Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
griffen und in die Maas zurückgeworfen werden. Die 
Kompanien und Batterien schanzen die ganze Nacht. Nächsten 
Morgen kehrt eine deutsche Kavalleriedivision von ihrem 
Aufklärungsritt gegen Beauclaire zurück nach Ville Franche, 
nachdem sie feindliches Schrapnellfeuer erhalten hatte. 
Bald darauf erscheinen auch die weißen Wölkchen über 
unseren Schützengräben. Unsere Artillerie antwortet. Der 
Kirchturm von Montigny wird beschossen, da sich dort 
feindliche Beobachter zeigen. Ville Franche geht in Flam 
men auf. Die Bewohner haben — wie üblich — auf unsere 
Truppen geschossen. In der Richtung über dem Bergrücken 
der Cöte St. Eermain sieht man einen unserer gelben 
Fesselballone emporsteigen, der anscheinend die schwere Ar 
tillerie durch Beobachtungen unterstützt. 
Allmählich beginnen wir vom rechten Flügel her anzu 
greifen. Es war schon nachmittags fünf Uhr geworden. 
Leutnant d. R. Lerch fällt beim ersten Sprung mit Kopf 
schuß nieder. Aus Montigny pfeifen Jnfanteriegeschosse 
herüber. Auch französische Maschinengewehre scheinen sich 
dort in den Häusern eingenistet zu haben. Man hört es am 
langsamen Klopfen und merkt es an unseren Verlusten. 
Plötzlich erhält die Kompanie am weitesten links (4./125) 
vom Wald von Montigny her rasendes Flankenfeuer aus 
nächster Nähe. Da gibt es kein Besinnen mehr. Im Sturm 
Phot. Berliner Illustrations-Gesellschaft m- b. H. 
Zurückkehrende Bewohner von Antwerpen zeigen den deutschen Wachtposten ihre Pässe vor. 
geht es mit Linksschwenkung durch ein Obstgut auf den 
Waldrand zu (siehe Bild Seite 421). Doch pfeifend kommen 
eigene Granaten von hinten und schlagen krachend dicht vor 
uns im Waldrand ein. Die nächste Lage kommt noch 
kürzer. Die Wogen des Kampfes fluten zurück. Doch nur 
zwanzig Schritt zur nächsten kleinen Deckung. Ein Beweis 
deutscher Disziplin! Fortwährend platzen die Granaten 
50 Meter vor uns am Waldrand. Feindliche Schützen und 
Maschinengewehre halten sich dort unentwegt und über 
schütten uns.mit Geschossen, während ein Musketier eiligst 
mit Meldung zur Artillerie läuft. 
Endlich läßt das eigene Artilleriefeuer nach. Mit Hurra 
geht es in den Waldrand. Hecken und Büsche hindern 
das Vorwärtsdringen. Leute von anderen Kompanien 
schwärmen in die vorstürmenden Züge ein. Die vordersten 
Musketiere sind schon bei den flüchtenden Franzosen. Ihre 
Maschinengewehre, die sie noch bis kurz zuvor heldenhaft 
bedienten, waren durch Fortschleppen der Läufe unbrauch 
bar gemacht worden und wurden jetzt mit Gewehr und 
Bajonett verteidigt. Doch fielen uns Kisten mit neunhundert 
Patronen in Blechstreifen sowie zwei allerdings kampf 
unfähig gemachte Maschinengewehre in die Hände. Dabei 
lagen sieben Verwundete und Tote, die bis zum letzten 
Augenblick Widerstand geleistet hatten. Wahrlich ein schöner 
Erfolg. Wir klommen weiter empor bis zum Gipfel und 
sahen unter uns, wie auch Montigny gestürmt wurde. Die 
Franzosen sprangen aus den brennenden Häusern, in denen 
sie sich verschanzt hatten, wobei sie niedergeschossen oder 
gefangen genommen wurden. Es mögen etwa sechshun 
dert gewesen sein. ^ Paul Otto Ebe. 
Eine Eilbotenfahrt in der Nähe von 
Przemysl. 
Schlecht sind die Straßen in dieser Gegend für die Kraft 
wagenfahrer, und besonders schlecht sind sie es in der 
Jahreszeit, wo es sehr häufig regnet und die Wege schmierig 
werden. Von des Tages Mühe und Arbeit genießen denn 
auch gerne unsere „freiwilligen Fahrer" ein wenig der Ruhe. 
So saßen und lagen eines Tages einige von ihnen in einem 
großen Raume, den sie sich so gemütlich wie möglich herzu 
richten bemüht gewesen waren. Es war in einer großen 
Sägemühle unweit Debromil, wo man sie untergebracht 
hatte. Der Inhalt einiger Konservenbüchsen hatte zur be 
scheidenen Mittagsmahlzeit gedient. Man versicherte sich 
gegenseitig, daß es großartig geschmeckt habe, und Rolf H, 
entzündete sich die letzte Virginia, die ihm von einer Liebes 
gabe geblieben war. Paul E. sah ihm etwas verstimmt 
zu, denn er hatte nichts Rauchbares mehr, weshalb ihm 
sein Freuud den Antrag stellte, man wolle die Zigarre 
abwechselnd rauchen. Paul wehrte bescheiden ab, und es 
entstand ein Wettstreit „edler Seelen". 
Da betrat ein höherer Offizier das 
Gemach und fragte: „Welcher der 
Herren wäre vielleicht so freundlich, 
so schnell als nur möglich zu General D. 
hinüber nach Nowemiasto zu fahren 
und dieses Schreiben zu überbringen? 
Die Sache ist von großer Wichtig 
keit!" — Sofort meldeten sich alle 
Fahrer. Der Offizier lächelte über 
diesen Eifer und meinte dann, wer 
den zuverlässigsten und schnellsten 
Wagen besitze, der solle die Fahrt 
unternehmen. Rolf mit seinem funkel 
neuen „Mercedeswagen" konnte wohl 
seinem Daimlermotor am meisten 
zumuten, deshalb nannte er auch so 
fort seinen Namen. Der Offizier 
trat nun mit dem Fahrer beiseite 
und gab ihm genaue Anweisungen. 
Halblaut meinte er, den jungen Mann 
zu größter Porsicht ermahnend: „Sie 
werden jedenfalls eine kleine Strecke 
mittendurch die feindlichen Vorposten 
fahren müssen. Wir waren zwar der 
Meinung, die Russen hier in der Ge 
gend vollständig vertrieben zu haben, 
aber nun zeigen sie sich wieder in 
Scharen an einem 5 Kilometer von 
Erabownica entfernten Punkte. Am besten ist es, Sie 
nehmen sich noch einen Kameraden als Beobachter mit." — 
Rolf antwortete in seiner einfachen, biederen Art: „Wenn 
Sie gestatten, fahre ich lieber allein! Dann handelt es sich 
nur um mich, mein Begleiter könnte am Ende doch Schaden 
leiden, und das will ich vermeiden!" Ernst nickie der Offizier, 
aber er betonte nochmals die Wichiigkeit des Auftrags. Als 
er gegangen, beeilte sich Rolf, seinen Wagen zur Abfahrt zu 
rüsten, und sein Freund Paul bat ihn, mitfahren zu dürfen. 
Rolf aber meinte: „Es ist genug, wenn einer fällt, die 
Sache ist ohnehin brenzlicht! Du aber bist deiner Eltern 
einziger Sohn. Ich habe aber einen Plan, und du sollst 
mir dabei behilflich sein!" — Die jungen Leute gingen 
in die Scheune, wo die Wagen standen; nach fünf Minuten 
ertönte bereits Rolfs Huppe, und er fuhr davon. Neben 
ihm jedoch saß ein Soldat im Mantel, mit hochgestelltem 
Kragen. So schien der junge Fahrer sich im letzten Augen 
blick denn doch noch eines anderen besonnen zu haben. 
Rolf war ein guter Fahrer, sein Wagen sauste au* 
der Landstraße nur so dahin. Anfangs ging die Sache auch 
ganz glatt. Einen flüchtigen Blick warf Rolf auf die im 
Sonnenschein ganz anmutig und friedlich erscheinende 
Landschaft. Rechts aber stiegen aus den Häusern eines 
Dorfes dunkle Rauchwolken auf, ein Zeichen, daß dort 
wieder Russen ihre Visitenkarte abgegeben hatten. Eine 
lange Kastanienallee zieht sich von Nizankowice nach 
Erabownica. Hier wurde der Weg etwas schlechter, aber
	        
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