Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Bathumi; 1878 sprach der Berliner Kongreß diese Eingangs 
pforte Rußland zu. Tiflis mit seinen 250000 Einwohnern 
ist der Hauptstapelplatz dieser weiten Gebiete, bis hinab 
nach Persien; Baku ist durch sein Petroleum steinreich — 
alle drei also sehr begehrenswert. 
Die Schwierigkeiten, die sich einem Eindringen der 
Russen in die lebenswichtigen Teile der Türkei ent 
gegenstellen, sind aber gewiß nicht geringer als die vor 
den Osmanen sich türmenden Hindernisse, weil das 
wichtigste Gebiet der Türkei — Anatolien — weitab 
auf dem westlichen Teile der kleinasiatischen Halbinsel 
sich dehnt, und von hier aus gen Osten hohe Bergketten, 
von Wüstenstrecken durchsetzt, in öder, wasserarmer Ge 
gend ziehen. 
Ganz andere, weit größere Aussichten bieten sich im 
Süden der asiatischen Türkei, zu dem Syrien eine so ge 
eignete Landbrücke bildet, zum Pharaonenlande hinüber. 
Hier liegt auf türkischem Gebiete die endlose Wüste bis 
Das Gefecht bei Soldau. 
(Hierzu die Bilder Seite 402 und 403.) 
Daß die Russen nach ihren gewaltigen Niederlagen 
bei den Masurischen Seen in den letzten Augusttagen und 
bei Lyck in der ersten Septemberhälfte mit neuen Heeres 
teilen gegen Ost- und Westpreußen wie auch Posen heran 
ziehen würden, ließ sich voraussehen. Sie kamen in größerer 
Zahl, als man erwartet hatte. Die neue Schlachtlinie zog 
sich vom ostpreußischen Städtchen Stallupönen herab bis 
nach Galizien hinein. An verschiedenen Stellen begannen 
Kämpfe, und das Große Hauptquartier meldete in den 
ersten Novembertagen kurz und doch vielsagend: „Auf dem 
östlichen Kriegschauplatze dauern die Kämpfe fort. Eine 
Entscheidung ist noch nicht gefallen." 
Aber sie rückte näher. Schon am 7. November drang 
die Siegesbotschaft durch die Welt, daß in Russisch-Polen 
drei russische Kavalleriedivisionen über die Warta bis Kolo 
Blick auf Tiflis im Kaukasus. 
hinan zum eisernen Strang der Hedschahsbahn, und auch 
diese selbst berührt erst in Palästina und in Syrien für 
Engländer, oder wohl besser für Franzosen begehrenswerte 
Objekte. Aber dieser Weg ist für die ersteren weit und 
bedürfte sorgsamster Vorbereitung, die jetzt nicht mehr 
möglich sein dürfte. 
Ist aber die Wüste auf ßinai überwunden, so winkt 
dem Halbmond ein auf engem Raume zusammengedrängtes 
Gebiet, ein altes Kulturland, dessen Reichtümer im Nil 
becken zusammengepreßt sind, ein Land, das ungeheuren 
Wert für seinen heutigen unrechtmäßigen Besitzer hat 
und militärisch sehr verwundbar ist. Allerdings: wie ein 
künstlicher Festungsgraben legt sich jene künstliche Wasser 
straße schützend quer vor, auf 160 Kilometer langer Front 
zwischen Port Said und Suez, und wehrt den Angriff; 
aber der Weg von hier ist nicht mehr weit, nur etwa 
150 Kilometer bis Kairo und etwa 200 Kilometer bis 
Alerandria, das ägyptische Einfallstor, das 1882 unter dem 
Feuer englischer Raubfahrzeuge erzitterte. 
Wer aber Kairo besitzt, hat Suez und mit diesem der! 
Schlüssel zur halben Welt. 
zurückgeworfen worden seien. Am 9. November fielen süd 
lich von Eydtkuhnen beim Wysztyter See über 4000 Russen 
in unsere Hände. 
Die Bewohner von Ostpreußen wußten bei diesen Nach 
richten, daß im Osten wieder etwas Großes im Gange 
war. Die Unsicherheit hielt an, die Spannung stieg von 
Stunde zu Stunde. Da kam die Erlösung: die anstürmenden 
Russen wurden nicht nur überall aufgehalten, sondern auch 
zurückgedrängt. In Ostpreußen atmete alles erleichtert auf. 
Dort, wo die Provinz Ostpreußen in einer stumpfen 
Spitze am tiefsten nach Süden vorspringt und sich nord 
östlich vom Städtchen Neidenburg her der Soldaufluß hin 
schlängelt, tritt aus Rußland eine Eisenbahnlinie ein. Jenes 
Grenzgebiet ist in diesem Kriege wiederholt von den Russen 
berannt worden, zuletzt gegen die Mitte des Monats 
November. Die vorgeschobenen russischen Heeresteile 
waren mit starken Reitermassen durchsetzt, die indessen 
nicht in die Provinz Ostpreußen vordringen sollten. 
Die Gegend bei Soldau besteht meist aus leichtem 
Bodeü mit reichlichem Buschwerk, das unseren Truppen 
vorzügliche Deckungen gab. Beim Eindringen der feind-
	        
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