Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
meine Leitung. Kaum 500 Meter von der Batterie ent 
fernt, bekam ich Feuer, da ich auf freiem Felde gehen 
muhte. Ich war bemerkt worden. Plötzlich krachten 
Schrapnelle über mir, die mir wunderbarerweis keinen 
Schaden zufügten. Ein kurzes Gebet, und auf dem Leibe 
kriechend ging es vorwärts! Aber Wiesen, Felder, Rüben 
äcker und Gräben lief mein überaus mühsamer Weg. Ich 
mutzte noch weiter, da ich die deutschen Vorposten noch 
nicht erreicht hatte. 1000 Meter hatte ich schon gelegt, 
und es gelang mir, auch die zweiten tausend Meter noch 
zu legen. Nach einigen Stunden erreichte ich unseren 
Vorposten. Es waren Jäger. Die sahen mich grotz an 
und glaubten nicht an meine Aufgabe. 
Ick) erfuhr, datz ein Haus, das noch 600 Meter 
weiter lag, Tags zuvor von den Engländern verlassen worden 
war. Dies Haus ist von uns in Brand, geschossen worden. 
Nur das Dach war noch ziemlich gut. Ich nahm es mir 
zum Ziel. Die Jäger warnten mich vor weiterem Vor 
gehen. Ich lietz mich aber nicht halten. Unter äußerster 
verbunden, denn wären wir entdeckt worden, hätte uns der 
Feind mit Leichtigkeit vernichtet. Am 1. November mutzte 
ich zur Batterie zurück. Der Major heftete mir das Eiserne 
Kreuz auf die Brust. Ich habe geweint vor Freude. 
Um zwei Uhr nachts war ich wieder auf meinem Pulverfaß 
und versehe meinen Dienst noch mutiger als vorher." — 
Welche Helden wir unter unseren Telephonisten im 
Felde zählen, geht aus einem weiteren Feldpostbrief her 
vor, der über einen jungen Konstanzer berichtet. Es heißt 
da: „Beim Stab unseres Bataillons, der sich in einem Hause 
eingenistet hatte, war plötzlich die Telephonleitung unter 
brochen. Ein junger Telephonist, ein kleiner Kriegsfrei 
williger von 19 Jahren, nahm sein Werkzeug auf, das 
Gewehr über und zog los, ohne den Befehl dazu abzu 
warten. Nach einer Viertelstunde arbeitete der Fern 
sprecher wieder; kurz darauf brachten vier Mann den 
kleinen Telephonisten auf einer Zeltbahn daher, eine Gra 
nate hatte ihm die ganze linke Bauchseite aufgerissen. 
Der todwunde kleine Mann schaute den Major nochmals 
Phot. Leipziger Presse-Büro. 
Feldkriegskasse eines bayrischen Armeekorps, die einen Werk von mehreren Millionen Mark darstellt. 
Die Regimenter sowie die höheren Verbände führen sehr große Kriegskassen mit sich, da die Überweisungen der Löhne und Gehälter an die Truppen reget- 
mäßig in bar erfolgen. 
Vorsicht erreichte ich das Haus, stieg auf den Dachboden 
und erkannte von hier, datz ich bis auf 120 Meter vor dem 
englischen Schützengraben vorgedrungen war. Ich konnte 
die Gesichter deutlich unterscheiden und hörte die Feinde 
sprechen. Also mutzte ich mich ruhig verhalten. Ich stieg 
wieder hinab und telephonierte meine Beobachtung zurück, 
worauf mir der Oberleutnant zu meinem kühnen Vor 
dringen gratulierte. Ich sollte nun aushalten und warten, 
bis die Beobachtungsoffiziere kämen mit den Instrumenten. 
Als diese anlangten, freuten sie sich ungemein über die 
wunderbare Beobachtungstelle. Nun wurden unsere Ge 
schütze gerichtet, und wir schossen. Jetzt erst habe ich ge 
sehen, welch heillose Verwüstung unsere Granaten an 
richten können. Wir hatten unter 30 Schutz 21 Volltreffer, 
ein Ergebnis, das noch von keiner Batterie erreicht wurde. 
Das lag natürlich an unserer großartigen Beobachtungstelle. 
Wir sahen zum Beispiel einige Granaten direkt im 
Schützengraben krepieren. Ferner sahen wir etwa 25 Mann 
in eine Deckung flüchten, darunter drei Offiziere. Auch 
diese Deckung beschossen wir. Drei Granaten schossen wir 
hinein, worauf sie in die Luft flog. Fünf Tage lagen wir 
auf diesem Haus und schossen immer mit demselben Er 
folg. Unsere Lebensmittel bekamen wir ganz heimlich 
bei Nacht zugesteckt. Jedes Geräusch war mit Lebensgefahr 
an, ineldete vorschriftsmätzig: ,Leitung wieder hergestellt!* 
und starb. Ein alter Landstürmer, der ebenfalls als Kriegs 
freiwilliger mitgezogen ist, sagte noch in gutem Badisch: 
.Erscht melde, dann schterbe, so ischs recht!‘ — Welch ein 
Held starb doch mit dem kleinen Mann!" 
Zrieden mitten im Urieg. Der „Mannheimer General 
anzeiger" veröffentlicht folgende ihm zugegangene Felö- 
postkarte vom 19. November 1914: Heute drückten sich 
unsere Leute von der 11. Kompanie mit den Franzosen 
die Hände. Wir liegen nämlich an einer Stelle den Fran 
zosen 30 Meter gegenüber. Da wird öfters beiderseits 
gerufen. Jetzt rief ein Franzose, datz wir aufhören sollten 
zu schietzen, um gemeinsam drei Tote zu beerdigen, die 
dazwischen liegen. Wir hörten auf zu schietzen. 8—10 Fran 
zosen und ein französischer Offizier legten die Waffen ab« 
und von uns geschah das gleiche. 
Man reichte sich die Hände, begrub die Toten gemeinsam, 
tauschte Zigarren, Zigaretten und Zeitungen aus, sprach 
miteinander. Und da sagten die Franzosen, wir sollten nicht 
mehr schietzen, sie schössen auch nicht mehr. Aber auf die 
Engländer sollten wir fest draufgehen. Man reichte sich die 
Hände, hob die Waffen auf und kroch wieder in den Graben.
	        
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