Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/16. 
bü der Feldartillerie seine Kugeln flach vorwärts wirft, 
gelang es, der Granate eine Sprengladung zu geben, die 
ähnlich dem Dynamit so heftig wirkt, daß man hoffte, die 
senkrecht herabgeschleuderten Sprengstücke würden die 
Schützen im Graben treffen. Die Wirkung befriedigte aber 
nicht, und zwar hauptsächlich wegen der flachen Flugbahn 
der Kmone, d e man anderseits gegen ungedeckte, sicht 
bare Ziele, besonders solche in Bewegung, bei der Feld- 
anillene nicht entbehren konnte. 
Das änderte sich durch endliche Einführung der Haubitze 
neben der Kanone. Schon die leichte Feldhaubitze 
(10,5 Zentimeter), die flach und im hohen Bogen schießen 
kann, hat bei Voce sch ch gegen Feldwerke eine recht gute 
Wirkung. Man hat noch nicht gelesen, wie sie sich in diesem 
Kriege bewährt hat. Dagegen haben wir Nachrichten über 
die vorzügliche Wirkung der schweren (15 Zentimeter-) 
Feldhaubitze, die von der Fußartillerie geführt wird und, 
von schweren Kaltblütern gezogen, der Feldarmee zugeteilt 
ist. Dieses Geschütz führt nur eine Art von Geschossen, 
nämlich die Granate, nur mit einem Aufschlagzünder. Die 
Granaten werden nur in hohem Bogen geschleudert und 
hcb.n Granatfüllung 68, die wie Dynamit wirkt. Wo 
eine solche Granate einschlägt — und das mit Rohrrücklauf 
versehene, schnell feuernde Geschütz hat eine sehr gute Treff 
genauigkeit — da „wächst kein Gras mehr". Mehr als 
das: die große Durchschlagskraft des schweren und mit 
großer Geschwindigkeit auftreffenden Geschosses dringt in 
das Ziel ein, um es durch die heftige Gaswirkung der ent 
zündeten Sprengladung auseinanderzureißen. Es wurde 
schon erwähnt, daß diese Ladung dynamitähnlich wirkte 
Das Dynamit, las aus Glyzerin hergestellt wird, ist aber 
gefährlich, sowohl gegen Stöße wie gegen Temperatur 
wechsel empfindlich, und so zu Selbstentzündungen ge 
neigt. Es wird deshalb bei uns nicht mehr verwendet, 
auch die Pioniere gebrauchen zu ihren Sprengungen eben 
dieselbe Sprengmunition, reine Pikrinsäure, die arch in 
Färbereien zum Gelb- und Erünfärben verwendet wird. 
Bei den Franzosen heißt das Sprengmittel Melinit. In 
anderen Ländern gibt es Röburit, Ekrasit usw., die in der 
Wirkung ähnlich sind. Der Luftdruck der plötzlichen Gas 
entwicklung dieser Ladungen ist so stark, daß allein schon 
durch ihn lebende Wesen, auch wenn sie nicht getroffen 
sind, schwere Schäden, besonders der Nerven, davontragen 
können. 
Batterien der schweren Feldhaubitze werden von dem 
Oberkommando der betreffenden Armee meist einer In 
fanteriedivision zugeteilt, bei der sie eine für sie passende 
Tätigkeit ausüben können. Meist wird dies die Zerstörung 
einer Festung oder von Feldschanzen sein, aber auch in 
der offenen Feldschlacht ist ihre Mitwirkung erwünscht, 
zum Beispiel zum Bekämpfen der feindlichen Artillerie 
In jeder Familie unseres deutschen Vaterlandes befindet sich heute wohl eine 
Karte vom Krieaschauplatz. Mit regem Interesse verfolgt alt und jung, wie 
auf unserem Bilde, die allgemeine Kriegslage und freut sich, wenn unsere 
Truppen weiter in Feindesland vorrücken. 
oder dem „Sturmreifmachen", wie es so schön heißt, eines 
Dorfes. Darunter versteht man, den Dorfrand derart mit 
Granaten zuzudecken, daß die Verteidiger durch Verluste, 
die Vernichtung ihrer Deckungen, das Getöse der Explo 
sionen, den Gestank der Gase und den Brand der Häuser 
in einem Grade erschüttert sind, daß sie unserer stür 
menden Infanterie keinen bedeutenden Widerstand mehr 
leisten können. 
Unsere Haubitzer nennen das Vernichten feindlicher 
Feldbatterien durch die wie Hammerschläge auf sie nieder 
sausenden Granaten: „Wir haben sie gefunkt." Der Aus 
druck kommt daher, daß eine sprengende Granate nur ganz 
kurz, viel kürzer als ein Schrapnell, das mit Schwarzpulver 
gefüllt ist, einen Feuerschein zeigt, um dann eine große 
Rauchwolke, vermischt mit Zielteilen, die in der Luft umher 
fliegen, zurückzulassen. Sie sind auch stolz darauf, daß die 
Gefangenen erzählen, sie könnten wohl der Feldartillerie 
standhalten, wenn aber die schweren Granaten kämen, 
fühlten sie sich verloren. 
Generaloberst v. Moltke. 
Von Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne. 
(Hierzu das Bild Seite 386.) 
Der verstorbene Eeneralfeldmarschall Graf Helmut 
v. Moltke — der Sieger in den Kriegen 1866 und 1870/71 — 
ist vom deutschen Volke nicht nur mit dem Strahlenkranz 
des Ruhmes, sondern mit allen Äußerungen rührender und 
dankbarer nationaler Verehrung belohnt worden. Ein 
Teil der letzteren hat sich unwillkürlich auf seinen Neffen 
und Nachfolger, zu Beginn des Krieges Ehef des Großen 
Eeneralstabes, Helmut Johannes Ludwig v. Moltke, über 
tragen. Das Volk denkt ihn sich wie seinen großen Oheim 
als wortkargen Schweiger, der seine strategischen Ent 
schließungen mit unfehlbarer Sicherheit trifft und zur Gel 
tung zu bringen versteht. 
Helmut Johannes Ludwig v. Moltke wurde am 29. Mai 
1848 zu Eersdorf in Mecklenburg-Schwerin geboren als 
zweiter Sohn des einzigen Bruders des späteren General 
feldmarschalls. Sein Vater war Landrat und starb 1871. 
Die geistige Ausbildung erhielt der Knabe zunächst auf einem 
Realgymnasium, nach dessen Absolvierung er als Fahnen 
junker in das Füsilierregiment Nr. 86 in Flensburg eintrat. 
Im Feldzug 1870 wurde er Leutnant. Der Friede brachte 
ihm zunächst die Versetzung in das Königsgrenadierregiment 
Nr. 7 und 1872 in das 1. Earderegiment zu Fuß. 1876 
bis 1879 war er als Oberleutnant zur Kriegsakademie 
kommandiert. Die,Versetzung in den Großen Eeneralstab 
1880 legte den Grund zu seiner Ausbildung als General- 
stabsoffizier. 1881 erfolgte seine Beförderung zum Haupt 
mann. Ein Jahr später wurde er zweiter Adjutant bei seinem 
berühmten Oheim und verblieb bis zu dessen Tode 1891 in 
dieser Stellung. Während dieser Zeit, 1888, rückle er zum 
Major auf; der jahrelange, innige und vertraute Verkehr mit 
dem Eeneralfeldmarschall brachte reiche und wohl benutzte 
Gelegenheit, um dessen Gedanken, Wissen und Können sich 
selbst zu eigen zu machen, um so mehr, als der Feldmarschall 
im Kreise seiner Verwandten keineswegs der eisige Schweiger 
war, sondern in angeregter Unterhaltung einen reichen Born 
aus seiner Gedankenwelt den gespannt aufhorchenden Zu 
hörern zuströmen ließ. Nach dem Tode seines Oheims wurde 
H. v. Moltke Flügeladjutant des Kaisers und 1890 als Oberst 
Kommandeur des Kaiser-Alerander-Gardegrenadierregi- 
ments Nr. 1. Diese Stellung hatte er bis 1899 inne und 
vertauschte sie dann bis 1902 mit der des Kommandeurs 
der 1. Gardeinfanteriebrigade. In diesem Jahre erhielt er 
als Generalleutnant und Eeneraladjutant des Kaisers das 
Kommando der 1. Eardeinfanteriedivision, wurde 1904 
Eeneralquartiermeister und am 1. Januar 1906 als Nach 
folger des hochverdienten Grafen v. Schlieffen Chef des 
Generalstabes und General der Infanterie. Am 27. Januar 
1914 erfolgte seine Beförderung zum Generalobersten. 
Auf den längst erwarteten Weltkrieg hat H. v. Moltke 
die Armee in steter Verbindung mit dem Kriegsministerium 
in ebenso sorgsamer und pflichttreuer wie genialer Art vor 
bereitet. Das Laienpublikum glaubt, es ließe sich ein 
Operationsplan für die ganze Dauer eines Feldzugs ent 
werfen. Diesen Glauben hat schon der alte Feldmarschall 
zu zerstören gesucht und ausgeführt, daß das erreichbare Ziel 
in der ungestörten Vollendung des Aufmarsches der Armeen
	        
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