Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
von Kriegswirkungen 1000 Milliarden ausgeben könnten, 
schien vor vier Jahren völlig undenkbar, ja, widersinnig. 
Unterdessen ist das Unmögliche geschehen. 
Die mittelbaren und unmittelbaren Kriegskosten betrugen 
für die im Vierbund vereinigten Mächte mehr als 2OO Mil 
liarden, für das britische Weltreich (ohne die Darlehen 
an seine Bundesgenossen) 130 Milliarden. Ebensoviel hat 
Rußland ausgegeben, die französischen Kriegskosten er 
reichten annähernd 100 Milliarden, die italienischen betrugen 
45, die amerikanischen mindestens 40 Milliarden. Rechnet 
man die Rüstungskosten der Neutralen und die Ausgaben 
der Gemeinden und sonstigen öffentlichen Körperschaften 
hinzu, so ergibt sich eine Summe von rund 750 Milliarden 
oder drei Vierteln einer Billion. 
Zu den Kriegskosten gehören aber auch die 25 bis 30 
Milliarden, die für Wiederherstellung der durch den Krieg 
verwüsteten Gebiete werden aufgewendet werden müs 
sen; ferner die schätzungsweise 12 Milliarden Kriegs 
beschädigten- und Hinterbliebenenrenten, entsprechend einer 
Kapitalschuld von 240 Milliarden. Das ergibt zusammen 
Daß diese Wertbewegung nicht einfach einer Wert 
vernichtung entsprechenden Umfanges gleichgesetzt werden 
kann, ergibt sich aus einer einfachen Rechnung. Deutsch 
land (Reich, Bundesstaaten und Gemeinden) wird bis zuin 
Herbst 1918 eine Schuldenlast von etwa 140 Milliarden 
erreicht haben (ohne die Rentenverpflichtungen). Dauerte 
der Krieg noch weitere vier Jahre, so würden, bei steigenden 
Kosten, die Schulden auf mindestens 4OO Milliarden ge 
stiegen sein; das heißt auf mehr, als nach den Höchst 
schätzungen das gesamte deutsche Volksvermögen vor dem 
Kriege betrug. Der Vermögenstand wäre somit unter 
Null? Aber der Ackerboden, die Wälder, die Gebäude, die 
Bahnen, die industriellen Anlagen wären ja noch da, wenn 
auch in der Ertragfähigkeit gemindert oder abgenutzt; und 
Auslandschulden ständen diesen Werten nicht gegenüber. 
Keine noch so große rechnerische Verschuldung kann also 
das Volksvermögen tatsächlich aufzehren. 
Es steht vielmehr so, daß die zur Hälfte oder zu drei 
Vierteln Staatswirtschaft gewordene Volkswirtschaft der 
kriegführenden Länder sich selbst überzahlt. Man stelle 
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Voyelschaukarte von der Bagdadfront bis zum Kaspischen Meer. 
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mehr als eine Billion deutscher Währung. Was bedeutet 
diese Zahl? 
Das berechenbare Gesamtvermögen der Menschheit 
konnte um 1914 auf annähernd 3 Billionen Mark» genauer: 
28OO bis 29OO Milliarden, geschätzt werden. Ist somit die 
menschliche Gesamtheit durch den Krieg um reichlich ein 
Drittel ihres Besitzes ärmer geworden? Dem widerspricht, 
jede Betrachtung, die nicht das Geld als solches, sondern 
die tatsächlich angerichteten Sachzerstörungen, Abnutzungen, 
Verluste menschlicher Arbeitskraft zum Maßstab nimmt. 
Auch so gesehen, sind die Kosten des Krieges sehr bedeutend; 
aber sie kommen entfernt nicht einem Drittel des mensch 
lichen Gesamtvermögens gleich. Betrachten wir statt der 
ungeheuerlich verschuldeten Staaten die Einzelbürger, so 
finden wir sogar, daß (rechnerisch) ihr Vermögen und Ein 
kommen durchweg gewaltig zugenommen hat. Daraus 
zu schließen, daß durch den Krieg die Menschhert reicher 
geworden sei, wäre natürlich noch sinnwidriger. Vorerst 
und hauptsächlich also müssen wir in den „Kriegskosten" 
eine Wertbewegung, den Übergang von Hunderten von 
Milliarden aus den Händen der früheren Eigentümer in 
andere Hände sehen. 
sich vor, daß der Staat, schon jetzt der weitaus bedeu 
tendste Arbeitgeber, bei fortschreitender Einbeziehung aller 
Betriebe in die Kriegsarbeit zum einzigen Arbeitgeber 
wird. Als Unternehmer verfährt er dann nach ausschließ 
lich staatswirtschaftlichen Grundsätzen, als Bezahler und Ent 
lohne! jedoch immer noch nach solchen privatwirtschaftlicher 
Art. Dieses „gemischte" Verfahren bringt es mit sich, daß 
die Volksgesamtheit» insofern sie Löhne empfängt und Ge 
winne erzielt, den vollen Betrag der Kriegskosten auf ihrer 
Habenseite verbucht, während sie gleichzeitig, insofern sie aus 
Steuerzahlern besteht, für genau den gleichen Betrag in 
Form von Staatsschulden aufkommen muß. Alle Ein 
nahmen des Volkes werden zu Schulden des Staates; 
alle Schulden des Staates zu Einnahmen des Volkes. 
Da die Wirtschaft in solchem Maße noch nicht ver 
staatlicht ist, konnte das Wesen der Kriegskosten so unklar 
bleiben. Sie sind eine Mischung aus sachlichem Verlust 
und einer (der Zahl nach viel beträchtlicheren) Vermögen- 
und Einkommenbewegung. Das in Ziffern ausdrückbare 
Ergebnis wird sein: verteuerte Lebenshaltung und höhere 
Steuern, zu zwei Dritteln bis drei Vierteln ausgeglichen 
durch höhere Vermögen und Einkommen.
	        
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