Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18° 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Die Nacht des Schreckens. 
Ein Kriegsbild aus Italien. 
Von Dr. phil. Otto Rudert. 
Wir saßen beim „vaüs nero“ und den blauschwarzen 
„toscani“ im behaglichen Zimmerchen des Rettore. Das 
heißt, nur wir Deutsche rauch 
ten die kräftigen Italiene 
rinnen, der Rettore hielt es 
für einen Priester nicht für 
anständig, Zigarren zu rau 
chen; er zog die Pfeife vor, 
denn er war, wie er selbst 
sagte: „Magnus amator pul- 
veris tabacci“. Wir sprachen 
nämlich Lateinisch. Seliger 
Cicero, guter Horaz! Ver 
zeiht eurem einst treuen Schü 
ler die „barbariss lingua“, 
die wir — verschönt durch 
die echteste Katzelmacheraus 
sprache—damals verbrachen. 
Aber eure Laute hatten uns 
das schöne Quartier im Wai 
senhause Francesco Tomadini 
verschafft, und da der Ret 
tore nicht Deutsch verstand, 
und unser Italienisch nicht 
über die üblichen Bädeker- 
kenntnisse hinausging, war 
uns die Sprache Vergils ein 
liebes Verständigungsmittel. 
Und durch sie lernten wir 
den geistreichen und liebens 
würdigen Priester erst recht 
kennen, der mitten in dem 
tollen Durcheinander treu 
seine Stellung behauptet 
hatte, während um ihn die 
Furcht uno die Verwirrung 
Unheil in das krie gsdurchtobte 
Friaul trug. So fanden wir 
in der verödeten und verstör 
ten Stadt ein wirkliches Heim. — Der Rettore war einer 
derjenigen Italiener, die sich durch das Kriegsgeschrei 
seiner Landsleute nicht hatten verwirren lassen. Seine 
Feindschaft galt nicht uns oder unseren Bundesgenossen, 
sondern den Abenteurern, die das Land in das Abenteuer 
des Verbands gestürzt hatten, und die er uns nannte. 
Die „signori" und die „kran- 
oomaooni" — die führenden 
Gesellschaftsklassen und die 
Freimaurer, welch letztere in 
den romanischen Ländern oft 
genug eine unheilvolle Rolle 
in der Politik spielen. 
„Und sehen Sie," fuhr er 
fort, indem er die ausge 
rauchte Pfeife zur Seite legte, 
„was haben wir erreicht? Der 
Feind ist im Lande, unser 
schönes Heer ist zerschlagen, 
die Bevölkerung flüchtet ob 
dachlos, brotlos, hilflos. Das 
arme Vaterland ..." 
Der Priester sah gedanken 
voll in den Lichtkreis der 
Lampe. 
„Wenn die Leute wenig 
stens die Vernunft behalten 
hätten. Aber es war, als 
wäre das ganze Volk wahn 
sinnig geworden. Wahnsin 
nig aus Angst vor den Deut 
schen. Sie wissen, wir hat 
ten das Große Hauptquar 
tier hier in der Stadt. Der 
General Cadorna hatte drü 
ben im Königlichen Gym 
nasium an der Piazza Um 
berto primo sein Stabs 
bureau. Ein Leben herrschte 
hier, wie es unsere Stadt 
noch nie gesehen hatte: die 
Offiziere der Stäbe aller ita 
lienischen Truppen, dazu 
Phot. Lichtbilds! ekle des k. n. k. Kriegsprefsequartiers. 
Straßenbild aus dem wiedereroberten Berat.
	        
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