Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/1$. 
Jllustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
nacht befinden sich auch eng 
lische Stoßtruppen und ge 
gen dreihundert tschechische 
Legionäre in italienischer 
Uniform, teils ganz ohne 
Abzeichen und Waffe, teils 
mit rot-weiß-rotem Kragen 
streifen und mit den alten 
österreichischen Dekorationen 
neben den neuerroorbenen 
italienischen. Sie waren 
kompanieweise aufgeteilt 
worden,' ihr Kompanie 
führer, Leutnant Zemann, 
wurde mitgefangen, mit 
gehangen. Schon umzingelt, 
wehrten sie sich mit dem 
Mute der Verzweiflung und 
warfen wütend Handgrana 
ten nach den italienischen 
Nachbarn, die sie im Stich 
zu lassen drohten. 
Südlich von Nerves« in 
der Ebene bei Ponte, San 
Dona und Capo Sile sind 
Generaloberst Wurms 
Sturmbataillone über Fluß 
und Kanal. Von Treviso 
aus setzt Generalissimus Diaz 
gegen sie die Korps 30, 27 
und das aus Achtzehnjäh 
rigen neuformierte Korps 
des Generalleutnants Croce 
in Marsch. Der Vorteil der 
inneren Linie erleichtert ihm 
überdies die Rochade aus 
der Alpenfront zur Piave. 
■ Das Wichtigste ist er 
reicht: der Scheitelpunkt der 
italienischen Winkelstellung 
ist mit der Erstürmung des 
Montello durchstoßen. Die 
Ausrollung der ganzen 
Piavefront von hier aus 
scheint möglich, ja sicher. Da 
spricht die Natur ein uner 
bittlich hartes Veto. Der 
Himmel öffnet sich, Sintflut 
bricht herein (siehe Bild 
Seite 9). Die Berge brausen, 
die Furchen, die das Alter in 
sie grub, überströmen wie 
von Tränen. Und alle Wasser 
ergießen sich in die Piave, die 
rasch anschwillt. Die obere 
Brücke reißt unter dem über 
starken Wasserdruck, losgeris 
sene Brückenkähne treiben 
gegen die untere und durch 
stoßen auch sie. Die italie 
nische Artillerie hat an den 
Brücken Ziele, die auf die 
Dauernichtzuverfehlensind. 
Aus dem Strom stei gen Wal 
fischfontänen in immer mehr 
verengter Folge auf. 
Plötzlich sind auch Flie 
ger da. Sie sind in lang 
gestrecktem Gleitflug aus 
großer Höhe lautlos herab 
gekommen» nun heult ihr 
Motor wieder auf, ratschen 
ihre Maschinengewehre, ein 
Stahlhagel prasselt auf die 
Brückenkähne, die siebartig 
durchlöchert sinken. Vom Ufer knallen Abwehrkanonen» die 
Sprengstücke ihrer Schrapnelle gefährden die eigene Mann 
schaft, die sie schützen wollen. Ein, zwei, drei der großen 
Caproni-Bombenflugzeuqe zerschellen abgeschossen auf dem 
Karst des Montello, ein Nieuport lodert wie eine vom Himmel 
Tüekiicke Kavallerie bei der Verfolgung de- auf 
dem östlichen Jordanufer geschlagenen Engländer. 
geschleuderte Fackel nieder: Italiens berühmtester Kampf 
flieger, Major Baracca, ist ein Häuflein Asche. Ihn schoß 
der k. u. k. Oberleutnant Barwig (siehe Bild in Band VIII 
Seite 360) ab. Oberleutnant v. Hoffmann und seine Schar 
werfen sich den Engländern entgegen, die auf ihren Sop- 
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with-Doppeldeckern wie wütende Bulldoggen Flieger, Pio 
niere, Artillerie und Infanterie angehen. Hilft nichts, hilft 
alles nicht! Der feindlichen Flieger sind zuviel, der feind 
lichen Granaten sind zuviel. Verhundertfachter Sisyphus, 
arbeiten die Pioniere Tag und Nacht, fallen» verschwinden 
klaglos in der Flut, schleppen 
neue Brückenkähne zu Was 
ser, erdenken sich neue Uber- 
schiffungsarten — hilft nicht, 
hilft alles nichts! Sechsmal 
fertig, sind Brücken und 
Stege sechsmal zunichte. 
Die Divisionen drüben 
auf der grünen Schildkröte 
des Montello kämpfen mit 
ungedecktem Rücken, ohne 
schwere Artillerie, ohne aus 
reichenden Nachschub an 
Mann, Munition und Le 
bensmitteln. Da kann nur 
eines alles ändern: den An- 
grifs so weit vortragen, daß 
die Piaveübergänge außer 
Schußbereich der feindlichen 
Artillerie gelangen. Die 
tapferen Ungarn und Nie 
derösterreicher brechen aus 
den eroberten Höhlen vor, 
Offiziere voran. Don einer 
Schützendivision allein fallen 
beide Brigadiers: General 
major Bolzano und Oberst- 
brigadier Schimmerer. Tief 
dringt der Angriffskeil in 
die Bergfeste ein; gipfel 
nahe setzt man sich in italie 
nischen Gräben und Höhlen 
fest und wartet auf — nicht 
auf Ablösung, Entsatz» Ver 
stärkung, nein: auf Muni 
tion und Lebensmittel. Die 
Patronen sind verschossen, 
die Handgranaten verschleu 
dert, die eiserne Ration ist 
verzehrt: was sich an Le 
bensmitteln bei den Italie 
nern fand, ist gleichfalls 
aufgegessen. Der Nachschub 
aber sickert noch immer 
tropfenweise. Ketten von 
Trägern befördern die Mu 
nitionskisten vom Fluß zunr 
Berg, Flieger werfen Säcke 
mit Konserven über der 
ersten Linie ab — alles nicht 
genug. Die eine Laufbrücke 
steht endlich, das Wetter 
hellt sich auf — doch neuer 
Gewitterregen reißt die 
Brücke wieder fort. 
Da faßt die Heereslei 
tung den schweren, aber 
notwendig gewordenen Ent 
schluß, wieder hinter die 
Piave zurückzugehen. Die 
Durchführung geschieht so 
meisterlich, wie es der erste 
Angriff war. 
Vom nördlichen Piave 
knie greift ein weißer Arm 
herüber — der starke Licht 
arm eines italienischen 
Marinescheinwerfers. Von 
Süden kreuzt ihn ein an 
derer, kleinerer, der nervös 
hin und her fährt. Der 
große Lichtarm hebt die 
Piave aus dem Schutz des 
Dunkels in die unheimliche 
Helle einer Polarnacht. Das 
Mündungsfeuer der schweren Mörserbatterien zuckt wie 
Wetterleuchten zu den Wolken auf, die schwarzgeballt und 
überschwer herniederhängen. Die kleinen Eeschühkaliber 
spucken Feuer. Eine Ringstraße von Leuchtraketen erneuert 
sich pausenlos am Fluß und Berg, über sie hinaus steigen 
Nach einer Originalzeichnung des 
Krtegsmalers Fritz Grotemeyer.
	        
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