Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Die Beschießung von Libau durch den kleinen Kreuzer „Augsburg" am 2. Aug ist. 
Nach einer Originalzeichnung von G. Martin. 
aller Macht drängten unsere wackeren Streiter nach, und 
bald konnten die Franzosen in ihren gedeckten Stellungen 
sich nicht mehr halten; sie wurden auf der ganzen Linie 
auf das Dorf zurückgeworfen. 
Dort gab es erneut einen erbitterten Kampf, bis end 
lich ein Flankenangriff unserer Kavallerie auch hier die 
Entscheidung brachte. Um eine Attacke zu behindern, hatten 
die Franzosen den Wiesengrund vor dem Dorfe mit aus 
gehobenen Erdhöhlen durchzogen, die sie mit Heu und 
Gras überdeckten. Aber unsere umsichtigen Reiter merkten 
zur rechten Zeit noch die gelegten Fallen und wußten ihnen 
in ihrem Ansturm auszuweichen. „Es war ein großer Tag 
für mein Regiment," berichtet ein an dieser Attacke be 
teiligter verwundeter Kavallerieoffizier seiner Gattin. „Er 
wird einst in der Geschichte genau so verzeichnet werden wie 
die Tage von Gravelotte und Mars-la-Tour im Jahre 1870. 
Es war ein Todesritt im wahrsten Sinne des Worts, gegen 
die feuerspeienden Schlünde der Artillerie, gegen Maschinen 
gewehre und intakte Infanterie. Wir haben die Franzosen 
die zum Teil schwer verwundet um uns herumlagen. Es 
waren Bürschchen von 16, 17 Jahren dabei. Ich gabihnen, 
was ich noch an Verbandspäckchen und Schokolade bei mir 
hatte, und ließ Wasser für sie holen. So viel Küsse auf 
Stiefel und Hände habe ich in meinem Leben noch nicht 
bekommen. „Nous ne voulons pas la guerre!“ haben sie 
die ganze Zeit geschrien und: „Vive TAllemagne!“ Als 
rückwärts eine unserer Bataillonsfahnen sichtbar wurde, 
riefen sie alle durcheinander: „Oh! le drapeau allemand! 
Vive rAllemagne! Vive le drapeau allemand!“ 
Siebenhundert Gefangene, zwei erstürmte Batterien, 
vier Maschinengewehre und die erste eroberte französische 
Fahne waren der Preis des heißen Tages. 
Drei gegen fünfzig. 
(Hierzu das Bild Seite 28/29.) 
An der Bahn, die von Lyck im Regierungsbezirk Gum 
binnen in südöstlicher Richtung nach Russisch-Polen führt, 
in die Pfanne gehauen, aber schwer hat unsere Brigade 
gelitten. Von den 142 Mann meiner Eskadron waren 
gestern beim Appell 58! Ich der einzige Offizier. Alle 
anderen tot oder verwundet. Der Brigadekommandeur 
durch Brust und Hand geschossen.. ." 
Als das Dorf und die Stellungen in seiner Umgebung 
unter der Wucht dieser Kavallerieattacke vollends genommen 
waren, gab es noch eine schneidige Verfolgung des Feindes. 
Bemerkenswerte Einzelheiten über den abschließenden Teil 
des heftigen Kampfes entnehmen wir den: schon oben 
angeführten Brief eines Teilnehmers: „Nun kommen schon 
in Scharen die ersten sich ergebenden Franzosen. Wir 
mußten sehr vorsichtig sein, denn die Burschen schossen 
noch, wenn sie verwundet am Boden lagen, aus dem 
Hinterhalt. Ein Infanterist reichte mir seine Feldflasche; 
im selben Augenblick, als ich zugreifen will, fährt ihm eine 
Kugel durch die Finger! Wir ließen nun die Gefangenen 
alles von sich werfen, bis auf ihre roten Hosen und Hemd, 
und hatten so schließlich bei unserer Kompanie 160 Stück 
beisammen. Alle kamen sie mit aufgehobenen Händen auf 
uns zu. Schließlich dauerten mich auch die armen Burschen, 
liegt dicht an der Grenze das Dorf Prostken. Die zwei 
einhalbtausend Einwohner standen, wie alle Grenzsassen 
dort, stündlich in der Gefahr, von den russischen Horden 
überfallen und grausam mißhandelt zu werden. In der 
Tat erscholl eines Morgens der Ruf: „Alles flüchten — 
der Feind kommt!", und stärkste Erregung bemächtigte sich 
der Bevölkerung. Ein beherzter Mann aber wollte sich 
den Feind zuvor doch mal ansehen und lief zur Grenze. 
Wirklich kainen an die fünfzig russische Kavalleristen in 
rasendem Galopp angestürmt, voran der Offizier mit ge 
schwungenen: Säbel. Ais sie nun auf etwa achthundert 
Meter heran waren, krachte seitlich von dem wißbegierigen 
Zuschauer ein Schuß, dem alsbald mehrere folgten. Beim 
vierten sank der Offizier, beim.fünften ein Gefreiter tot 
in den Saud. Jetzt bekam es. die ganze Heldenschar mit der 
Angst; sie rissen die Gäule herum und verschwanden noch 
schneller, als sie gekommen waren. Nunmehr erhoben sich 
aus einem Felde drei — sage drei — deutsche Infan 
teristen und warfen lachend ihr Gewehr über die Achsel; 
ihr Feuer hatte genügt, ein halbes Hundert der viel 
gerühmten russischen Kavallerie ins Bockshorn zu jagen.
	        
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