Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
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daß der einstür 
zende Turm die 
Drähte nicht voll 
ends zerrissen hat 
te. Der Unteroffi 
zier erzählte mir: 
der Beobachter 
war wie durch ein 
Wunder nicht ge 
troffen worden 
und hatte sofort 
Hilfe geholt. Aber 
der Tommy mußte 
etwas geahnt ha 
ben. Er hatte so 
fort dieHilfsmann- 
schaften befeuert. 
Daher die nahen 
Einschläge vorhin. 
Wir saßen und 
warteten. Viertel 
stündlich, kam der 
Anruf von der Bat 
terie. Nie habe ich 
so gern den Hörer 
ans Ohr genom 
men. Es war, als 
spräche durch ihn das Leben zu uns Begrabenen. Um 
drei Uhr begann es leise oben zu scharren. Ganz leise, 
ganz fern. Dann deutlicher. Wir hörten Stimmen. Wir 
brüllten Antwort. 
Dann begann wieder der Feuerregen. Der Tommy 
hatte wieder etwas geschnappt. Das Scharren hörte auf. 
Eine Stunde später ging es weiter. Dann rief es herunter: 
„Wir müssen aufhören; 's wird helle. Aber heute nacht 
kommt ihr raus!" 
Noch einen Tag, noch volle zwanzig Stunden saßen 
wir in unserem „Maulwurfsbaue". Ich habe nie eine 
schönere Sommernacht gesehen, als die über uns strahlte, 
als wir unsere Gruft verließen — —. 
Phot. Bild-- und Film-Amt. 
Durch deutschen Fliegerangriff zerstörtes feindliches Munitionslager bei Ornes. 
Die Wohnungsfrage 
nach dem Kriege. 
Von Prof. Dr, Theobald Ziegler (t), 
Frankfurt a. M. 
Die Wohnungsfrage wird 
uns, wie vor dem Kriege schon 
und jetzt während des Krieges, 
nach seiner Beendigung sofort 
vor eine Reihe der wichtigsten 
und der schwierigsten Aufgaben 
stellen. Denn von ihrer rich 
tigen Lösung, von guten und 
behaglichen Wohnungen, hängt 
— man könnte fast sagen —: 
das leibliche und das sittliche 
Sein und Wohlsein des Volkes 
ab. In den Großstädten ist das 
enge Aufeinanderwohnen der 
Bevölkerung eine gesundheit 
liche Gefahr, wie sich das nicht 
nur beim Ausbruch der „spa 
nischen Krankheit", sondern na 
mentlich auch im Kampf gegen 
die Tuberkulose und ihre Ver 
breitung Zeigte; deshalb vor 
allem hat man schon vor dem 
Krieg vielfach Hand an die 
„Sanierung" älterer und be 
sonders eng gebauter Stadt 
quartiere gelegt. Solches Woh 
nen ist aber auch ein moralischer 
Krebsschaden, eine schwere Ge 
fährdung des Familienlebens: 
der Mann, dem es in der über 
füllten Familienstube nicht 
wohl, nicht heimisch wird, ver 
läßt die Wohnung so rasch und 
so oft wie möglich und flüchtet 
Phot. Bild- und Film-Amt. 
Durch eine schwere deutsche Fliegerbombe verursachter Riesen- 
trichter in einer eroberten französischen Ortschaft. 
sich — ins Wirts 
haus; und so zer 
stört das schlechte 
Wohnen erst das 
Behagen, danndas 
Glück und schließ 
lich die Moral 
der Familie, vom 
Schlafburschen 
wesen mit seinen 
Zerrüttenden Fol 
gen gar nicht zu 
reden. Und wie da 
mit auch die Frage 
der Bevölkerungs 
zunahme zusam 
menhängt, liegt 
auf der Hand: den 
so wohnenden 
Männern und 
Frauen graut un 
ter solch Übeln Um 
ständen vor einer 
weiteren Vermeh 
rung der Kinder 
zahl. 
Und nun er 
wartet fast alle Welt, daß nach dem Kriege ein großer 
Mangel an Wohnungen entstehen werde. Diese An 
nahme ist freilich nicht unbestritten; auch hat sie etwas 
Befremdendes. Denn soundsoviel Menschen werden ja 
weniger da sein. Allein auf der anderen Seite wird während 
des Krieges die Bevölkerung im ganzen doch zugenommen 
haben, die Zahl der Wohnungen dagegen hat sich nicht 
nennenswert vermehrt, manche sind wohl auch durch Ver 
nachlässigung vollends verfallen und unbrauchbar geworden. 
Und — doch da wird man unterscheiden müssen —: nicht 
allzuviele Mieter werden nachdem Krieg teurere, das heißt 
bessere und größere Wohnungen zu beziehen imstande sein, 
wohl aber werden recht viele gerade im Wohnen herab 
steigen, zu kleineren und min 
deren sich bequemen müssen. 
Und so wird eine Nachfrage 
nach billigen, das heißt kleinen 
und kleinsten Wohnungen von 
drei, zwei und einem Zimmer 
entstehen, und gerade sie wer 
den nicht in genügender Zahl 
vorhanden sein. Endlich wollen 
wir unseren heimkehrenden 
Tapferen auch nicht zumuten, 
daß sie die Erdlöcher des Unter 
stands vertauschen sollen mit 
kaum viel besseren Wohnstätten 
in der Heimat: sie müssen 
menschenwürdig untergebracht 
werden! Daher stammt ja der 
Gedanke der „inneren Koloni 
sation", der Schaffung von 
Bauernstellen für Kriegsbeschä 
digte und Veteranen; wobei 
wir aber den Nachdruck legen 
wollen auf die innere Kolo 
nisation im eige'nen deutschen 
Land. Denn was wir etwa an 
den Osten abgeben, das geht, 
wenn nicht gleich in der ersten, 
doch sicher in einer späteren 
Generation dem Vaterlande 
und Volkstum verloren; und 
dieses braucht für absehbar 
lange Zeit seine Söhne und 
seine Töchter für sich; und 
braucht Arbeiter nicht bloß 
draußen auf dem Land, son 
dern auch in den Fabrikstädten 
für den Wiederaufbau der In 
dustrie. 
Also eine Wohnungsnot wird 
allerdings nach dem Kriege
	        
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