Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
tonnten die österreichischen 
Bedingungen nicht an 
nehmen, weil sie für uns 
entehrend waren. Was 
jetzt aus uns wird, weist 
niemand, aber das eine 
kann ich sagen, daß wir, 
wenn wir schon zugrunde 
gehen, wie Serben unter 
gehen werden!' Was er 
damit sagen wollte, ist uns 
allen ein Rätsel geblieben, 
da ja die Serben nach der 
Geschichte nicht gerade 
ruhmvoll zugrunde zu 
gehen pflegen. Man er 
innere sich nur an die 
Flucht Karageorgs, des 
Gründers der jetzigen 
Dynastie (1813), sodann 
an die Laufpartien aus 
dem serbisch-türkischen und 
dem serbisch-bulgarischen 
Kriege (1876 und 1885). 
Die Leute, die man in den 
Militärstationen gewahrt, 
sehen übrigens schlecht aus: 
gedrückt und niederge 
schlagen stehen sie da, unbeweglich, starren Blicks. — Lust 
und Sorglosigkeit heucheln nur die Abenteurer. Der Bel 
grader Polizeichef sagte lustig zu den Journalisten: ,Es 
wird keinen Krieg geben! Das Ganze ist nur ein öster 
reichischer Bluff!' — Zur selben Zeit aber trifft die Be 
hörde ruhig Vorkehrungen, um die Straßen, durch welche 
die Österreicher in Belgrad einziehen könnten, zu reinigen, 
,damit sie keine schlechte Meinung von Belgrad bekommen'. 
Wie immer, bleibt also Serbien das Land des Galgen 
humors, wo sich naivste Kindereien mit grausamster Wild 
heit paaren." 
Wie wir bereits früher mitgeteilt haben, überschritten 
die Österreicher sofort nach Abbruch der diplomatischen Be 
ziehungen die Donau und besetzten den serbischen Erenzort 
Mitrowicz. Die Österreicher fanden nicht den geringsten 
Widerstand. Die ersten Feindseligkeiten entwickelten sich 
am 28. Juli an der Drina, dem Grenzflüsse zwischen Bosnien 
und Serbien. Serbische Freiwillige besetzten an mehreren 
Punkten den Fluß, die österreichischen Erenztruppen er 
widerten das Feuer. Die Serben beschossen irrtümlich 
einen ihrer eigenen Transportdampfer. Im serbischen 
Teil des früheren Sandschaks Novibazar waren Truppen 
vorgerückt. Die serbischen Truppen schoben ihre Posten 
Phot. A. Kühlewmdk, Hofphot., Königsberg. 
Raft oftpreußischer Flüchtlinge. 
an Beförderungsmaterial. Bis jetzt sind nach Schätzungen 
von Amtspersonen nicht mehr als acht- bis zehntausend 
Mann aus dem Gebiete der Donaudivision nach Risch ab 
gegangen. Abgesehen von dem Geschrei einzelner Frei 
williger verhielt sich die Bevölkerung angesichts der Mobil 
machung ziemlich teilnahmlos. Sobald die fremden Ge 
sandten Belgrad verlassen und die Leute niemand mehr 
zu verblüffen hatten, hielt überhaupt völlige Ruhe Einkehr. 
Montag mittag mußte sogar ausgetrommelt werden, daß 
sich alle Leute von achtzehn bis sechzig Jahren bei ihren 
Kommandos zu melden haben. Die bisher eingerückten 
Leute mußten stundenlang auf dem Bahnhof auf den 
Zug warten. Eine Beförderung, die für ein Uhr nach 
mittags vorgeschrieben gewesen, konnte erst um fünf Uhr 
bewerkstelligt werden; der Zug ging in der größten Un 
ordnung ab. Der Lokomotivführer schrie, er wisse ja nicht 
einmal, wo er haltzumachen habe. Die Eisenbahner, die 
nach Belgrad zurückkommen, erzählen, daß die Züge auf 
der Strecke stundenlang stecken blieben. Auch bei der Aus 
rüstung herrscht ein wahres Durcheinander, so daß die 
meisten Einberufenen in Bauernkleidern nach Risch fahren 
müssen, um erst dort ausgerüstet zu werden. Auf der 
Strecke Belgrad—Risch sieht man nachts an den Stationen 
Bauerngruppen auf den 
Militärzug warten. Rur 
die Sprache der Offiziere 
stimmt nicht überein mit 
der Sachlage; so sagte 
zum Beispiel am Bahn 
hof von Risch ein Major 
zu einem griechischen 
Journalisten: Mir haben 
nichts zu befürchten! Wir 
sind fertig, Sie sehen es 
an mir! Zu einem Kriege 
kommt es nicht, weil 
sich Österreich vor uns 
fürchtet, denn fast alle 
Staaten mobilisieren zu 
unseren Gunsten: Ruß 
land , Rumänien und 
Griechenland allen vor 
an!' Der griechische 
Journalist lächelte, da er 
ganz gut wußte, daß 
Griechenland in keinem 
Fall mobil machen werde. 
Der Major wurde durch 
dieses Lächeln in seinem 
Redeeifer gestört und 
fuhrdann melancholischer 
fort: ,Ja, wissen Sie, wir 
Phot. A. Ki'ihlewindt, Hofphot., Königsberg. 
Erfrischung ostpreußischer Flüchtlinge durch das Rote Kreuz.
	        
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