Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Phot. Max Wipperling, Vohwinkel. 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15 
Belgiens,- es wird nur von Brüssel übertrosfen, das 
700 000 Einwohner hat. In Handel und Industrie aber 
ist Antwerpen bedeutender als Brüssel. Die großstädtische 
Eleganz der Hauptstadt fehlt in Antwerpen. Die Straßen 
der neuen Stadt sind zwar breit und regelmäßig, die der 
inneren Stadt aber meist eng. Die oberen Klassen sprechen 
meist Französisch, die unteren Flämisch. Sehr reich ist 
Antwerpen an Kunstwerken von van Dyck und Rubens 
sowie anderen berühmten belgischen Meistern, wie auch an 
alten architektonischen Meisterwerken. An der großen Place 
Verte befinden sich einige solcher Elanzbauten: die Kathe 
drale Notre-Dame, Belgiens herrlichste Kirche, die Kirche 
St. Jacob, die Börse, das Rathaus. 
Zur Vereitelung eines Versuchs deutscher Truppen, bei 
Termonde den Übergang über die Schelde zu erzwingen, 
machte das Antwerpener Besatzungsheer am 27. September 
wieder einen großen Ausfall. Es gelang den Deutschen, 
die belgischen Truppen dreimal zurückzuwerfen. Auf beiden 
Seiten traten starke Abteilungen Artillerie und zahlreiche 
Maschinengewehre in Tätigkeit. Die Belgier hatten sich 
in der Ortschaft Edeghem festgesetzt, die in Brand geschossen 
wurde. Obwohl die Deutschen in der Minderzahl waren, 
mißlang auch dieser zweite Ausfall aus Antwerpen völlig. 
Nachdem unsere 42-om-Eeschütze und die österreichischen 
Motorbatterien in die geeigneten Stellungen gebracht 
worden waren, begann am Nachmittag des 28. September 
die Beschießung der drei Forts Waelhem, St.-Cathsrine 
und Wavre. Am 29. September wurde die Beschießung 
fortgesetzt. Zeitweise verschwanden die drei Forts gänzlich 
in den Rauchwolken, die durch die Erplosion der deutschen 
Granaten entstanden. Vereinzelte Granaten fielen auch 
in die Forts Liezele und Breendonk. Auch von Moll aus 
rückten unsere Truppen aus Turnhout vor, und von Heyst 
op den Berg aus begann die Beschießung der Antwerpener 
Außenforts. Am 30. September wurden zwei der von uns 
unter Feuer genommenen Forts zerstört. Bei Fort Waelhem 
sprengten die Deutschen das Pulvermagazin, zerstörten das 
Wasserwerk und besetzten die Plätze Lierre und Herenthals. 
In der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober bom 
bardierten die Deutschen die Befestigungen die ganze Nacht 
hindurch. Halb vier Uhr erschien wieder ein Zeppelinluft 
schiff über den Befestigungswerken, warf Bomben nieder 
und verbreitete nicht geringen Schrecken. 
Uber die Pulvererplosion in Fort Waelhem berichtete 
ein verwundeter Belgier folgendes: „Am 29. September 
Bevölkerung war geflüchtet, so daß der Mob sich ungestört 
breit machen konnte. Ein großer Teil der belgischen 
Armee, etwa 20000 Mann, umlagerte die Stadt. Zei 
tungsjungen liefen ab und zu und schrien neue Aus 
gaben des „Matin" aus. Die Leute rannten sofort auf 
sie zu und rissen ihnen die Blätter aus den Händen: Aber 
mals Siege der Deutschen! Die Zeitungen schienen 
übrigens sehr streng zensiert zu werden. Es fehlten ganze 
Zeilen und ganze Stücke, die aus den fertig gesetzten 
Blättern herausgenommen worden waren. Man murrte 
über diese Zensur, weil sie in Ungewißheit halte über das, 
was im Lande vorgehe. Die Nachricht von der Einnahme 
Lüttichs zum Beispiel war mehrere Tage unterdrückt 
worden. Um acht Uhr begami es allmählich finster zu 
werden. Die Gendarmerie ging umher und sah nach, ob 
das Licht überall ausgelöscht sei. Diese Vorsicht wurde 
wegen der Zeppeline geübt. Einmal erschien ein solches 
„höllisches" Fahrzeug mitten in der Nacht über der Stadt 
und warf Bomben nieder, die mehrere Menschen töteten. 
Die Erplosionen erschütterten mehrere hundert Häuser. 
Zeitig ging man schon zur Ruhe, aber viele Menschen 
blieben in den Kleidern, um jeden Augenblick bereit zu 
sein und auf die Straße laufen zu können, andere lagerten 
in Kellern. 
Auf Seite 84 haben wir einen Plan von Antwerpen 
gebracht, sowie Angaben über die Stärke der Besatzung und 
der in der Festung vorhandenen Artillerie. 
Nachdem Antwerpen schon unter Napoleon I. zu einer 
starken Festung ausgebaut worden war, erfuhren diese 
Befestigungswerke seit 1859 durch den General Brialmont, 
der später auch die Festungen Lüttich und Namur anlegte, 
eine weitere Ausdehnung. Brialmont nahm von der bis 
herigen Methode der Festungsanlagen, dem besonders in 
Frankreick» beliebten bastionierten Grundriß, Abstand und 
umgab die alte Festung mit einer Anzahl Forts. Seit 1877 
wurde der erste Fortgürtel durch einen zweiten, noch weiter 
ins Land hinausgeschobenen ergänzt. Weitere Ver 
besserungen folgten, so daß schließlich Antwerpen immer 
mehr zu einer Lagerfestung größten Stils ausgestaltet 
wurde, die der belgischen Armee als Stütze und Zufluchts 
stätte dienen sollte. 
Zugleich ist Antwerpen der bedeutendste Seehafen 
Belgiens und einer der ersten Handelsplätze Europas. Der 
große Hafen gibt etwa 2000 Schiffen zugleich Raum. Mit 
400000 Einwohnern ist Antwerpen die zweitgrößte Stadt 
Straßenbild aus Lierre nach der Beschießung.
	        
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