Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
395 
sinkt getroffen vom Pferde. Ein furchtbarer Zusammen 
prall erfolgt: Lanze gegen Lanze, Degen gegen Degen, 
Rotz gegen Rotz, Mann gegen Mann; dazwischen krachen in 
Pausen Revolverschüsse. Ich sehe plötzlich, wie mein 
Wachtmeister von acht Feinden umringt ist. Im Galopp 
stürme ich mit zwei Kameraden zu ihm. Wir hauen ihn 
heraus, und in wenigen Sekunden liegen acht Feinde, junge 
Menschen, auf dem mit Blut getränkten Rasen. Unser 
Wachtmeister ist frei, und weiter stürmen wir vorwärts. 
Die Lanzen haben die meisten von uns iin Getümmel schon 
verloren. 
Doch halt, was ist das? Die Trompete bläst zum 
Sammeln? Zurück geht es im Fluge. Der Feind, noch 
ohne rechte Besinnung, jagt 50 Meter hinter uns her. Er 
stützt Rufe aus, denn er glaubt, er hätte uns in die Flucht 
geschlagen, und freut sich offenbar. Er hat keine Ahnung, 
was Sekunden später mit ihm geschieht. 
Rechts neben uns ist eine Waldecke. Dort halten in 
Deckung — was wir selbst nicht gewusst haben — acht 
Maschinengewehre. Ihr unheimliches Knattern ertönt, 
Mörser, wurde erst in letzter Zeit wieder ausgegraben. Aber 
auch die Verwendung solcher Geschütze „im Felde" ist neu. 
Im Kriege 1870/71 wurden sie nur vor Festungen von 
uns verwendet und nur von der Futzartillerie bedient. 
Jetzt aber hat auch die Feldartillerie Haubitzen, und zwar 
jedes Armeekorps eine Abteilung von drei Batterien zu 
sechs Geschützen. 
Man hat sich nur schweren Herzens dazu entschlossen, 
in die Feldartillerie wieder zwei verschiedene Kaliber ein 
zuführen, nachdem man gerade erst dadurch eine Vereinheit 
lichung erreicht hatte, datz man der reitenden Artillerie dasselbe 
Geschütz wie der fahrenden gab. Run ist also wieder mit der 
Verschiedenartigkeit der Bedienung zweier Kaliber zu rechnen. 
Auch der Ma nschaftsersatz wird bei zwei Kalibern schwie 
riger, da man immer fragen mutz: „Ist der Mann ander 
Kanone oder an der Haubitze ausgebildet?" Das schlimmste 
aber ist im Kriege der Munitionsersatz: das grötzere Kaliber 
braucht andere Geschosse und andere Ladungen, also andere 
Verpackung, andere Munitionskolonnen, und es kann im 
Schlachtgewühl vorkommen, datz der Schietzbedarf gerade 
Phdt. Leipziger Presse-Büro. 
Aus der Verteidigungstellung von Toul übergelaufene französische Soldaten werden durch bayrische schwere Reiter als Gefangene abgeführt. 
und Mann für Mann mähen sie nieder. Wir machen halt. 
Karabiner heraus, und auch unsere Kugeln sausen zwischen 
die Feinde. Jetzt, wie sie merken, datz ihrer inrmer weniger 
werden, reißen sie nach links aus. Keine 200 Meter von 
uns liegen zwei Kompanien Infanterie, die nehmen sie 
in Empfang. Langsam, aber sicher schietzen deutsche 
Büchsen; für den Feind ist kein Durchkommen. Er will 
zurück und den Weg über den Marnekanal nehmen, woher 
er gekommen ist. Doch der Weg ist von vier deutschen 
Maschinengewehren besetzt. Diese halten dazwischen und 
hören nicht auf, bis der letzte Mann vom Pferde finkt. Die 
sich uns zuwandten, sielen unter den Schüssen unserer 
Karabiner. Das alles hat knapp eine Stunde gedauert. 
In dieser Spanne Zeit haben 3000 Feinde ihr Leben lassen 
müssen. 
Unsere Haubitzen- 
Von Major a. D. Schmahl. 
(Hierzu die Bilder Seite 388 und 389.) 
Unseren Artilleristen von 1870 wird das Wort kaum 
geläufig gewesen sein, denn der schöne alte Name für die 
„kurze Kanone", also das Mittelding zwischen Kanone und 
dort fehlt, wo man ihn braucht, weil er sich verfahren hat 
und zu dem anderen Kaliber gelangt ist. 
Was hat uns nun doch dazu bewegen können, uns 
die Sache so zu erschweren? Es waren die Erfahrungen, 
die unsere lieben Freunde, die Russen, bei Plewna 1877 
gemacht hatten, wo sie sich gegen die befestigte türkische 
Feldstellung Osman Paschas vom 20. Juli bis 10. Dezember 
blutige Köpfe holten. Der Grund war, datz die Türken 
in ihren Gräben gegen die flach schießenden russischen 
Kanonen durchaus sicher saßen und, wenn die Russen 
nach einer Höllenkanonade stürmten, ungeschwächt aufstan 
den und die dicken.russischen Sturmkolonnen mit ihrem 
Jnfanterieschnellfeuer niedermähten« Die achtziger Jahre 
des vorigen Jahrhunderts gingen mit Versuchen hin. Die 
Erfindung eines Doppelzünders, der das Geschoß sowohl 
beim Aufschlag wie in der Luft zum Sprengen bringen 
konnte, ermöglichte die Abschaffung der alten Pulvergranate 
zugunsten des Schrapnells, aber die Hoffnung, durch ein 
neues Geschoß, die Sprenggranate, später einfach „Granate" 
genannt, um zweierlei Kaliber herumzukommen, führte 
zur Einführung dieses Geschosses, das man in der Luft 
über dem feindlichen Schützengraben sprengen wollte. Wäh 
rend nämlich das mit Schwarzpulver geladene Schrapnell
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.