadier mit Fußtritten von seiner Bahre 
hinunterstieß und ihn hohnlachend seinem Schicksal über 
ließ. Am Abend wurde dann der Grenadier durch eine 
deutsche Offizierspatrouille in die eigenen Linien zurück 
geholt, doch war seine Verwundung durch die unmensch 
liche und rohe Behandlung so verschlimmert, daß sein 
Bein im Feldlazarett abgenommen werden mußte." 
Die „Baralong"-Mörder und die zahlreichen fran 
zösischen Quäler wehrloser Deutscher haben in diesem 
„Gentleman" aus Amerika einen würdigen Genossen er 
halten !
	        
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