Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Ein an Lächerlichkeit kaum zu überbietendes Stück voll 
führten 6 italienische Flugzeuge unter Führung des Dichters 
Gabriele d^Annunzio am 9. August, indem sie Wien über 
flogen und hier Tausende von Flugblättern abwarfen, in 
denen sie die Bevölkerung zum Verrat aufforderten. Eins 
der Flugzeuge wurde in der Nähe der Wiener-Neustadt 
abgeschossen. Seine Besatzung geriet in Gefangenschaft. 
An der albanisch-mazedonischen Front (siehe die unten 
stehende Karte) kam die italienische Angrisfsunternehmung 
in den ersten Augusttagen zu einem dem Feinde sehr un 
erwünschten Abschluß. Die schwachen und deshalb zurück 
genommenen österreichisch-ungarischen Streitkräfte, in der 
Hauptsache Bosniaken, warteten nur auf Verstärkungen 
und den Befehl zum Angriff. Der Oberkommandierende 
Generaloberst Freiherr v. Pflanzer-Baltin (siehe Bild in 
Band Y Seite 31), der sich zurzeit gerade in Wien be 
fand, begab sich eiligst im Flugzeug in das albanische Haupt 
quartier, um den Vormarsch persönlich zu leiten. Er 
warf den Feind zuerst bei Kalmi auf das Südufer des 
Semeniflusfes und drang, den italienischen Widerstand 
überall brechend, bereits am 1. August bis kurz vor die 
Linie Fieri—Berat. Die Italiener räumten ihre ganze 
30 Kilometer breite Front und eilten in die Malakastra- 
berge zurück. 
Auch weiter östlich auf den Höhen beiderseits des De- 
voliflusses und im Mali- 
Silova-Eebirge verloren die 
Italiener und Franzosen 
im Sturm mehrere Stütz 
punkte (siehe Bild Seite 105) 
und mußten unter dem 
Druck der Österreicher und 
Ungarn und der Flanken 
bedrohung durch bulgarische 
Streitkräfte wieder in ihre 
Ausgangstellungen hinter 
den oberen Devolifluß zu 
rückgehen. Hier wurden in 
der Folgezeit noch weitere 
örtliche Erfolge erzielt, wäh 
rend ein aus Land- und 
Seefliegern zusammenge 
setztes Bombengeschwader 
am 7. August den italie 
nischen Flugplatz östlich von 
Valona mit deutlich beob 
achtetem Erfolg angriff. 
Die italienische Angriffsbe 
wegung war unter beträcht 
lichen Verlusten so rasch in 
sich zusammengesunken, wie 
sie aufgegangen war. Alle 
kühnen italienischen Hoffnungen und Versprechungen, unter 
denen die Wiedereroberung Serbiens und Montenegros 
noch das wenigste waren, verpufften in nichts. Selbst die 
nächsten Angriffsziele Durazzo und Cattaro (siehe Bild 
Seite 103) mußten wieder fallen gelassen werden. 
In Nordmazedonien (siehe Bild Seite 104) dielten die 
Bulgaren treue Wacht und hatten von Zeit zu Zeit auch 
Feuerüberfälle und Jnfanterieunternehmungen abzuwehren, 
wobei auch griechische Kompanien, die südlich von Huma 
unter dem Schutze von Artilleriefeuer die künstlichen Hinder 
nisse vor den vorgeschobenen bulgarischen Gräben erreichten, 
durch gut gezieltes Eeschützfeuer und Jnfanteriegegen- 
angriffe unter fühlbaren Verlusten zerstreut wurden. 
Von den türkischen Kriegschauplätzen kamen nur ver 
einzelte Meldungen über belangreichere Vorgänge. In 
Tripolis war die Lage für die türkischen Truppen dauernd 
günstig. Feindliche Flieger hatten am 27. Juli Murata 
mit Bomben belegt. Anfang August stürzte ein feind 
liches Flugzeug bei Dschefara, östlich von Tripolis, ins 
Meer. Die Insassen wurden gefangen genommen, das 
Flugzeug erbeutet. Völlig ergebnislos verlief eine Be 
schießung der Küste durch zwei Torpedoboote des Gegners. 
An der Pal ästin a front fanden Mitte Juli erbitterte 
Teilkämpfe statt. Türkische Truppen griffen im Verein 
mit deutschen Abteilungen im Audschatale an, um den 
Feind zu beunruhigen und die Verteilung seiner Streit- 
kräfte zu erkunden. An den folgenden Tagen leiteten dann 
die Türken westlich des Jordans größere Kampfhandlungen 
ein, während sie östlich des Flusses Scheinangriffe unter 
nahmen. Der Feind wurde vollständig überrascht. Seine 
ersten Linien wurden über den Haufen geworfen, und die 
englischen Truppen zogen sich in Auflösung auf die im 
Audschatale gelegenen Lager und sogar über den Jordan 
zurück. Drei Geschütze und eine große Anzahl Maschinen 
gewehre wurden erbeutet. Infolge des vom Feind an 
gesetzten Gegenangriffs mußten später die vorgeschobenen 
türkischen Truppen zurück 
genommen werden. Der 
Gegenangriff verursachte 
den Engländern gleichwohl 
sehr hohe Verluste. Östlich 
vom Jordan hatte inzwischen 
eine Schlacht begonnen. Der 
von dem Oberst v. Schier- 
städt befehligten Reiterei 
gelang es, einen feindlichen 
Brückenkopf im Sturm zu 
nehmen und mit Hilfe deut 
scher Infanterie das west 
liche Ufer zu gewinnen. Die 
Engländer setzten zur Ab 
wehr mehrere Kavallerie- 
brigaden an, welche die Tür 
ken herankommen ließen, 
um dann ein außergewöhn 
lich mörderisches Feuer auf 
sie zurichten. Die feindlichen 
RegiiMnter wurden voll- 
ständiK vernichtet (siehe die 
Kunstßeilage). Nur einige 
Trümmer konnten sich ret 
ten. So krönte ein voller Er 
folg diese militärischen Un 
ternehmungen und erwies zugleich aufs neue den ausgezeich 
neten Angriffsgeist, der die türkischen Truppen beseelte. In 
der Nacht wurden die alten Stellungen wieder eingenommen. 
In der Folgezeit wurde das wechselnde Artilleriefeuer, 
das sich manchmal zu erheblicher Stärke steigerte, selten 
durch Kampfhandlungen unterbrochen. Am 26. Juli 
scheiterten wiederholte Angriffe der Aufständischen auf 
Maan an der tapferen Besatzung der Stadt, und Anfang 
August brach ein von mehreren feindlichen Kompanien 
bei Rafat unternommener Angriff vor den türkischen 
Stellungen blutig zusammen. (Fortsetzung folgt.) 
Karte zum österreichisch-ungarischen Vormarsch in Albanien. 
Illustrierte Kriegsberichte. 
Die Muches. 
Von Privatdozent Or. Albrecht Wirth. 
Nach babylonischer Anschauung war die Erde nur ein 
Abglanz des Himmelsbildes, und alle irdischen Ereignisse 
waren ein Spiegel der himmlischen. Auch war jedes irdi 
sche Matz in den Sternen vorgezeichnet. Ähnlich sehen wir 
— könnte man sagen — in Nordfrankreich allenthalben 
unterirdische Städte, denen Ortschaften und Städte über 
der Erde entsprechen. Die unterirdischen Anlagen nennt 
man Muches. Man hat nicht nur Gottesdienste in den 
unterirdischen Hallen abgehalten, hat Feldlazarette dorthin 
verlegt, hat einige Kammern zu Ställen umgewandelt, 
hat Vorräte dort aufgespeichert, sondern man hat sich auch 
in ziemlich ausgedehntem Maße dieser unterirdischen Ver 
ließe bedient, um Unterstände daraus zu machen, da sie 
15, ja 20 Meter unter der Oberfläche liegen, mithin selbst 
gegen die wirksamsten Verzögerungsgeschosse völlig aus 
reichend geschützt sind, hat ganze Bataillone und in einem 
Falle eine ganze Brigade dort untergebracht (siehe Bild 
Seite 106). 
Es gibt eine ganze Reihe von Höhlentypen, die sich ziem 
lich scharf voneinander abheben. Gänzlich sind vor allem 
auszuscheiden die halbunterirdischen Wohnungen, wie wir sie
	        
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