Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Der neue Tag bringt keine neue Hoffnung. Der Feind 
hat frische Truppen herangebracht, mit der Bahn bis hinter 
die Front geworfen. Schwere Artillerie ist aufgefahren. 
Sie wirft ihre Granaten ins Dorf. Kreck! ikreck! krepiert 
es in nächster Nähe. Der Dorfteich vor uns spritzt als Fon 
täne auf; von dem Dach hinter uns rieseln Schutt und 
Ziegelbrocken herab. Der Ort steht , voller Fahrzeuge: 
Protzen, Patronenwagen, Feldküchen. Sie müssen schleunigst 
in Deckung. Vor den sich bäumenden Pferden schlagen die 
Granaten ein. Die Verwundete:: sind gefährdet. Das 
Feldlazarett mutz weiter zurück. In: Torweg steht in 
Schürze und Gummihandschuhen der Assistenzarzt, ein junger 
Gynäkologe, und gibt ruhig, fast heiter seine Anweisungen. 
Freck! führt neben ihm eine'Granate in die Mauer. Ein 
zackiges Loch gähnt, Rauch wirbelt hervor. — „Die Ver 
wundeten!" — Wir stürzen in den Hof, sie aus dem brennen 
den Hause zu tragen. Im Nahmen der Tür kommt uns ein 
Sanitätsunteroffizier entgegen. Zwei Kameraden stützen ihn, 
den beim Verbinden die Granate in den Oberschenkel traf. 
Hinter ihnen zieht der Rauch aus der Türöffnung. C.Rotz. 
Überfall eines sächsischen Liebesgaben- 
transports. 
(Hierzu das nebenstehende Bild.) 
Mitte Oktober konnte inan in den Zeitungen des feind 
lichen Auslandes die Iubelnachricht lesen, daß die Russen 
in der Gegend von Lowicz einen deutschen kommandierenden 
General gefangen hätten. Aber es dauerte nicht acht Tage, 
da stellte sich der große „Erfolg" als ein Gegenstück zu der 
in Marggrabowa eroberten Fahne (siehe Seite 90.) heraus. 
In Wirklichkeit verhielten sich die Dinge folg ^dermaßen: 
Unter Führung des Königlich Sächsischen Oberstall 
meisters v. Haugk war ein großer Liebesgabentransport 
nach dem Osten abgegangen. Er sollte die bedachten Lands 
leute möglichst bis in die vordere Schlachtlinie zu erreichen 
suchen. Bei dem bekannten Mangel Russisch-Polens an 
Eisenbahnlinien wurde es notwendig, die reiche Sendung 
auf rund 20 Kraftwagen und 12 Pferdegespanne zu ver 
laden, die sich unter militärischer Bedeckung am 18. Oktober 
in aller Frühe in Bewegung setzten. Den Befehl über die 
Autokolonne hatte General Barth, während Exzellenz v. Haugk 
im königlichen Auto an der Spitze fuhr. Kurz vor Lowicz 
wurde nun der ganze Liebesgabentransport von russischer 
Kavallerie gesichtet und sofort aus etwa 500 Meter Ent 
fernung unter Feuer genommen. Die Bedeckung des 
Transportes erwiderte den Angriff aus Karabinern und 
brachte ihn zunächst auch zum Stehen, während die Wagen 
rückwärts wendeten. Bald aber tauchte immer mehr feind 
liche Reiterei (Gardekavallerie) auf, die Vorhut einer starken 
Abteilung, die bei einem Umgehungsversuch gegen dte 
deutsche Stellung Lowicz genommen hatte. Der Liebes- 
gabentransport konnte trotzdem in Sicherheit gebracht 
werden bis auf zwei Kraftwagen, die man, weil unbrauchbar 
geworden, stehen lassen mutzte. General v. Haugk hatte 
indessen versucht, zur deutschen Stellung durchzustoßen; es 
gelang leider nicht. Der Chauffeur Manig wurde laut 
Bericht eines österreichisch-ungarischen Dragonerrittmeisters, 
der am 20. Oktober mit seiner Schwadron durch Lowicz 
ritt, von russischen Kugeln getötet und am 22. Oktober im 
genannten Ort begraben; Exzellenz v. Haugk, der durch 
Glassplitter im Gesicht verletzt worden war, wurde in 
ein Lazarett verbracht. Es handelte sich also keineswegs 
um das krönende Schlutzergebnis eines groß angelegten 
russischen Schlachtenplanes, sondern um das persönliche 
Erlebnis eines hochgestellten Deutschen, der während ^der 
Ausübung verdienstvoller Liebestätigkeit von einem be 
klagenswerten Mißgeschick betroffen wurde. 
Englische Artillerie vor Antwerpen. 
(Hierzu die Bilder Seite 41K), 412 und 418.) 
Schon im letzten Burenkriege spielten die englischen 
Schiffskanonen eine große Rolle. Sie wurden damals, der 
schwachen Feldartillerie der Buren gegenüber, als schwerere 
und weitertragende Geschütze mit großem Erfolg zur 
PROCLAMATXON 
Da der Krieg nur zwischen den Armeeen geführt werden soll, so gewaehrleiste 
ich unbedingte Sicherheit des Lebens und des Privateigentums aller Einwahner bei 
Einhaltung der in nebenstehender Verordnung seiner Excellenz des Herrn Etappen 
inspekteurs, Generalleutnant von Hellingrath, gegebenen Bestimmungen, aul die 
ich ausdruecklich verweise. 
Im Besonderen bestimme ich luer Roubaix und Tourcoing und die zu meinem 
Etappenbezirk gehoerigen Gemeinden folgendes : 
1° Die WaffeBabliefferung hat sofort auf den Bathaeusern zu 
erfolgen. Die schriftliche Bestätigung der hetr. ßuergermeis- 
ter, dass in ihren Gemeinden keine Waffen,keineMunition oder 
Sprengstoffe mehr vorhanden sind, geht an mich spätestens 24 
Stunden nach Anschlag dieser Bestätigung ab. Fuer schnellste 
und sicherste Befoerderung dieser Meldung haftet der Bürger 
meister und die Gemeinde. 
Auf die Strafbestimmung Punkt III der neben stehenden 
VerordnungdesHerrn Etappeninspecleurs mache ich besonders 
aufmerksam. 
2° Das Glocken gelaeule,auchan Sonn-und Feiertagen,sowie 
bei Beerdigungen, ist verboten. 
3° Ich bestimme fuer die Staedte Roubaix-Tourcoing, dass 
jeder Verkehr der Civilbevoelkerung auf der Strasse von 9 Uhr 
abends bis 6 Uhr morgens nach deutscher Zeit - bezw. von 8 
Uhr abends bis 5 Uhr morgens nach französischer Zeit - unter 
sagt ist. Wer trotzdem in besonderen Notfaellen oder mit einem 
Erlaubnisschein von mir, innerhalb der verbotenen Zeit auf 
der Strasse sich zeigt, hat eine brennende Laterne zu tragen, 
ledermaun hat auf Anruf von Posten oder Patrouillen zu halten. 
Zuwiderhandelnde muessen gewaertig sein, dass auf sie 
geschossen wird. 
4° In der gleichen Zeit - von,9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens 
nach deutscher Zeit - muessen alle Wirtschaften, die keine 
besondere Erlaubnis von mir haben, geschlossen sein. 
5° Requisitionen duerfen nur auf schriftliche Anweisung- der Kommandantur 
erfolgen. Ueber das Empfangene wird hiedureh Quittung gegeben, auf Grund 
deren spaeter Entschaedigung erfolgt. 
Frivateinkaeufe von Militaerpersonen muessen bar bezahlt werden. 
6° Das Abreissen oder Beschaedigen der Bekanntmachungen der deutschen 
Heeresverwaltung wird streng bestraft. Wird der Taster nicht ermittelt, so haftet 
die Gemeinde. 
7° Ebenso wie der friedlicheBuerger meines Schutzes gewaer 
tig sein darf, werde ichauch jeden Ungehorsam und jede Wider 
setzlichkeit der Einwohnerschaft auf das aller strengste. 
bestrafen. Roubaix, dun so Okl. /p/^. 
La guerre n’elant fasle qti’enfre les arm6es, je garanlis en 
bonne forme la sürete absolue de la vie et de la propriete 
privee de tous les habitauts, s’ils obeissent aux ordres con- 
lenus dans Pordomiance de sod Excellence le Generalleutnant 
von Hellingrath Inspecteur des etapes. Gelte ordonnance est 
affichee ä cöte de la proclamation et on est prie de la iire trös 
attentivement. 
En outre, j’ordonne aux villes de Roubaix-Tourcoing et ä 
toutes les communes qui dopenden! de ma circonscriplioo de 
se conformer aux ordres siaivaats : 
1 — Les armes seronl remises immödiatement aux mairies. Les maires devronl 
me faire parvenir une attestation ecrite certifiant qu’il n’y a plus ai armes, ni 
munitions, ni exploaiso dans leurs communes, au plus tard dans les a4 heureo 
aprös i’apposition de celte uffiche. Si Tattectation ne me parvieat pas aussi 
rapidement et aussi sürement que possible, lo mairo et la commune en seront 
rendus responsables. 
J’altiro tonte volro attention our l’ARTICLE III de l’ordonnaaco do M. 
ITnspectcur dos Etapes. 
2. — 11 est döfendu de sonner les clochoa rnSrne ls dimancho et lea joure 
de löte et aux enterrements. 
3. — Je dicide que la circulaSion dans lea villes de Roubaix-Tourcoing eol 
obsolument ialerdile de 0 heures du soir ä 6 heures du matin (heure allemande) 
c’eat-ö-dire de 8 heures du soir ä 5 heuros du matin, heure francaise. Tout 
individu qui circulera pendant le tempa interdit pour un motif urgent devra 
co munir d’une lumißre, bougie, chandelie, etc., mömo s'il est pourvu de mon 
cutorisation. 
A Tappe! des centinelles, ou deo poates tout individu s’arrölora immßdiato- 
ment einen il pourra ölro fusillö. 
4. — Pendant les mßmes heures de 9 heures du soir ä « heures du matin, 
(heure allemande), toutes les aubergea et tous les estaminels qui n’onl pas 
mon autorisation spöciale devront ölre fermös. 
5. — Des röquisitions ne peuvent se faire que par ordre 6cril du comman- 
dant. Cet ordre eervira do quittance pour les objets recus, sur le tu duquel 
on sera indemnisö plus tard. 
Les achalspour les besoins particuliers des militairesdoivenl üire pay6 Ä comptänt^ 
6. — L’enlövcment ou la d6t6rioration des proelamations et avis de Tarm6e 
allemande entralnera des peines tr6s rigourouses. Si le coupable n’est pas saisi, 
c’est la commune qui en sera responsable. 
— Si les habilants paisibles peuvent compler sur raa protection, par conlro 
je punirai des peines les plus sövörea les cay de dösoböissance ou de röaistance. 
Roubaix, le so Octobra tgitj. 
Major und Eiappenkommandant
	        
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